Auf Schulhöfen in Rhein-Sieg herrscht Bestürzung über die Gewalt in Nahost. Was Lehrer tun, um Hass von den Klassenzimmern fernzuhalten.
Rhein-SiegZwischen Vermittlung und klarer Kante – Wie Lehrer mit dem Nahost-Konflikt umgehen
Die Gewalt und die Bilder von Tod und Vertreibung in Nahost beschäftigen viele Schülerinnen und Schüler auf dem Pausenhof und im Klassenzimmer – auch in der Region. Die Lehrerinnen und Lehrer hätten sich bereits in den Ferien auf die Aufarbeitung der Themen vorbereitet, sagt Anna Wieland, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Rhein-Sieg-Kreis.
„Die Kolleginnen und Kollegen sind sehr sensibilisiert für die Konflikte, die der Nahostkonflikt in die Schulen tragen kann“, sagt Wieland. Deshalb sei es das Ziel, möglichst präventiv zu arbeiten. Kindern und Jugendlichen werde die Möglichkeit gegeben, über ihre Ängste und Ansichten zu sprechen und sich auszutauschen.
Schüler werden mit ungefilterten Gewaltdarstellungen konfrontiert
„Meine Kolleginnen und Kollegen stehen dabei vor der großen Aufgabe, eine vermittelnde Perspektive zu wahren, so dass alle Schüler offen ansprechen können, was sie bewegt“, erklärt die GEW-Vorsitzende. Gleichzeitig müsse das Lehrpersonal aber klar gegen Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Äußerungen Stellung beziehen. „Für die Unterstützung unserer Kolleginnen und Kollegen fordern wir, gerade vor dem aktuellen Hintergrund, mehr Ressourcen für Präventionsarbeit, politische Bildung und Demokratieförderung“, sagt Wieland.
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Dank der Herbstferien konnte das Lehrerkollegium am Siegburger Gymnasium Alleestraße sich auf den Umgang mit den Ereignissen in Nahost vorbereiten: Schulleiterin Sabine Trautwein zufolge konnte man dazu auf eine E-Mail des Schulministeriums mit Hinweisen und Links zu einer sensiblen Aufbereitung des Themas zurückgreifen. „Wir müssen damit rechnen, dass auch jüngere Kinder mit ungefilterten Gewaltdarstellungen konfrontiert werden“, betont sie.
Allgemein suchten die Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit zum Gespräch, vor allem in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Von der Schülerschaft sei sie angenehm überrascht. Der Konflikt beschäftige die Schülerinnen und Schüler, Vorfälle mit einem propagandistischen Hintergrund habe es aber nicht gegeben.
Troisdorfer Schüler sind bestürzt vom Leid der Menschen
Von Zwischenfällen weiß auch Jochen Schütz, Leiter der städtischen Gesamtschule am Michaelsberg in Siegburg, nicht zu berichten. Niemand aus dem Kollegium habe etwa berichtet, dass Parolen verbreitet wurden, zudem habe er nicht den Eindruck, dass der Konflikt eine „große Rolle im Alltag der Schülerinnen und Schüler spielt“. In einigen Kursen sei das Thema diskutiert worden, ohne dass dies aber Pflicht gewesen sei. Kolleginnen und Kollegen hätten „situativ reagiert“. Allerdings sei schwer zu sagen, wie sich die Auseinandersetzung noch entwickele und auf den Schulalltag auswirke: „Ich habe da ein offenes Auge drauf.“
„Bei uns ist das kaum ein Thema“, hatte schon kurz nach den Herbstferien Ralf Wermter berichtet, der Leiter der Troisdorfer Rupert-Neudeck-Hauptschule. „In der Schülerschaft ist es sehr ruhig.“ Fragen würden eher im Einzelgespräch beantwortet. „Wir werden im Unterricht grundsätzlich dazu arbeiten“, so der Rektor, zum Beispiel in den Fächern Praktische Philosophie und Geschichte. Bei den älteren Schülern habe es im Unterricht mehr Nachfragen gegeben als bei den jüngeren. In der Schülerschaft sei es „nach wie vor kein Thema, das spaltet“, betonte Ralf Wermter jetzt. Es gebe „eher eine Bestürzung“, dass da wieder ein Konflikt sei und Menschen litten.
Troisdorfer Grüne fordern Projekte gegen Antisemitismus an Schulen
Spannungen in der Schülerschaft gibt es auch nicht am Gymnasium Zum Altenforst in Troisdorf. „Sonst wüsste ich das“, sagt Rektor Reinhard Schulte. Zur fachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema bereiteten der Unterstufenkoordinator, die Fachkonferenz Sozialwissenschaft sowie die Fachschaft Geschichte Unterrichtseinheiten vor.
Unterdessen haben die Grünen im Troisdorfer Stadtrat beantragt, Projekte gegen Antisemitismus an den Schulen zu initiieren. „Angesichts der zunehmenden Gewaltandrohungen gegenüber israelischen und jüdischen Einrichtungen“ sehen die Kommunalpolitiker „Handlungsbedarf, um die weitgehend unbekannte jüdische Kultur insbesondere in Deutschland zu vermitteln.“
Die Stadtverwaltung wird in dem Antrag zur Sitzung des Schulausschusses am 2. November aufgefordert, passende Angebote zu ermitteln und die Schulen darauf hinzuweisen. Mögliche Kosten sollten aus dem laufenden Haushalt bestritten werden, für die Jahre 2024 und 2025 sollen „angemessene Mittel“ in den Haushalten angesetzt werden.