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Neuer ErlassElterntaxis könnten vor zahlreichen Schulen in Rhein-Sieg ausgesperrt werden

Lesezeit 6 Minuten
Autos und Schulkinder in einer schmalen Straße

Problem Elterntaxis: An der Hermann-Löns-Straße in Lohmar ist morgens zu Schulbeginn und auch nach Schulschluss eine Menge los. (Archivbild)

Das Land bietet die Möglichkeit, Zufahrtsstraßen zu den Schulen zeitweise zu sperren. An welchen Stellen in Rhein-Sieg das umgesetzt werden könnte.

„Die Eltern werden immer frecher!“ So schimpfte ein erboster Anwohner auf einer Bürgerversammlung über den Hol- und Bringverkehr zur Grundschule und zur Gesamtschule in Lohmar-Ort. Etliche Nachbarn sprachen sich für eine zeitweise Straßensperrung aus. Dieses Beruhigungsmittel für das Wohnviertel wird durch einen Erlass des Landes Nordrhein-Westfalen nun leichter möglich gemacht: Straßen vor Schultoren können sich auf diese Weise für 30 bis 45 Minuten zur Zeit des Unterrichtsbeginns und des Unterrichtsendes in sogenannte Schulstraßen verwandeln. Elterntaxis und Durchgangsverkehr würden für diese Zeit am Vorbeifahren gehindert. Wie reagieren die Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis?

Schuldezernent Andreas Behncke ist froh über die neue Rechtssicherheit für die Verwaltung: „Der Erlass eröffnet uns eine weitere Möglichkeit, worüber wir sehr froh sind.“ Seit Jahren gibt es Klagen über den zunehmenden Verkehr in den schmalen Straßen des Viertels unterhalb der Schulen, die am Ende von zwei Sackgassen liegen. Die Stadt hat ein Fachbüro für Schulwegsicherung mit einer Studie beauftragt. Die Bürgerversammlung war ein Teil davon. Außerdem wurden die Fußwege in dem sonst ruhigen Wohnviertel unter die Lupe genommen und die Eltern befragt, wie ihre Kinder zur Schule kommen: Per pedes, mit dem Fahrrad, dem Bus oder im Pkw.

Lediglich die Anwohner würden vor Lohmarer Schulen ein Passierrecht erhalten

Ergebnis: Mindestens 300 Autos fahren morgens und abends den Berg hinauf und wieder hinunter, 600 Fahrten jeweils in 30 Minuten, das sei eine Belastung wie an einer Hauptverkehrsstraße, resümierte Gutachter Jens Leven vom Wuppertaler Büro Bueffe im städtischen Ausschuss für Bauen und Verkehr. Im Winter seien es mehr, im Sommer, wenn es nicht regnet, etwas weniger.

Auf Basis der Untersuchung stelle die Stadt derzeit einen Strauß von Maßnahmen zusammen, so Dezernent Behncke. Diese sollen dem Ausschuss und gegebenenfalls dem Rat zur Entscheidung vorgeschlagen werden. Eine Schulstraße werde aber nicht zwingend vorgeschlagen und eingerichtet werden. Bei diesem Modell würde die Zufahrt etwa 30 bis 45 Minuten vor und nach Schulschluss gesperrt.

Anwohner erhielten dann ein Passierrecht. Bislang gibt es lediglich ein Zufahrtsverbot mit dem Zusatz „Anlieger frei“, was das Problem der Elterntaxis aber nicht löste. Denn das Wort Anlieger schließe alle Nutzer mit einem Anliegen ein, und die Fahrten zu den Schulen zählten dazu.

Nachbarn halten Freiwilligkeit bei Elterntaxis für ein zu weiches Instrument

Die Ausweisung von Elternhaltestellen im Umkreis wurde bereits als ein Baustein vorgestellt: Das halten viele Nachbarn sowie Mütter und Väter, deren Kinder zu Fuß gehen, indes für ein zu weiches Instrument. Allein auf Freiwilligkeit zu setzen, sei nicht genug, das zeigten Beispiele aus anderen Kommunen, wo die Konflikte trotzdem weiter schwelten.

Auch der Ansatz, dass die Kinder ihre Eltern zu mehr Umweltbewusstsein erziehen sollten, so dass diese über Alternativen nachdenken, wurde in Frage gestellt. Der Stress und die Bequemlichkeit könnten stärker sein: Wer seinen Nachwuchs auf dem Weg zur Arbeit am Schultor absetze, habe es oft eilig. Und ein längerer Fußweg bedeute früheres Aufstehen.

In Siegburg existiert das Problem der Elterntaxis „an jeder Schule“

„Wir haben das Problem an jeder Siegburger Schule“, sagt Stephan Marks, Technischer Beigeordneter der Kreisstadt auf Anfrage, „da ein neues Instrument zu haben wäre gut." Bei Schulbeginn tauchten die berüchtigten Elterntaxis jeweils binnen für eine Viertelstunde auf.

