Immer wieder erhalten Kommunen Bürgeranfragen, in denen Pöbeleien oder Schmähkritik zu finden sind. Der richtige Umgang damit ist eine Herausforderung.
Pöbeleien, SchmähkritikWie Verwaltungen in Rhein-Sieg mit beleidigenden Bürgeranfragen umgehen
Der Ton macht die Musik, das gilt auch im Umgang von Bürgen und Stadtverwaltungen. Wenn dieser aber zu schrill und falsch wird, will sich zumindest die Stadt Königswinter das nicht mehr gefallen lassen: Wer sein Fragerecht im Rat ausüben will, muss künftig genauer auf Formulierungen achten, auch in Begründungen und Begleittexten, die kurz sein müssen und „keine unsachlichen Feststellungen, Wertungen oder ehrverletzende Schmähkritik gegenüber Personen enthalten“ dürfen.
Der entsprechende Paragraf in der Geschäftsordnung des Rates wurde verschärft, im Hauptausschuss stimmten die Koalition aus KöWI, SPD und Grünen dafür, bei Enthaltung der CDU und Gegenstimmen von FDP und Die Linke. In Zeiten, in denen Lügen und Hasskommentare aus der virtuellen Welt der Sozialen Medien in den realen Alltag schwappen, ist es auch in anderen Kommunen durchaus eine Herausforderung, das rechte Maß zu finden.
Die Herausforderung, das rechte Maß zu finden
Etwa in Troisdorf: Dort beschäftigt Norbert Lang vom Bürgerforum Troisdorf seit Jahren mit einer Flut von Eingaben Rat und Stadtverwaltung. Erst vor kurzem noch mit einem Schreiben, in dem er Zustände in der Fußgängerzone am Durchgang zum Wilhelm-Hamacher-Platz anprangert. Insbesondere polemisiert er dabei gegen die Leiterin des Sozialamts Ulrike Hanke und macht sich selbstredend zum angeblichen Sprachrohr aller Troisdorfer.
„Die Bürgerschaft reagiert zunehmend empört und fragt sich, wie Sie und insbesondere die Dame Hanke reagieren würden, wenn jeden Tag ein Haufen Kot auf ihrer Fußmatte vorzufinden wäre, gegen ihre Haustür kontinuierlich uriniert würde und im Eingangsbereich zu ihrer Wohnung Erbrochenes läge. Sie werden mit derartigen Ferkeleien ja persönlich nicht konfrontiert und können daher locker ignorant, stillschweigend und schulterzuckend zur Tagesordnung übergehen“, schreibt Lang.
Beleidigende Bürgeranträge werden in Troisdorf zurückgewiesen
Bettina Plugge, Leiterin der städtischen Pressestelle, äußerte sich zu dem konkreten Fall nicht. Beleidigende Schreiben gingen prinzipiell zur Prüfung ans Rechtsamt. Es sei nicht unüblich, dass beleidigende Bürgeranträge zurückgewiesen würden, worüber der Antragsteller schriftlich informiert werde. Ansonsten würden alle Anregungen und Beschwerden, die in den Aufgabenbereich der Stadt Troisdorf fallen, aufgenommen. „Aber auch hier ist der Einzelfall zu betrachten.“ Eine Geringfügigkeitsgrenze gebe es nicht.
Ein Blick aufs Land zeigt, dass man hier wenig bis gar nicht mit beleidigenden Schreiben oder Schmähkritik zu tun hat. Trotzdem gebe es auch dort „Menschen, die die Kommune echt auf Trab halten“, sagt Norbert Büscher, Bürgermeister der Gemeinde Much. Damit meint er Bürgerinnen und Bürger, die sehr regelmäßig an die Gemeinde schreiben, immer wieder mit dem gleichen Anliegen.
Beim fünften Mal ist für den Mucher Bürgermeister Feierabend
„Da fragt man sich dann, ob die wirklich etwas wissen wollen oder lieber den Verkehr im Rathaus aufhalten“, so Büscher. Bei monatlich zwei bis drei Anfragen dieser Art, denke der Bürgermeister aber nicht daran, manche Schreiben nicht zu beantworten. „Wenn uns das gleiche Anliegen allerdings zum fünften Mal erreicht, schreiben wir zurück, dass dazu alles gesagt ist, Punkt. Dann ist Feierabend“, so Büscher.
