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Erschossene PolizistenMorde von Kusel wühlen die Beamten im Rhein-Sieg-Kreis auf

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Trauerflor

Trauerflor an einem Streifenwagen in Siegburg

Rhein-Sieg-Kreis – „Da ist eine riesengroße Betroffenheit“, erzählt Bernhard Göbel, Vorsitzender der Kreisgruppe Rhein-Sieg der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Ich habe selten so viele Trauerflore in den Statusmeldungen bei den sozialen Medien gesehen.“

Die Morde an der jungen Kommissaranwärterin und dem Oberkommissar im rheinland-pfälzischen Kusel wühlen auch die Beamten der Kreispolizei auf. „Viele fragen jetzt: Was können wir an Ausrüstung und Ausbildung machen?“, berichtet Göbel.

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Bernhard Göbel, Vorsitzender der Kreisgruppe Rhein-Sieg der Gewerkschaft der Polizei.

Doch gibt es da nach seiner Ansicht wenig Verbesserungsmöglichkeiten. „Die beiden sind da einfach in eine vollkommen bizarre Situation geraten, sind überrascht worden.“ Mehr und mehr Hintergründe werden bekannt. Offenbar war der 38 Jahre alte Haupttäter gewerbsmäßig als Wilderer unterwegs. Er verkaufte nach Informationen dieser Zeitung auf diese Weise 400 bis 500 Stück Schalenwild jährlich.

Ein seltenes Delikt

Wilderei ist in den Wäldern an Sieg und Rhein eher selten. Der Jäger Christoph Mücher hat aber in seinem Revier bei Hennef-Süchterscheid schon mehrfach Schüsse gehört, die er nicht zuordnen konnte. Es waren zu jenem Zeitpunkt auch keine anderen Jäger unterwegs.

Vor Jahren hat Mücher im Geistinger Wald geschossene Rehe und Wildschweine gefunden, bei denen er Wilderer vermutete. Ermittlungen ergaben damals allerdings keinen konkreten Tatverdacht. (rvg)

Bei einer Kontrolle, wie sie täglich vielfach in Deutschland durchgeführt werden, fiel er mit getöteten Tieren im Kofferraum auf. Die beiden späteren Opfer hatten eine Meldung abgesetzt, dass sie dies überprüfen wollten. „Wie sich gezeigt hat, waren sie auf beiden Seiten des Fahrzeugs, haben verschiedene Winkel abgedeckt“, beschreibt Göbel die Rekonstruktion des Hergangs. Er ist Einsatztrainer und spielt solche Situationen mit den Beamten der Kreispolizei bei den regelmäßigen Übungen immer wieder durch.

Die Opfer trugen schusssichere Westen

Die beiden Opfer trugen schusssichere Westen. Das ist im Rhein-Sieg-Kreis ebenfalls Standard, genau wie der Funkspruch an die Leitstelle. Doch gegen gezielte Schüsse auf die anderen Körperteile gibt es keinen Schutz. „Da können wir nicht viel machen“, erklärt Göbel. „Bodycams oder Elektrotaser bringen nichts, wenn ich sie erst gar nicht zum Einsatz bringen kann.“

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In seinen Trainings seit der Tat ist es das beherrschende Thema: „Die Kolleginnen und Kollegen denken an kaum etwas anderes.“ Die Polizei in Nordrhein-Westfalen, aber auch in den anderen Bundesländern hält er für gut geschult. „Natürlich sind wir aufmerksam. Im Alltag schleifen sich zwar Routinen ein, doch auf die Eigensicherung wird stets geachtet.“

Viele hätten ihn angesprochen, die meisten davon hätten Familie. „Es sind Gedanken, etwa in der Art: Was ist, wenn mir das passiert? Wer trauert dann um mich? Komme ich wieder gesund zurück?“

Schweigeminute für die getöteten Kollegen am Freitag

Polizeiarbeit ist mit Risiken behaftet, das weiß, wer diesen Beruf aufnimmt. Doch wird das in dieser Woche bewusster. „Die nehmen das mit in jeden Einsatz“, weiß Göbel. Deshalb wollen die Polizeien aller Länder und die Bundespolizei am Freitag um 10 Uhr eine gemeinsame Schweigeminute einlegen, unter dem Motto „Zwei von uns“.

Bilder sollen gemacht werden, die in Rheinland-Pfalz zu einer Collage zusammengestellt werden, als Zeichen des Beistands und der Solidarität. Die Kreispolizei Rhein-Sieg wird sich daran beteiligen.