Zeugnisse im Rhein-Sieg-KreisLehrer beobachten Corona-Folgen bei schwächeren Schülern
Rhein-Sieg-Kreis – Jeder kennt eine Corona-Schul-Geschichte: In den vergangenen zwei Jahren handelten sie oft von Rückenschmerzen, Stoßlüften und langsamen Internetverbindungen. Jetzt, zum Ende eines weiteren Corona-Schuljahres, geht es um Noten und Klassenwiederholungen. Offizielle Daten dazu, wie viele Schülerinnen und Schüler im Rhein-Sieg-Kreis das Schuljahr nicht schaffen, gibt es noch nicht. Aus dem Schulministerium in Düsseldorf heißt es, dass mit den Daten für dieses Schuljahr erst im Oktober zu rechnen sei.
Was aber vorliegt, sind die Daten aus den vergangenen Jahren. Demnach mussten 1384 Schüler die Klasse wiederholen – rund 100 mehr als in den Jahren vor der Pandemie. Wie ist die Situation an den Schulen im Kreis in diesem Jahr?
Gymnasium in Hennef: Viele kritische Noten und psychische Probleme
Am Städtischen Gymnasium Hennef (SGH) ist die Lage sehr heterogen. Mittelstufenkoordinator Georg Kipp hat zwar im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren eine niedrigere Wiederholer-Quote festgestellt, er schätzt das Minus auf 15 bis 20 Prozent. Es gebe aber weit mehr Schülerinnen und Schüler mit schwachen bis kritischen Noten. Viele Zeugnisse seien nicht gut, die Zahl der sehr knapp Versetzten entsprechend hoch.
In den vergangenen zwei Schuljahren hieß es von Seiten des Schulministeriums, „Augenmaß“ walten zu lassen. 2020 wurde die Nichtversetzung gar aufgehoben, ausgenommen waren freiwillige Wiederholungen. „Es ist uns inzwischen klar, dass die durch die Pandemie verursachten Probleme vielfältig und eher langfristig zu beheben sind“, sagt Kipp.
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Das SGH habe dennoch viele fachliche Probleme auffangen können, etwa durch das breit aufgestellte Maßnahmen-Paket „Aufholen nach Corona (ANC)“, aufgelegt von Ministerium. „Schüler helfen Schülern“, Senioren, die Schüler Nachhilfe gaben, Förderkurse in den Osterferien, die Vermittlung zahlreicher Bildungsgutscheine.
Zweites Corona-Schuljahr: Viele Schüler wurden „durchgeschleift“
Langfristig geblieben seien indes psychische Probleme der Kinder, die deutlich zugenommen hätten. Auch Lern- und Arbeitsroutinen, „die vielen Kindern gründlich verloren gegangen“ sind, müssten neu gelernt werden. Das Kollegium hätte da viel Bereitschaft und Engagement gezeigt, doch die Ressourcen, gerade personell, seien knapp.
„Die Wiederholer-Quote ist eher geringer“, sagt sein Kollege Michael Strock, Oberstufenkoordinator am SGH. Wie Kipp erlebt er aber, dass einige schwächere Schülerinnen und Schüler „durchgeschleift“ worden seien, die zu anderen Zeiten möglicherweise das Jahr wiederholt hätten. „Da hat sich ein Berg angestaut.“
Corona-Folgen: Häusliche Unruhe macht sich im Unterricht bemerkbar
Auch er betont die viele Arbeit, die das Kollegium hineingesteckt hätte neue Unterrichtsformen und Begleitung. Nach seiner Beobachtung gibt es einzelne Schüler, die einen Corona-Nachteil gehabt hätten, andere dagegen hätten profitiert. Sie seien gut unterstützt worden, hätten gelernt, sich selbst zu organisieren, Störungen durch Mitschüler seien weggefallen.
„Da gibt es eine große Spreizung zwischen denen, die es gerade geschafft haben und einer extremen Leistungsspitze“, berichtet Strock. Einzelne Schüler hätten das Gymnasium verlassen, um andere Schulformen zu besuchen oder eine Ausbildung zu beginnen.
Monika Mattke, Leiterin der Realschule Niederpleis, berichtet, dass einige Schüler, die im vergangenen Jahr wegen Corona versetzt wurden, nun das Klassenziel nicht erreicht hätten. „Da es im ersten Corona-Jahr keine Nicht-Versetzung gab, zeigt sich jetzt erwartungsgemäß bei einigen, dass sie bei höheren Anforderungen nicht mehr mitkommen.“
Beobachtet worden wäre allerdings, dass „häusliche Unruhe“ immer mehr Kinder negativ beeinträchtige. „Wenn die Eltern sich trennen – und das scheint gerade häufiger vorzukommen – , lassen viele Kinder in den Leistungen nach“, berichtet Mattke. So seien mehr als eine Schulanmeldung auf ihrer Realschule von Wechslern vom Gymnasium gekommen.
Realschule Niederpleis organisiert Nachhilfeunterricht in den Ferien
„Bei uns sind von 375 Schülern alles bis auf drei Jugendliche versetzt worden“, sagt Susanne Schleebaum, Leiterin der Hauptschule Niederpleis. Diese drei bekämen nun in den Ferien Nachhilfeunterricht, der aus dem Corona-Programm „Lernen in Bewegung“ finanziert werde. Damit sollten sie eigentlich ihre Nachprüfung bestehen. In den Corona-Lockdowns hätte die Schule eine „sehr umfängliche Notbetreuung“ gehabt.
Jeder, den wir digital nicht erreichen konnten, musste zur Schule kommen. Von daher haben wir auch keinen Schüler verloren“, betont Schleebaum. Im vergangenen Jahr sei es fast genauso gewesen. „Unser Ziel ist es, dass niemand mehr sitzen bleibt.“
Corona-Folgen an Mucher Schule: Freiwillig eine Jahrgangsstufe zurück
Dass Eltern ihre Kinder die Jahrgangsstufe wiederholen lassen, ist für die Leiterin der Gesamtschule Much, Andrea Friedrich, „eindeutig eine Corona-Folge“. Fehlzeiten zum Beispiel wegen einer Infektion hätten einzelne Kinder weit zurückgeworfen.
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Weil es großen Nachholbedarf gebe, hätten sich die Eltern entschieden, die Wiederholung der Klasse zu beantragen. Die Zahl der übrigen Wiederholer ab Klasse Neun liege mit Zweien durchaus in der üblichen Höhe.
„Wir versuchen, Lernlücken im kommenden Schuljahr zu füllen,“ berichtet Frank Sauerzweig, der stellvertretende Leiter der Gesamtschule Windeck mit den beiden Standorten Rosbach und Herchen. Mit zwei Kindern, die die neunte Klasse wiederholten, sei die Zahl genau so groß wie im Vorjahr.