Rhein-Sieg-Kreis – Die Fragen
Corona hat gezeigt, wie wichtig die Digitalisierung ist, und zugleich die Defizite offenbart. Noch immer gibt es im Rhein-Sieg-Kreis Gebiete, die nicht mit schnellem Internet versorgt sind. Wie und in welchem Zeitrahmen wollen Sie die Erschließung vorantreiben?
An Schulen hat sowohl die Ausstattung mit digitalen Endgeräten als auch die Befähigung von Lehrern und Schülern sehr unterschiedliches Niveau. Was muss da getan werden?
Auch für den Einzelhandel und Unternehmen ist die digitale Transformation überlebenswichtig. Welche Konzepte würden Sie vorschlagen?
Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU
1. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, gigabitfähige Internetanbindung für alle Haushalte und Unternehmen in Deutschland zu schaffen. Wo sich der Ausbau nicht rentiert, unterstützt sie den Breitbandausbau mit Fördermitteln. Davon profitiert auch der Rhein-Sieg-Kreis. Insgesamt sind bereits über 20 Millionen Euro bewilligt worden. Unterversorgte Bereiche von Much, Eitorf, Hennef, Königswinter, Lohmar, Neunkirchen-Seelscheid sowie Teile von Ruppichteroth und Windeck, die Schulen und Gewerbegebiete sollen hier bis Mitte 2022 schnelles Internet mit mindestens 50 Mbit/s bekommen.
Unser Ziel ist es, bis spätestens 2024 alle weißen Flecken zu beseitigen. Das ist ein wichtiger Standortfaktor für die private Wohnungswahl und für gewerbliche Niederlassungen, zugleich auch ein elementarer Aspekt der vom Grundgesetz geforderten Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
Der Wahlkreis 97
Der Wahlkreis 97 umfasst folgende Kommunen: Eitorf, Hennef, Lohmar, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Niederkassel, Ruppichteroth, Siegburg, Troisdorf, Windeck.
Auf dieser Seite stellen wir die Direktkandidatinnen und -kandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien vor: Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU) aus Siegburg, Sebastian Hartmann (SPD) aus Bornheim, Ralph Lorenz (FDP) aus Windeck, Lisa Anschütz (Grüne) aus Windeck und Alexander Soranto Neu (Linke) aus Köln. Als Direktkandidat tritt auch Hans Günter Eifler ((AfD) aus Königswinter an. Die Fragen der Redaktion ließ er unbeantwortet.
Weitere Direktkandidaten sind Andreas Langel (Die Partei) aus Eitorf, Andreas Irion (Freie Wähler) aus Siegburg, Ellen Hölzer (Die Basis) aus Niederkassel, Christian Sontag (Volt) aus Troisdorf, Helmut Fleck (Volksabstimmung) aus Siegburg.
2. Die Ausstattung der Schulen ist Aufgabe der Bundesländer und der Schulträger. Wir haben in dieser Wahlperiode das Grundgesetz geändert, damit der Bund die Länder und Kommunen trotzdem bei der Digitalisierung der Schulen mit insgesamt fünf Milliarden Euro unterstützen kann. In der Corona-Pandemie wurde der Digitalpakt noch einmal erweitert um weitere 1,5 Milliarden Euro, damit die Schulen unbürokratisch Laptops und Tablets für Schüler und Lehrkräfte beschaffen können und IT-Administratoren finanzieren. Auch davon profitieren die Schulen in unserer Region.
3. Der stationäre Einzelhandel hat durch die coronabedingten Schließungen große Geschäftsanteile an den Online-Handel verloren und muss Terrain zurückgewinnen. Wer bei Zugangsbeschränkungen online Termine vergeben, wer auf seiner Homepage über sein aktuelles Angebot informieren und einen Lieferdienst anbieten konnte, hatte einen Vorteil. Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt deshalb mit dem Programm „digital jetzt“ kleine und mittlere Unternehmen bei Digitalisierungsvorhaben zum Beispiel für Investitionen in Soft- und Hardware oder bei der Mitarbeiterqualifizierung.
