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Impfen bei den Hausärzten„Die Stimmen werden schneller lauter als früher“

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Jacqueline_Hiepler

Dr. Jacqueline Hiepler ist die Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung im Rhein-Sieg-Kreis.

Frau Dr. Hiepler, was halten Sie von der Aufhebung der Priorisierung?

Jacqueline Hiepler: Dieser Schritt ist nötig, weil auch jüngere Leute geschützt werden müssen. Es nützt nur nichts, wenn kein Impfstoff da ist. Die für Mai und Juni versprochenen Mengen haben uns noch nicht erreicht. Im Vergleich zu den Vormonaten haben wir etwas mehr bekommen, aber wir sind noch weit weg von einer Schwemme.

Wie steht es um die Impfbereitschaft der Menschen?

Der Druck aus der Bevölkerung ist groß, die Voreingenommenheit gegen die Immunisierung ist deutlich zurückgegangen. Einen gewissen Anteil, ich schätze etwa zehn Prozent, wird es immer geben, der sich nicht impfen lassen will. Doch die Bereitschaft der anderen ist hoch. Sie wollen ihre Freiheit wieder haben. Gerade den Jungen fehlt das, da geht doch viel Lebensplanung kaputt. Denen wünsche ich das insbesondere wieder.

Wie wirkt sich die Aufhebung in den Praxen aus?

Alle möchten jetzt gerne immunisiert werden und sind berechtigt am Start. Die ersten drei Prioritätsgruppen sind ja weitgehend durch. Da wird deutlich gefordert, aber nicht rücksichtslos. Die Leute sind gereizter, die Zündschnur ist kürzer geworden. Durch die Maske ist dann schon mal was nicht zu verstehen, da werden die Stimmen schneller lauter als früher. Dieser Druck lastet vor allem auf meinen medizinischen Fachangestellten, den MFA.

Wie sieht denn die Versorgung mit Vakzinen aus?

Wir bekommen derzeit nicht, was wir bestellen. Im Moment wird vorrangig für die Zweitimpfung geliefert, also die Mengen, die ich in der Erstimpfung gespritzt habe. Erstgaben sind kaum möglich, weil zu wenig Stoff ankommt. Auch das müssen die MFA schultern. Die Ärzte haben nicht das Problem, sie müssen schauen, dass ihnen nicht die Mitarbeiterinnen kündigen. Da versuchen wir als Mediziner Wünsche zu erfüllen: bessere Bezahlung, mal zu Mittag Essen besorgen, mehr Lob.

Was halten Sie von den so genannten Hybrid-Impfungen?

Nach einer neuen Studie ist der Schutz deutlich besser, wenn nach einer Erstimpfung mit Astrazeneca anschließend Biontech gegeben wird. Ich bin dafür, grundsätzlich umzusteigen und die Strategie zu wechseln. Gerade hatte ich dazu noch ein Gespräch mit dem Hennefer Bürgermeister Mario Dahm. Wir sollten die zurückgehaltenen Astrazeneca-Dosen für die Zweitimpfung sofort verimpfen und dann ein anderes Vakzin nutzen. Das könnte das Tempo steigern. Jeder Geimpfte mehr ist wichtig und gut.

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Wie sieht es im Impfzentrum in Sankt Augustin aus?

Da läuft es gut, wir haben die komplette Auslastung. Inzwischen läuft es viel reibungsloser, weil jüngere, mobilere Menschen kommen und insgesamt deutlich weniger. Denn die Begleiterinnen und Begleiter der Senioren fallen ja weg. Wir haben bei den Problemen stets nachgesteuert, wöchentlich tagt ein Kreis aus Apotheke, Kreisgesundheitsamt, Kassenärztlicher Vereinigung und Katastrophenschutz.

Und wie sieht es in den Arztpraxen aus?

Das sind alles kleine Impfzentren. Die Fachärzte nehmen übrigens in höherem Maße teil, als ich erhofft hatte. Die Administration ist aber eine gewaltige Aufgabe, der eigentliche Impfvorgang ist nicht das Problem. Dokumentation, Registrierung, Aufklärung – das macht den Prozess aufwendiger. Und dann kommt dazu die Absage von Terminen, der Frust bei den Patienten, das Umorganisieren und die vielen Diskussionen. Wenn Ärzte sicher wüssten, es kommen X Dosen, dann könnten sie entsprechend X Termine machen.

Und der digitale Impfpass?

Das ist Aufgabe der KV, aber das kriegen wir hin. Denn jede Impfung ist ja bereits digitalisiert. Wie genau das umgesetzt wird, das müssen wir organisieren.