BundestagswahlWas sagen die Kandidaten im Rhein-Sieg-Kreis zum Thema Klimawandel
Rhein-Sieg-Kreis – Die Fragen
Der Beschluss zum Kohleausstieg bis 2038 ist angesichts des fortschreitenden Klimawandels in der Kritik. Kann an diesem Datum noch festgehalten werden?
Waldsterben ist so konkret sichtbar wie nie zuvor, auch in unserer Region. Womit sollten die abgeholzten Flächen wieder aufgewertet werden – vor allem hinsichtlich eines Beitrags zur Verbesserung des Klimas?
Extrem heiße Sommer und Waldbrandgefahr, Hochwasser und gewaltige Flutwellen: Was früher nur aus dem Fernsehen und weit entfernten Ländern bekannt war, rückt immer näher und trifft auch uns mit voller Wucht. Wie kann dem vorbeugend begegnet werden, welche grundlegenden Änderungen sind notwendig?
Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU
1 und 3: Dürresommer und Flut sind bereits Folgen des globalen Klimawandels. Wir müssen möglichst gemeinsam und weltweit Treibhausgase vermeiden und klimaneutral werden. Deutschlands hat sich dazu ein ambitioniertes Klimaziel gesetzt. Wir wollen bis 2045 den Beweis bringen, dass Zero-Emission, der Erhalt des industriellen Kerns, gute Arbeitsplätze und ein weiter hoher Lebensstandard vereinbar sind.
Ein Schritt dazu ist der Kohleausstieg: Vor dem Beschluss zum Kohleausstieg 2038 sah die Leitentscheidung der damaligen rot-grünen NRW-Landesregierung von 2016 Braunkohleabbau und -verstromung bis 2045 vor. Die Frist 2038 ist keine Garantie für Kohleverstromung, sondern ein Limit!
Die absehbare Verteuerung der CO2-Zertifikate wird voraussichtlich dazu führen, dass bereits deutlich früher Strom aus Erneuerbaren Energien und aus Gas billiger sind. Kohlestrom lohnt sich dann nicht mehr. Wichtiger und herausfordernder als die bloße Jahreszahl des Kohleausstiegs ist es, die fossile Energie möglichst schnell zu ersetzen durch den Ausbau der EE-Potenziale in Deutschland und Energiepartnerschaften mit anderen Ländern. Außerdem brauchen wir Innovationen bei Speichern und Energieeffizienz, neue Verfahren und Antriebe ohne CO2-Emissionen. Elektrifizierung und Wasserstofftechnologien stehen dabei im Mittelpunkt. Zu all diesen Themen gibt es schon viele sehr konkrete und realistische Fortschritte, die jetzt in die breite Anwendung kommen müssen.
2. Der Wald in unserer Region ist deutlich sichtbar von Schäden durch Dürre und Borkenkäfer betroffen. Der Fichtenbestand ist weitgehend abgestorben und wird überwiegend abgeholzt. Es geht jetzt darum, eine Aufforstung mit einer klimaangepassten, resistenteren Mischung vorzunehmen. Der Bund unterstützt private und kommunale Waldbesitzer mit einer Nachhaltigkeitsprämie. Dafür wurden 500 Millionen Euro bereitgestellt. Insgesamt muss sich die Bewirtschaftung für die Waldbauern auch rechnen, wenn sie mit ihrem Wald Leistungen zugunsten von Klima und Erholung erbringen.
Sebastian Hartmann, SPD
1. Das Datum 2038 ist der späteste Zeitpunkt für den Kohleausstieg. Es wird regelmäßig überprüft, früher auszusteigen. Das hängt vor allem vom Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien ab. Außerdem muss die Speichertechnologie vorangetrieben und die Energieeffizienz gesteigert werden. Es ist ein international sehr geachtetes Signal, dass wir gleichzeitig aus der Atomenergie, der Stein- und der Braunkohle aussteigen. Diesen Weg geht kein anderer Industriestaat.
Soziale Verwerfung müssen wir aber verhindern. Es darf nicht sein, dass viele Menschen sich Strom und Energie nicht mehr leisten können oder gute Arbeitsplätze verlagert werden. Diese Arbeitsplätze sind der Garant dafür, dass der Wandel auch gelingt. Dazu genügt ein Blick auf die energieintensive chemische Industrie bei uns vor Ort. Damit unser Weg eine Blaupause für andere wird, muss der Wandel sozial gerecht und ökologisch nachhaltig gelingen.
