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Kündigungen, kleinere PortionenWie Wirte in Rhein-Sieg auf die Mehrwertsteuererhöhung reagieren

Lesezeit 4 Minuten
Eine Bedienung wischt einen Tisch in einem Restaurant ab.

Höhere Kosten in einer ohnehin schwierigen Zeit: Vor diesem Problem steht die Gastronomie im Rhein-Sieg-Kreis. (Symbolbild)

Fünf seiner 55 Mitarbeiter hat ein Siegburger Gastronom entlassen. Nach der Entscheidung für die 19 Prozent sieht er keinen anderen Ausweg.

„Jammern bringt nix, ich muss Lösungen finden“, erklärt Augustin Bagaric, Betreiber des Sion im S-Carré in Siegburg. Er hat ausgerechnet, dass er durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den früheren Satz zwölf Prozent Mehrkosten hat. „Beim Einkauf zahle ich sieben Prozent auf meine Ware, muss aber beim Verkauf mit 19 Prozent versteuern“, so der Gastronom. „Dazu kommen die Inflation und höherer Mindestlohn.“

Zu seinen Lösungen gehört, dass er gerade die Kündigung von fünf seiner insgesamt 55 Mitarbeiter geschrieben hat. Auf der Einnahmenseite könne er wenig machen. „Momentan kann ich die Preise nicht weiter erhöhen.“ Die Entscheidung des Siegburger Gastronoms ist eine direkte Reaktion auf den Beschluss der Ampel-Koalition, den reduzierten Satz von sieben Prozent auf Speisen für die Gastronomie zum Jahresende auslaufen zu lassen. Der Beschluss hatte für Entsetzen in der Gastro-Branche gesorgt und einen Streit in der Regierungskoalition entfacht.

Zehn Prozent Preisnachlass für Rentner im Sion im Siegburger S-Carré

Der Betreiber des Sion im S-Carré berichtet, er beobachte schon jetzt deutliche Veränderungen im Konsumverhalten seiner Gäste: Kamen diese früher zweimal pro Woche zum Essen, würden sie sich das jetzt nur noch einmal gönnen. „Auch der Mittagstisch ist deutlich weniger geworden“, so Bagaric.

Ein Mann steht vor einer Theke.

Fünf seiner 55 Mitarbeiter hat Augustin Bagaric gekündigt.

Statt 60 bis 80 Mittagessen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreissparkasse seien es jetzt noch zehn bis 15 – eine entscheidende Rolle spiele dabei auch das Homeoffice. Allein deshalb kommt die Mehrwertsteuererhöhung für ihn zu einer schwierigen Zeit. „Januar bis März sind eh schwierige Monate.“

Kämpfen will der Gastronom dennoch: Er will günstiger einkaufen, Arbeitszeiten reduzieren, weil nach 20 Uhr eh niemand mehr essen kommt, und verzichtet auch auf die Après-Ski-Party zu Silvester. Bei allen Schwierigkeiten lässt er sich von pfiffigen Ideen nicht abbringen. „Ab dem 1. Januar gibt es zehn Prozent Preisnachlass für Rentner. Die haben das Land aufgebaut und das soll mein Dank sein“, sagt der aus Kroatien stammende Bagaric.

Troisdorfer Gastronom verzichtet auf Bio-Fleisch und verkleinert Portionen

„Für die Gastronomie und auch die Gesellschaft wäre die Rückkehr zu den 19 Prozent eine Katastrophe“, sagt Kai Mierzwa, der seit Oktober 2019 das Troisdorfer Stadtbierhaus leitet. „Wir waren schon in Pandemie-Zeiten die Sündenböcke der Nation und das geht jetzt trotz aller Schwierigkeiten so weiter.“ Habe ein Kilogramm Schweinelachs Anfang 2020 noch 2,79 Euro pro Kilo gekostet, liege der Preis nun bei 6,49 Euro. „Schon jetzt können wir diese Preissteigerungen nicht zu 100 Prozent an unsere Gäste weitergeben – dann kommt keiner mehr“, sagt der Geschäftsführer des Stadtbierhauses.

Stattdessen müsse er versuchen, auf andere Art die Kosten zu senken. Sei es durch den Verzicht auf Bio-Fleisch, oder kleinere Portionen. Die Grenze sei mit diesen Maßnahmen allerdings schon jetzt erreicht. Allein deshalb klammert sich der Troisdorfer Gastronom bis zuletzt an die Hoffnung, dass die Erhöhung doch noch gekippt werden könnte. „Wir haben Briefe an die Bundestagsabgeordneten geschrieben und nutzen all unsere Netzwerke, um Druck auf Politik zu machen.“

Ein Mann mit Brille lächelt in die Kamera.

Bernd Kranz ist Dehoga-Chef im Rhein-Sieg-Kreis und Geschäftsführer des Parkhotels Kranz in Siegburg.

Branko Mrdenovic, Inhaber des Landhauses Süchterscheid in Hennef sagt: „Ja, die Anhebung der Mehrwertsteuer ist ein Problem, für jeden Gastronomen ist das so. Wir müssen das an die Gäste weitergeben“. Und die kämen nach der Corona-Pandemie längst nicht mehr so zahlreich wie früher: „Es sind sehr viel weniger geworden“, sagt der 62-Jährige. „Aber wir kämpfen weiter!“

Dehoga-Chef gibt Hoffnung auf Verlängerung der Enttlastung noch nicht auf

Kämpfen will auch Bernd Kranz: „Wir schreiben jeden an, egal ob er das will oder nicht“, sagt der Dehoga-Chef im Rhein-Sieg-Kreis und Geschäftsführer des Parkhotels Kranz in Siegburg. Corona, Krieg und Krise hätten die Betriebe ohnehin schon schwer geschwächt, sagt der 51-Jährige. Die Mehrwertsteuererhöhung wäre „der nächste schwere Rückschlag“ für die Branche.

Hoffnung machen ihm Aussagen wie die von Manuela Schleswig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Die SPD-Politikerin hatte angekündigt, die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Bundesrat stoppen zu wollen. „Da könnte noch was passieren“, hofft der Dehoga-Chef. Und auch der Troisdorfer Gastronom Kai Mierzwa sagt: „Ich werde meine Hoffnung noch nicht aufgeben – hier arbeiten 20 Menschen, die auch leben müssen – das kann doch auch die Politik nicht kalt lassen.“