Ein süßer Duft liegt in der LuftMarktlücke Hanf-Anbau in der Landwirtschaft
Niederkassel/Ruppichteroth – Wenn durch Uckendorf ein süßer Duft weht, dann erlebt Andreas Becker auf seinem Acker so manche Überraschung. Letztens habe ein Hippie wie aus dem Bilderbuch vor ihm gestanden, lange Haare, Jesuslatschen und ein Pflanzenbündel unter dem Arm, der Beckers Aufregung gar nicht verstand: „Chill mal“, sagt der Ältere zum 35-jährigen Bauern, an dem prächtig blühenden Hanf habe er beim besten Willen nicht vorbeigehen können.
Das Kraut hätte dem Kiffer kaum Vergnügen bereitet, diese Sorte enthält nämlich so gut wie keine berauschenden Stoffe, das THC. Der Familienbetrieb verwertet die Körner, aus denen Speiseöl gepresst wird. Theoretisch könnte aus den gefingerten Blättern CBD für medizinische Produkte gewonnen werden, so Andreas Becker, das aber war ihm einerseits zu aufwendig, andererseits zu unsicher.
EU-Verbot droht
Denn seitens der EU droht schon seit längerem ein Verkaufsverbot von Lebensmittel, die Cannabisöl enthalten. In Köln und dem Rhein-Sieg-Kreis dürfen die Produkte, die gegen Migräne oder Gelenkschmerzen helfen sollen, schon seit einigen Wochen nicht mehr über die Ladentheke gehen, und das betrifft den zweiten Hanf-Bauern im Kreis, Lukas Tölkes aus Ruppichteroth.
Der 32-Jährige war Pionier in Nordrhein-Westfalen, experimentierte auf Gut Fussberg in Kammerich 2015 erstmals mit der alten Kulturpflanze, baute sie bis zur letzten Ernte auf 20 Hektar an. Für die CBD-Öl-Herstellung nutzte er vier Hektar, belieferte mit dem Bio-Kraut eine Heilmittelfirma – doch damit ist nun Schluss.
CBD-Öl
Mitten im Cannabis-Stoppelfeld gedeiht nun die Weizensaat, das Restgrün bilde eine gute Mulchschicht fürs Getreide, erklärt Tölkes, die Bodengesundung durch Humus ist ein neues Projekt. Eine andere Sorte will der 32-Jährige aber weiter auf zehn Hektar ziehen: Um aus den Samen Öl pressen zu lassen, das Superfood in Flaschen gibt’s im Hofladen.
Julia und Andreas Becker haben von der ersten Hanfpflanze an aufs flüssige Fett gesetzt. Nach ersten, sehr guten Erfahrungen mit dem eigenen Raps erweiterten sie ihre Palette und bauen nun neben Lein, Leindotter und Senf auch das Hanfkraut mit den charakteristisch gefingerten Blättern an. Schwarzkümmel und Kürbiskerne ordern sie zusätzlich aus Österreich.
Marktlücke in der Landwirtschaft
Die ersten Saaten-Säcke brachten sie noch zu einem erfahrenen Ölmüller in den Westerwald, kauften sich dann 2019 die kleine Ölpresse und vor vier Wochen die große, eine locker fünfstellige Investition. Mit ihren kaltgepressten, vitaminreichen Ölen, die in den Verkaufsautomaten am Hof stehen, haben sie eine Marktlücke entdeckt. Ein weiteres Standbein neben den drei mobilen Hühnerställen, das den Fortbestand des konventionellen Ackerbau-Familienbetriebs sichert.
Weit und breit gebe es nur industrielle Ölmühlen, die mit hohen Temperaturen und zum Teil mit Stoffen wie Benzol arbeiteten, um auch das letzte Tröpfchen aus den Körnern herauszuholen, so die Beckers. Ihre Produkte enthielten mehr wertvolle Inhaltsstoffe und Vitamine, sie sind eher dunkel und leicht trüb, was bei einigen Kunden anfangs Irritationen hervorrief, schildert Julia Becker: „Da müssen wir den Unterschied zu den klaren Ölen aus dem Supermarkt erklären.“
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Eher unfreiwillig Rede und Antwort stehen mussten die Uckendorfer, als hochoffizielle Stellen ihr Feld an der Liburer Straße besuchten. Die Kriminalpolizei, alarmiert von Spaziergängern, entdeckte allerdings nichts Verbotenes. Auch in Ruppichteroth rückten einst die Ordnungshüter an, die kurz zuvor wenige Hundert Meter entfernt eine illegale Plantage ausgehoben hatten. Tölkes hätte das gern zu Marketingzwecken genutzt: „Schade, dass die Polizisten kein Foto mit mir wollten.“