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2. In der Vergangenheit sind die Wälder falsch bewirtschaftet worden. Viele Fichtenwälder sind Ergebnis industrieller Bewirtschaftung, in der schnell wachsende Bäume angepflanzt und durch die ursprünglich vorhandene Bewaldung ersetzt wurden. Das wird in Deutschland oft vergessen. Es ist ein Fehler gewesen, den Wald als Industrieprodukt zu begreifen.
Ich befürworte die Programme der Bundesregierung zur Wiederaufforstung und geänderten Zusammensetzung der Wälder. Im Rhein-Sieg-Kreis haben wir besonders waldreiche und besonders waldarme Gebiete. Deshalb sollten wir die waldarmen Gebiete aufforsten, um einen regionalen Ausgleich zu schaffen.
3. Die stärkste Veränderung neben der Zunahme lokaler Extremwetterereignisse ist der enorme Zuzug in unsere Region. Damit ging eine höhere Besiedlung einher und oft eine Einengung der Flüsse oder Verlust von Flussauen. Wir müssen uns den Klimafolgen anpassen, brauchen eine andere Form der Besiedlung und mehr Vorsorge. Damit dürfen die Kommunen nicht alleine gelassen werden, sondern müssen von Bund und Land Förderungen erhalten.
Ralph Lorenz, FDP
1. Wir werden in Deutschland künftig auf Stromimporte angewiesen sein, weil unsere Stromerzeugung nicht grundlastfähig ist. Der Strom muss entweder verbraucht oder gespeichert werden. Diese Kapazitäten haben wir nicht. Das modernste Steinkohlekraftwerk der Welt, Datteln IV, besuchte ich vor Jahren mit einer FDP-Delegation. Dort habe ich erfahren und gesehen, dass das modernste und effektivste Kohlekraftwerk stillgelegt wurde, aber in Datteln I Erdöl verbrannt wurde für die dringend notwendige Energie des Bahngleisstroms und für die Erdwärme. Wo ist da bitteschön der umweltpolitische Benefit?
2. Das wird man so pauschal nicht beantworten und vorschreiben können. Jeder der zwei Millionen Waldbesitzer in Deutschland ist gehalten, vieles in eigener Verantwortung auszuprobieren. Wir müssen den Wald wieder zukunftsfit machen und artenreich aufforsten, geeignetere Baumsorten finden und vor gebietsfremden Pflanzen schützen. Waipuna, ein patentiertes Verfahren aus Neuseeland, könnte die Lösung sein, zugelassen vom Landwirtschaftsministerium und zu 100 Prozent biologisch abbaubar.
Klimapolitisch ist der Wald sehr wichtig, denn die Sonne reflektiert sich am Boden stärker als auf einem Walddach. Die Kronen schützen den Boden vor Erwärmung, der Wald ist Wasserfilter, Sauerstoffspender und dient auch der Erholung der Menschen.
Wir sehen jetzt überall die abgestorbenen Fichtenbestände, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass nach dem Sturmtief Friederike vor drei Jahren das Holz in den Wäldern ein Jahr lang nicht aufgearbeitet wurde und der Borkenkäfer sich dadurch verbreiten konnte. Und dann kam obendrein noch ein sehr dürrer Sommer. Und das war dann für unseren Wald zu viel!Ansonsten bin ich guter Dinge, dass sich der Wald in unserer Region wieder gut erholen wird. Man darf nie vergessen, dass „Nachhaltigkeit“ vor 300 Jahren in der Forstwirtschaft erfunden wurde, zudem hat die Natur ein enormes Potenzial.
3. An der Ahr, an der Agger, am Rhein und an der Sieg . . . immer wieder kommen solche Jahrhunderthochwasser vor. Beispielsweise gab es 1909 eines der höchsten Hochwasser an der Sieg, bei dem Häuser und Brücken weggerissen, Eisenbahnpfeiler unterspült und Bahngleise abgesenkt wurden. Damals war zwischen Siegburg und Sankt Augustin bis hin zur Frankfurter Straße und dem heutigen Kreishaus alles unter Wasser.