Gegenstand der „nervigen“ Schreiben seien etwa übertrieben penible Nachfragen zur angeblich ungründlichen Reinigung der Straßen oder simple Nachbarschaftsstreits, wie etwa zu lautes Hundegebell. „Das Problem ist, dass Nachbarn heutzutage tendenziell weniger miteinander sprechen und ihre Streitigkeiten schnell an die Gemeinde weitertragen“, so Büscher.
Schnelle Antwort auf erboste Anfragen
Seine Strategie bei offenkundig erbosten Anfragen sei es, möglichst schnell zu antworten. „Man kriegt die meisten damit sehr gut gegriffen. Die Bürger merken, dass ihr Anliegen verstanden wird.“
In Siegburg etwa betont Pressesprecher Jan Gerull, gebe es zwar unverschämte Bürgeranfragen, die aber nicht die Regel seien. „Für das Bürgermeister-Büro, in dem das Anliegen-Management angesiedelt ist, gilt: Zusendungen mit auffällig beleidigendem oder drohendem Ton kommen oft noch klassisch im Briefumschlag an. Sie werden geöffnet und zur Kenntnis genommen.“
Beantwortbar seien sie meist nicht, da der Absender fehle. „Derartige Agitatoren bevorzugen den Deckmantel der Anonymität.“ Wenn trotz des Verzichts auf Umgangsformen ein echtes Anliegen erkennbar sei, werde aber reagiert. Einen Riegel schieben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch vor, wenn alle Argumente ausgetauscht sind. „Nach längerer Korrespondenz kommt irgendwann das Abwägen, ob die Fortführung sinnvoll ist.“
Schmäh-Rückmeldungen auf Social-Media-Veröffentlichungen der Kreisstadt hätten je nach Thema Reizpotenzial, was sich besonders in der Coronazeit gezeigt habe. Bei manchen Posts habe man die Kommentarfunktion deaktiviert, um Verschwörungstheoretikern oder Leugnern keine Plattform zu bieten. „Aktuell ist offenkundig menschenverachtendes selten“, so Gerull.
Ausgesprochen gelassen reagierte Siegburgs Bürgermeister Stefan Rosemann auf eine sogenannte Influencerin, die sich bemerkenswert uninformiert daran machte, die Wahrnehmung der Kreisstadt zu beeinflussen: „SophiaTokk“, offenbar seit zwei Jahren Siegburgerin, hatte befunden, die Stadt sei „total dankbar um jeden Einwohner, den die haben“, und: „Die geben deshalb auch einfach unnormal Gas, was so Veranstaltungen angeht.“
Rosemann dürfte sich angesichts der bekannten Wohnraumknappheit zwar über die Einschätzung gewundert haben, reagierte aber souverän und gelassen: „Wenn Du noch Ideen hast, wie wir unsere Stadt verbessern können, melde Dich gern bei mir.“
Die Angesprochene sah sich im Verlauf des Austauschs irgendwann als „Botschafterin des Rhein-Sieg-Kreises“, und nicht nur das: „Ich erwarte von Ihnen, Herr Rosemann, dass der 14. Mai, mein Geburtstag, ab jetzt Feiertag ist!“ Zudem fragte sie an, was nötig sei, um Ehrenbürgerin zu werden. Das allerdings, so verdeutlichte Rosemann, dürfe etwas schwierig werden. Er stellte aber ein Treffen bei einem Kaffee oder einem Bürger in Aussicht.
Insgesamt kam Siegburg dabei noch gut weg. Bei ihrer Wohnungssuche in Bonn hatte SophiaTokk nach eigenem Bekunden festgestellt, dass dort „einfach jede sch*** Wohnung einfach so ne Opium-Crack-Höhle Berlin-WG-Wohnung ist“. (mit jv)