Sebastian Hartmann, SPD
1. Seit Jahren setze ich mich für einen schnellen Gigabit-Ausbau im Rhein-Sieg-Kreis ein. In den vergangenen vier Jahren sind insgesamt rund 20 Millionen Euro von Bund und Land in unsere Region geflossen. Es ist mir wichtig, eine digitale Spaltung zwischen Land und Stadt zu verhindern. Dazu brauchen wir mehr und effizientere öffentliche Förderungen, ohne die eine digitale Transformation nicht gelingen kann. Denn wenn wir den Ausbau dem Markt überlassen, wird das Land abgehängt. Projekte wie das Innovationszentrum für Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Machwerk in Hennef zeigen, dass wir bei uns große Potenziale haben.
2. Wir brauchen einen entsprechenden Fonds, weil die Digitalisierung nicht mit der einmaligen Ausstattung an Tablets abgeschlossen ist. Die zunehmende Digitalisierung stellt die Einrichtungen vor große Herausforderungen. An den Schulen gibt es keinerlei zusätzliches Personal zur Wartung, Betreuung, Inventarisierung dieser Hardware oder Schulungen für Lehrerin und Lehrer. Wir brauchen dafür „digitale Hausmeister“.
Als Sozialdemokrat ist mir bewusst, dass die Ausstattung in der Bevölkerung sehr unterschiedlich ist. Ich bin stolz darauf, dass unser Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit seinen Förderungen gezielt Familien mit kleineren Einkommen anspricht, zum Beispiel mit den fünf Milliarden Euro des Digitalpakts. Mit diesen Investitionen können wir alle mitnehmen und einer sozialen Spaltung entgegenwirken.
3. Auch Unternehmen brauchen für ihre Digitalisierungsprozesse eine Förderung. Dabei muss gelten, dass die Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten gestaltet wird. Einhergehend mit öffentlichen Investitionen muss aber die Verpflichtung der Unternehmen bestehen, sich an Tarifverträge zu halten und Betriebsräte zu ermöglichen.
Betriebsräte sorgen dafür, dass die Transformation gelingt: Investitionen sind das eine. Wichtig ist jedoch auch, dass die Mitarbeitenden bereit sind, diesen Wandel mitzugehen und mitzugestalten. Dann ist die Digitalisierung keine Bedrohung, sondern eine große Chance für den Wohlstand aller.
Ralph Lorenz, FDP
1. Was mich angeht, habe ich mich schon 2004 im Eitorfer Gemeinderat für Leerrohre für das Glasfasernetz eingesetzt, im Zuge der damaligen Kanalsanierung. Die CDU hat das damals lapidar abgelehnt mit den Worten „Das brauchen wir nicht“, um dann zehn Jahre später zu erkennen, dass wir es eben doch brauchen.
Und so wie ich mich damals auf kommunaler Ebene um diese Thematik gekümmert habe, werde ich mich im Deutschen Bundestag dafür einsetzen, dass Planungsverfahren vereinfacht und beschleunigt werden, um flächendeckendes Hochgeschwindigkeitsinternet in jeder Ecke der Republik zu ermöglichen. Sicherlich würde ich gerne Länder wie Litauen, Lettland oder Estland bereisen, um von den Besten zu lernen und die wichtigsten Erkenntnisse nach Deutschland zu importieren.
2. Die Schulen vor Ort brauchen mehr Freiraum. Wir haben viele großartige und engagierte Lehrer in Deutschland, die zum Teil sehr frustriert sind, wenn beispielsweise vorhandene Mittel nicht leicht abrufbar sind, weil Anträge viel zu kompliziert sind.
Wir brauchen bei der Wahl von digitalen Konzepten der Schulen mehr Entscheidungen vor Ort statt Vorgaben von oben. So kann sich über den schulischen Wettbewerb das beste System durchsetzen oder sich gemeinsam entwickeln. Viele Schüler sind zudem die besten Fachleute moderner Medien und könnten ebenso kreative Dinge einbringen . . . was übrigens eine sehr motivierende und integrierende Wirkung erzeugt mit hohem Identifikationscharakter und Lust und Laune fördert.