Die Frage ist: Was lernen wir aus diesen Ereignissen? Hochwasserschutz findet nicht in den Städten und den Zentren statt, sondern vielmehr vor den Ortschaften und Städten.Ich plädiere für eine regionale Analyse, denn meist können aus den kleinen Quellen und Rinnsalen in den Wäldern reißende Strömungen entstehen. Wir brauchen mehr Retentionsflächen. An vielen Flächen sind Erdaufschüttungen vorgenommen worden, Erddeponien sind entstanden, Flächen versiegelt worden, die heute als Überflutungsflächen fehlen. An diesen Konzepten habe ich schon vor Jahren als Mitglied im FDP-Bundesfachausschuss für Umwelt und Naturschutz mitgewirkt. Um der Waldbrandgefahr vorzubeugen, empfehle ich dringend, die stehengebliebenen, abgestorbenen Überhälter (Fichten) zu entnehmen, denn diese bergen ein enormes Brandrisiko beim nächsten heißen Sommer.
Lisa Anschütz, Grüne
1. Der Ausstieg muss früher erfolgen.2. Die wenigsten Waldbesitzer werden noch neue Bäume setzen. Es handelt sich viel um Privatwaldbesitzer, die ihre privaten Wertanlagen im Wald verloren haben. Die Arbeit, einen Mischwald aufzubauen, der in etwa 100 bis 150 Jahren Erträge bringt, werden die Wenigsten leisten. Naturverjüngung wird an vielen Stellen erfolgen, und innerhalb von kurzer Zeit werden die Flächen grün sein mit Brombeere, Holunder, Faulbaum, Birke und anderen Pionierpflanzen. In deren Schatten wachsen die Eichen und Buchen geschützt heran, um nach zwölf bis 15 Jahren durchs Dickicht zu brechen.
Das ist ein Wald, der wenig Ressourcen für das Aufforsten und die Pflege bindet, der heimische Sorten begünstigt und vielfältig ist. Nur die Bewirtschaftung dieses Waldes wird nicht einfach sein.
3. Es geht nicht um die Erde, sondern um die Lebensgrundlage von uns Menschen hier auf der Erde, diese sind durch den Klimawandel in Gefahr. Jede und jeder von uns kann und sollte etwas tun für den Klimaschutz.
Alexander Neu, Linke
1. Der Kohleausstieg kommt zu spät. Mit der Politik der Großen Koalition kann das 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung nicht erreicht werden. Die Linke möchte so schnell wie möglich vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen und den Kohleausstieg sofort beginnen und bis spätestens im Jahr 2030 dann komplett umgesetzt haben. Der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung muss dabei arbeitsmarkt-, wirtschafts- und sozialpolitisch begleitet werden, Interessenvertretungen der Beschäftigten vor Ort und in den Regionen müssen eingebunden sein.
2. Als in den 70er Jahren Mischwälder regelrecht gezielt vergiftet wurden, um Platz für schnell wachsende für Fichten zu schaffen, war eigentlich klar, dass Monokulturen deutlich anfälliger für Schädlinge sind. Aber sie versprachen mehr Gewinn in kürzerer Zeit. Und nun kommt der Klimawandel hinzu: Die Häufung und Verschärfung von Witterungsextremen wie Hitze, Trockenheit und Stürmen bedeutet eine große Gefahr für den Wald. Dadurch werden die Bäume geschwächt, und Schädlingsbefall zum Beispiel durch Insekten ist die Folge.
Selbstverständlich müssen die Flächen wieder aufgeforstet werden, dafür gibt es ja auch entsprechende Förderprogramme. Und weil ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass Menschen aus ihren Fehlern lernen, hoffe ich, dass Monokulturen nicht mehr zum Zuge kommen.
3. Um die Klimakatastrophe mit all ihren Auswirkungen zu stoppen, müssen Ressourcenverbrauch und Emissionen auf ein nachhaltiges Niveau abgesenkt werden. Dazu brauchen wir eine Wirtschaft, die klaren sozialen und ökologischen Zielen folgt, die mit den verbleibenden Ressourcen haushalten kann und die für die Bedürfnisse der Menschen arbeitet. Große Unternehmen müssen insgesamt viel stärker in die Pflicht genommen werden.Ein weiter zentraler Punkt ist militärische Abrüstung. Das Militär ist einer der größten Klimakiller überhaupt, dessen Emissionen noch nicht einmal erfasst werden. Abrüstung ist daher nicht nur aus friedenspolitischen Gründen das Gebot der Stunde, sondern auch aus klimapolitischen Gründen.