Sexuelle Belästigung und Übergriffe an Karneval sind keine Seltenheit. Wie Veranstalter und Betroffene handeln können.
Rhein-Sieg-KreisBützchen oder Belästigung? Schutz vor sexuellen Übergriffen an Karneval
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Sexuelle Belästigung und Übergriffe an Karneval sind nicht selten, oft erstatten Frauen jedoch keine Anzeige. (Symbolbild)
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Viele Menschen auf engem Raum, viel Kölsch und leider immer wieder Belästigung: Sexuelle Übergriffe an Karneval sind keine Einzelfälle. Häufig erstatten Betroffene jedoch keine Anzeige oder sprechen überhaupt nicht darüber. Was können Veranstalter und Betroffene tun?
Im Rhein-Sieg-Kreis seien in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt fünf sexuelle Belästigungen und Nötigungen im Zusammenhang mit Karneval zur Anzeige gebracht worden, teilt Polizeihauptkommissar und Pressesprecher Stefan Birk mit. Das klingt nicht viel, von einer hohen Dunkelziffer müsse jedoch ausgegangen werden, sagt Anouk Sterr vom Bad Honnefer Frauenzentrum.
Übergriffe an Karneval: Bad Honnefer Frauenzentrum geht von einer hohen Dunkelziffer aus
Es sei schwer, Zahlen über sexuelle Übergriffe zu nennen, die sich in den Karnevalstagen ereigneten, sagt Sterr: „Erfahrungsgemäß holen Betroffene sich nicht unmittelbar nach einem Übergriff Hilfe. Oft vergehen einige Tage, bis sie selbst verstanden haben, was ihnen passiert ist.“
Unsicherheiten und Scham seien häufige Gründe, warum Betroffene sich erst spät oder gar keine Hilfe holten, sagt Anouk Sterr. Übergriffe oder Belästigungen würden an traditionsbeladenen Festen wie Karneval oft weniger ernst genommen, so die Sexualpädagogin: „Dann heißt es, ‚das gehört halt zu Karneval dazu, dass man solche Dinge erlebt, damit muss man rechnen‘.“
Oft vergehen einige Tage, bis Betroffene selbst verstanden haben, was ihnen passiert ist.
Sterr, die außer der allgemeinen Beratung im Frauenzentrum auch Präventionsarbeit in Schulen leistet, beobachtet bei jungen Menschen ein erhöhtes Bewusstsein zum Thema sexuelle Belästigung: „Junge Menschen können immer besser einschätzen, was in Ordnung ist und was nicht. Das hat auch mit den sozialen Medien zu tun, wo viele Informationen dazu kursieren.“
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Die Frauenzentren in Bad Honnef und Troisdorf sind Anlaufstellen für Frauen in Rhein-Sieg.
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Männer und Jungen holen sich laut Sterr nur selten Hilfe, obwohl diese auch immer wieder sexuellen Belästigungen beim Feiern ausgesetzt seien. Auch ältere Frauen melden sich seltener, laut Studien seien sie jedoch nicht weniger oft von Übergriffen betroffen als junge Frauen und Mädchen. „Das hat auch viel mit Scham zu tun - weil viele Menschen fälschlicherweise davon ausgehen, nur hübsche, junge Mädchen würden belästigt“, sagt Sterr.
Wenn wir in fünf Jahren nur drei Leute hier haben, die nach Hilfe fragen, dann hat es sich schon gelohnt
Was Präventionsarbeit sexueller Belästigung an Karneval angeht, könne noch „wahnsinnig viel passieren“, so Anouk Sterr, „Weil es immer wieder die falsche Auffassung gibt, Belästigung gehöre zum Feiern dazu, ist da auch oft kein Wille, etwas zu ändern.“ Sie wünsche sich, dass mehr Veranstalter klare Haltung gegen sexualisierte Gewalt bezögen. Dabei gehe es nicht nur um körperliche Übergriffe, sondern auch verbale Belästigung oder unerwünschte Blicke.
Eine Möglichkeit sei, das Personal entsprechend zu schulen und klare Anlaufstellen für Betroffene sexueller Übergriffe auf einer Veranstaltung kenntlich zu machen. Als erster Schritt helfe es bereits, Plakate aufzuhängen, um eine ablehnende Haltung gegenüber jeder Form sexueller Gewalt zu zeigen. Auch Informationsplakate, beispielsweise was das Erkennen von K.-o.-Tropfen angehe, seien hilfreich.
Siegburger Kulturcafé möchte eine niedrigschwellige Anlaufstelle sein
Das Siegburger Kulturcafé des evangelischen Jugendwerks nutzt das Projekt „Luisa ist hier“, um eine niedrigschwellige Anlaufstelle für Menschen zu schaffen, die sich bedroht oder unsicher fühlen. Das Konzept: Wer Belästigung, Bedrohung oder ähnliches erfahren hat, bekommt Hilfe, ohne sich weiter erklären zu müssen. Das ist möglich, indem er oder sie die beispielsweise durch Ansteck-Buttons erkennbaren Ansprechpersonen fragt, „Ist Luisa hier?“
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Andreas Wabnik ist Leiter des Kulturcafés in Siegburg.
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„Bei unseren Karnevals- oder Halloweenpartys tragen alle Mitarbeitenden einen Luisa-Button“, sagt Andreas Wabnik vom Kulturcafé. Zwar werde das Angebot im Kulturcafé so gut wie gar nicht genutzt, Wabnik und seinem Team gehe es aber darum, zu zeigen, dass man dem Thema Beachtung schenke. „Wir finden das einfach ein wichtiges Ding - und wenn wir in fünf Jahren nur drei Leute hier haben, die nach Hilfe fragen, dann hat es sich schon gelohnt“, sagt Wabnik.
Gerade weil das Siegburger Kulturcafé anders als andere Jugendzentren mitten in der Stadt liege, sei es wichtig, ein niedrigschwelliges Angebot für Hilfe bei Belästigung zu bieten. „Ordnungsamt und Polizei sind wahrscheinlich nicht immer die ersten Anlaufstellen, die Betroffene nutzen“, erläutert Wabnik. „Wir haben eine Schule, wir haben das Rhein-Sieg-Forum gegenüber und verstehen uns auch in diesem Verbund als Sozialer Raum.“
Die Polizei des Rhein-Sieg-Kreises ruft explizit dazu auf, sexuelle Handlungen, die gegen den eigenen Willen geschehen sind, anzuzeigen - auch, wenn der Täter oder die Täterin aus dem persönlichen Umfeld stammt. Bei akuter Bedrohung sollen Betroffene die 110 wählen.
„Denken Sie daran: Sexuelle Belästigung ist eine Straftat“, betont Pressesprecher Stefan Birk, „als Opfer haben Sie das Recht, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Schweigen hilft nur dem Täter!“ Strafanzeigen können bei jeder Polizeidienststelle erstatten werden.
Das Frauenzentrum in Troisdorf, Hospitalstraße 2, ist unter 02241/72250 zu erreichen und hat an Karneval zu folgenden Zeiten geöffnet:27.02.25: 9 - 18 Uhr28.02.25: 9 -13 Uhr03.03.25: 9 - 19 Uhr04.03.25: 9 - 13 Uhr
Das Bad Honnefer Frauenzentrum, Hauptstraße 20a, bietet Montags bis Donnerstags täglich zwischen 10 und 12 Uhr Telefonsprechstunden unter 02224/10548 an. Vom 27. 02. bis 03.03. hat das Frauenzentrum geschlossen.
Betroffene von sexuellen Übergriffen oder Belästigung können sich rund um die Uhr an das bundesweite Hilfetelefon wenden: 116 016