Brennpunkte seien etwa die Wolsdorfer Grundschule und der Wendekreis am Schulzentrum Neuenhof, der ständig angefahren wird, obwohl dort gerade Baustellenbetrieb herrscht. Bei der Umsetzung des neuen Vorstoßes werde die Kreisstadt sich eng mit Schulen, Eltern und Polizei abstimmen müssen.

Marks sieht Teufel im Detail: „Wer soll denn in den fließenden Fragen eingreifen?“, fragt er etwa, zudem müsse jemand kontrollieren, bei wem es sich morgens wirklich um Anlieger handelt. Verwaltung und Politik hätten das Thema schon lange auf dem Schirm, und eine Rolle werde es auch beim neuen Siegburger Mobilitätsplan (SUMP) spielen.

In Eitorf-Alzenbach würde sich ein Versuch der Straßensperrung anbieten

Auch in Eitorf sieht Bürgermeister Rainer Viehof durch den Landeserlass die Möglichkeit, eine gefährliche Schulwegsituation zu entschärfen. Seit Jahren ist die Verkehrssituation an der Grundschule Alzenbach ein Thema, wirklich gefruchtet hat bislang nichts. Zunächst hatte es die Gemeinde mit einem Halteverbot versucht, das missachtet wurde. Durch die Elterntaxis waren nicht nur gefährliche Situationen für Kinder entstanden, auch der Schulbusverkehr wurde behindert. 2016 kam dann die Sperrung für Pkw vor der Schule.

Das Absperren der unmittelbaren Zufahrt zur Grundschule Alzenbach mit Pollern habe jedoch keinen durchschlagenden Erfolg gebracht, erläutert der Bürgermeister: „Wir haben sehr viele Elterntaxis, und die fahren bis an die Poller ran.“ In den engen Straßen der Tempo-30-Zone knubbele sich der Hol- und Bringverkehr: „Wir haben einen sehr hohen Durchsatz, hier ist ja auch noch ein Kindergarten!“

„Wir müssen nach einer klugen Lösung suchen, die Sicherheit der Kinder dort zu gewährleisten“, sagt Viehof. Der Landeserlass, der nun die Möglichkeit der Einrichtung einer Schulstraße mit zeitweiser Sperrung für den Durchgangsverkehr biete, spiele der Verwaltung in die Karten, so der Bürgermeister. „Es würde sich anbieten, es in Alzenbach zu versuchen.“

An Troisdorfer Schulen wurden sogenannte Elternhaltestellen ausgewiesen

„Wir warten die Ergebnisse der aktuellen Prüfungen im schulischen Mobilitätsmanagement ab“, antwortete Sprecherin Bettina Plugge auf die entsprechende Anfrage. Über einen Zeitraum von drei Jahren nehmen Fachleute das Umfeld aller zwölf Grundschulen in der Stadt unter die Lupe, um sichere Schulwege auszumachen.

„Schicken Sie Ihr Kind nach Möglichkeit zu Fuß“, steht in ersten fertiggestellten Konzepten zur Sternenschule in Spich sowie der Grundschule Blücherstraße im Stadtteil West. „Gönnen Sie ihm zusätzliche Bewegung und die Gemeinschaft der Klassenkameraden“.

Sollten die Eltern das Kind dennoch bringen wollen, so sind an der Sternenschule zwei „Elternhaltestellen“ ausgewiesen: An der Kriegsdorfer Straße sowie am Friedhof; für die Grundschule Blücherstraße an der Moselstraße.

Mit dauerhaft geschlossenen Schranken wurde autofreier Schulcampus in Hennef realisiert

„Der Wunsch der Eltern ist groß, die Kinder so nah wie möglich an die Schule zu bringen“, berichtete im vergangenen Sommer Petra Herrmann, Rektorin der Grundschule Asselbachstraße in Spich. Sie werbe unermüdlich dafür, dass die Eltern ihre Kinder nicht bis vor die Tür fahren.

Im Hennefer Schulzentrum mit Gymnasium, Gesamtschule, Grundschule und Berufskolleg wurde das Problem mit einer Sperrung der Fritz-Jacobi-Straße für den Durchgangsverkehr gelöst: Mit dauerhaft geschlossenen Schranken wurde der autofreie Schulcampus realisiert. Eine Fahrradstraße (in der Königstraße) und Elterntaxi-Haltebuchten an der Frankfurter Straße flankieren die Maßnahmen. Der entsprechende Verkehrsversuch steht mit einem positiven Fazit des beauftragten Fachbüros vor dem Abschluss.

Ein Schild weist einen Seitenstreifen an der Straße in Schulnähe für Elterntaxi-Stopps aus.

Ab hier zu Fuß: Die Stadt Hennef hat in Schulnähe für Elterntaxi-Stopps ausgewiesen.

Das Elterntaxi-Problem taucht nach Auskunft der Stadt aber auch an nahezu allen anderen Hennefer Schulen „in unterschiedlich starker Ausprägung“ auf. Die neuen Möglichkeiten, die der Erlass biete, „werden mit Blick auf bestehende Problemlagen und räumliche Voraussetzungen geprüft und gegebenenfalls mit Schulen und Anwohnenden erörtert“.