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Wenn wir es dann noch schaffen, dass wir den Kindern und Jugendlichen vermitteln, dass Bildung das beste Investment ist, was einem niemand mehr wegnehmen kann und Grundlage ist für ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben und Schlüssel unserer aller Zukunft ist, dann bin ich guter Dinge, dass alles auf einen guten Weg kommt.
3. Endlich die nötige Infrastruktur bereitstellen und ansonsten die Unternehmen in Ruhe arbeiten lassen!
Lisa Anschütz, Grüne
1. Bis vor einem Jahr hatten wir selbst kein schnelles Internet, das Leben mit Zoom und so weiter ist einfacher, aber es gibt auch viele Entwicklungen mit dem Internet, wie Streaming, die unsere Rechnungen zum Energieverbrauch leider wieder nach oben schnellen lassen, weil diese Techniken extrem viel Energie brauchen.
2. Digitalisierung muss den Menschen dienen. Kinder brauchen vor der Digitalisierung viel Bewegung in der Natur, viel zwischenmenschlichen Kontakt und Zuwendung, um zu Persönlichkeiten zu werden.
3. Digitalisierung macht momentan mit Amazon und so weiter unsere Städte kaputt. Vielleicht ist es ein gutes Konzept, dort günstigen Wohnraum einzurichten.
Alexander Soranto Neu, Linke
1. Die Mobilfunkbetreiber arbeiten profitorientiert und haben daher kein Interesse an einem flächendeckenden Netzausbau. Die Leidtragenden sind die Menschen, die in den digital abgehängten Regionen leben. Der Netzausbau muss daher zukünftig am Ziel zuverlässiger Versorgung und am Gemeinwohl orientiert erfolgen.
Dazu müssen die Breitband- und Mobilfunknetze in öffentliche Hand. Die Linke will den Glasfaserausbau mit Investitionen von zehn Milliarden Euro jährlich in ganz Deutschland fördern, und die Kommunen sollen die Netze dauerhaft in öffentlicher Hand betreiben können. Alle Wohnungen sollen Glasfaseranschluss (FFTH) erhalten.
Die Linke will ein einheitliches Mobilfunknetz aus einer Hand, das eine Abdeckung der gesamten Fläche sichert. Ein einziges Netz ist kostengünstiger als parallele Netze und mindert die Strahlenbelastung. Jeder Mensch muss das (einklagbare) Recht auf einen schnellen Internetzugang haben.
2. Wir brauchen dringend mehr gut ausgebildetes Personal an den Schulen, das heißt mindestens 100.000 Lehrer:innen und 200.000 Erzieher:innen zusätzlich sowie Schulsozialarbeiter:innen an jeder Schule. Außerdem müssen viele Schulgebäude dringend saniert werden. Dafür sind mindestens 50 Milliarden Euro nötig. Da das Bildungssystem Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge ist, muss der Staat für diese Kosten aufkommen.
Alle Schulen müssen schnellstmöglich mit schnellen und leistungsfähigen Breitbandanschlüssen sowie WLAN für alle Lernräume ausgestattet werden. Zudem muss der Staat dafür sorgen, dass jedes Kind einen Laptop sowie Drucker zur Verfügung hat. Nur so können wir Chancengleichheit schaffen und der sozialen Spaltung schon im Kindesalter entgegenwirken.
3. Die Digitalisierung kann Chancen eröffnen für selbstbestimmtes Arbeiten und Leben, für neue Formen der Demokratie, die Alltag, Arbeit und Wirtschaft einschließen. Die Digitalstrategie der Bundesregierung ist jedoch eine milliardenschwere Subvention für private Konzerne.
Die Unternehmerverbände trommeln für weitere „Flexibilisierung der Arbeit“. Sie nutzen das Schlagwort Digitalisierung für die Aushöhlung von Rechten der Beschäftigten und als Gelegenheit, Gelder für öffentliche Dienstleistungen auf ihre privaten Konten umzulenken.Auf dem neoliberalen Weg wird Digitalisierung zu mehr prekärer Arbeit führen, die soziale Spaltung vertiefen, werden Überwachungstechnologien und wachsende Konzernmacht die Demokratie weiter aushöhlen. Die Linke will die Gestaltung der Digitalisierung den Profitinteressen der Konzerne entziehen, um sie zum Wohle der Menschen zu nutzen.