Liebe allein ist nicht genugPflegefamilien in Rhein-Sieg helfen sich seit zehn Jahren
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Das Leben mit Pflegekindern ist eine Herausforderung – dabei hilft die Gemeinschaft. Foto: Kneffel/dpa
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Rhein-Sieg-Kreis – „Mit Liebe schaffen wir das.“ Mit dieser Einstellung, sagt Sabine Wagner, gehen die meisten Pflegefamilien an die Aufnahme eines Kindes heran. Aber: „Das reicht nicht.“ Wer ein Pflegekind bei sich aufnehme, „muss sich davon verabschieden, eine normale Familie zu sein“. Sabine Wagner weiß, wovon sie redet: In ihrer Familie leben drei Pflegekinder mit einer Behinderung, außerdem ist sie Mitgründerin des „Initiativkreises für Pflege- und Adoptiveltern im Rhein-Sieg-Kreis“ und teilt die Erfahrung vieler anderer Pflegefamilien.
Geteilte Erfahrungen helfen weiter
Zum Beispiel die von Maren Krampe, die damals mit Wagner die Selbsthilfegruppe ins Leben rief. Beim Besuch von Fortbildungen hatten die beiden Frauen erfahren, wie hilfreich das Gespräch mit anderen in der gleichen Situation war, „das wollten wir gerne teilen“.
Unter dem Motto „Stärkung macht den Alltag, und die Gruppe macht uns stark“ stehen seither die alle zwei Monate stattfindenden Treffen der Gruppe – und die zahllosen Telefonate in der Zeit dazwischen. Wagner und Krampe organisieren Fachtage mit Referenten, helfen anderen, „die Kinder zu verstehen“. Denn das, so betonen sie, sei eine der wichtigsten Aufgaben nach der Aufnahme eines Pflegekindes.
Seit 2014 hat sie 13 Kindern ein Zuhause gegeben
Vor 14 Jahren kam der erste Pflegesohn in die Familie von Silke Kowalewski, die bis dahin kinderlos geblieben war. „Eine Auslandsadoption kam für uns nicht in Frage“, erklärt sie ihre Motivation. Sie seien damals aber „ein bisschen naiv“ an die Pflege herangegangen. Dennoch waren die Erfahrungen „super“, vor neun Jahren nahm die Familie ein weiteres Kind auf.
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Der Initiativkreis für Pflege- und Adoptivfamilien im Rhein-Sieg-Kreis wird zehn Jahre alt.
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Eva Steeger wollte „den Kindern ein Zuhause geben“, als sie sich 2014 entschied, als Bereitschaftspflegestelle mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten. 13 Kinder sind seither ein- und wieder ausgezogen. „Das ist meine Erfüllung“, sagt sie, „auch wenn es manchmal herausfordernd ist.“ Nach jedem Auszug entscheidet der Familienrat, zu dem drei leibliche Kinder gehören, wie es weitergeht.
„Die Kinder bringen viel Geschichte mit“, berichtet Simone Brede vom Kreisjugendamt, das derzeit mehr als 200 Pflegekinder betreut. Hinzu kommen die Kinder in der Verantwortung der Jugendämter. Viele haben traumatische Erfahrungen gemacht, leben mit Behinderungen, sind durch Alkoholmissbrauch der Mütter in der Schwangerschaft geschädigt. „Wir können nicht einfach nur eine bessere Familie finden“, betont sie. „Diese Kinder brauchen mehr“, der Alltag sei oft „hochanspruchsvoll“.
Wissen um die leiblichen Eltern ist erwünscht
Zum Beispiel in der Schule, wie Maren Krampe berichtet. Werden die Hausaufgaben noch leicht erledigt, gelingt es den Kindern oft nicht, das Gelernte in der Schule abzurufen. Eine gute Zusammenarbeit mit den Lehrkräften ist dann ebenso wichtig wie ein gutes Miteinander mit den anderen Beteiligten: Jugendamt, Gerichte, Vormünder und nicht zuletzt den leiblichen Eltern. „Als Pflegefamilie ist man immer eine öffentliche Familie“, nennt das Sabine Wagner.
„Wir versuchen immer, dass das Band nicht reißt“, betont Simone Brede. Denn keine Herkunft zu haben sei immer die schlechteste Alternative. „Ein Restrisiko“ bleibe, dass Kinder zu ihren leiblichen Eltern zurückgingen, sagt Marlen Krampe: Auf Antrag prüfen die Gerichte die Erziehungsfähigkeit. Bei der Mehrheit der Kinder sei aber früh geklärt, dass sie dauerhaft in den Pflegefamilien blieben.
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Gute Wege zu finden sei nicht immer leicht für alle Beteiligten, aber: „Wir haben viele gelingende Biografien“, sagt Simone Brede. Und wann ist der Lebenslauf gelungen? Wenn die Kinder „am richtigen Ort sind und es ihnen gut geht“.