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„Niemand soll unbekleidet gehen“Frauen in Rhein-Sieg stricken für Frühchen und Sternenkinder

Lesezeit 3 Minuten
Vier Frauen sitzen mit ihren Handarbeiten an einem Esstisch.

Sie nähen und stricken für Frühchen und Sternenkinder: Erika Schumpe, Monika Hermanni, Helga Matzel und Rosemarie Schuster (v.l.).

Eine Gruppe von Frauen hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Handarbeit Kleidung für Frühgeborene und Abschiedskörbchen für Sternenkinder zu fertigen.

Es ist keine gewöhnliche Näh- und Strickrunde. Monika Hermanni, Helga Matzel und Erika Schumpe sitzen nur ausnahmsweise im Esszimmer von Rosemarie Schuster in Niederpleis zusammen. Üblich ist, dass jede zu Hause ihre Handarbeit macht. Dabei verbindet sie eine mitmenschliche Aufgabe. Die Frauen spenden selbst gefertigte Kleidungsstücke für Frühchen und Sternenkinder.

„Mit Tierchen haben wir angefangen“, erzählt Rosemarie Schuster. Sie zeigt auf eine Auswahl von niedlichen Kuschelgefährten - Bären, Katzen, Enten, Tintenfische und Hasen, die einen geschickten Umgang mit der Häkelnadel verraten. Monika Hermanni war von Beginn an mit von der Partie. Für Kinder, die zu früh zur Welt kommen, greifen die beiden heute 69-Jährigen seit 2010 zu Nadel, Faden, Stoffen und Wolle.

Auf einem Tisch liegen kleine gehäkelte Kuscheltiere und Püppchen.

Auch Püppchen und kleine Kuscheltiere häkeln die Frauen, die auch Kinderheime beschenken.

Im Laufe der Zeit wurden es immer mehr Frauen, die mitmachen. Inzwischen gibt es auch Flyer und eine Internetseite. „Wir sind weder ein Verein noch ein Geschäft, noch haben wir ein geschäftliches Interesse“, heißt es da. Um weitere Helferinnen und Helfer wird geworben. Rund 300 Unterstützende gebe bereits, berichtet Schuster. Die meisten stiften Materialien. Etwa fünf Mitstreiterinnen nähen, ein gutes Dutzend häkelt und strickt.

Die Frauen bringen die fertigen Handarbeiten selbst in die Kliniken

Mit 81 Jahren zählt Helga Matzel zu den Älteren. Zugleich ist sie eine der Produktivsten, die ehrenamtliche Handarbeit gehört zu ihrem Tagesprogramm. Zuerst war die Henneferin für den in Brandenburg ansässigen Verein „Herzenssache – Nähen für Sternchen und Frühchen“ aktiv. Der Vorteil der Initiative um Rosemarie Schuster ist, dass sie nun genau weiß, wo die liebevoll kreierten Deckchen, Strampler, Kleidchen, Mützchen und Söckchen landen.

„Wir schicken nichts mit Paketen, wir fahren hin“, erklärt Schuster. Mehrmals im Jahr geht es mit einem voll beladenen Wagen zu Geburtskliniken. Im Rhein-Sieg-Kreis, in Bonn, Frechen, Euskirchen, Mechernich und Bergisch Gladbach steuern die Frauen insgesamt elf Krankenhäuser an. Allein im vergangenen Jahr spendeten sie fast 2000 Einzelteile.

Das Bild zeigt ein sehr kleines Kleidungsstück für Babys.

Auch für die Allerkleinsten wird genäht.

„Die Krankenschwestern sind immer hin und weg“, erzählt Hermanni. Beim Auspacken hätten sie oft schon Ideen, was für welches Baby passt. Dankbarkeit und Rührung erleben die Spenderinnen erst recht bei den Müttern und Vätern. „Dass es so etwas überhaupt gibt“, lautet eine typische Reaktion auf die Geschenke.

„Der Bedarf ist riesig“, weiß Matzel vom Problem, Sachen für zum Teil schon in der 24. Schwangerschaftswoche geborene Kinder zu finden. „Wir nähen Kleidung ab Größe 36, die kriegen Sie nicht zu kaufen.“ Und Puppenkleidung eigne sich nicht.

Kleine Särge werden mit Seide von Brautkleidern ausgekleidet

Eine weitere Motivation ist es, den Eltern in einer sorgenvollen Zeit beizustehen, ihnen Freude und Farbe in der eher tristen Klinikumgebung zu schenken. Dazu gehören auch selbst genähte Stiefelsäckchen, die die Frühchen-Eltern am Nikolaustag an den „Brutkästen“ und Wärmebettchen vorfinden.

Das Bild zeigt Holzkästen, die mit weißem Seidenstoff ausgekleidet sind und als Särge für totgeborene Kinder dienen.

Für die Bestattung von totgeborenen Kindern kleiden die Frauen Kästen mit Seide von gestifteten Brautkleidern aus.

Nicht zuletzt fühlen die ehrenamtlichen Handarbeiterinnen mit, wenn es ein Frühchen nicht ins Leben schafft oder ein Kind tot zur Welt kommt. „Kein noch so kleines Sternenkind soll unbekleidet seine Reise zu den Sternen antreten“, lautet das Credo der Gruppe. In der Runde am Esstisch wird es ruhig, das Thema Totgeburt geht den Müttern sichtlich nahe.

„Beim Arbeiten daran darf man nicht darüber nachdenken“, sagt Helga Matzel. Sie spricht von den sogenannten Abschiedskörbchen. Auszubildende am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef bauen kleine Holzkisten, die sie den Näherinnen überlassen. Die kleiden die als Särge dienenden Kästen mit weißem Seidenstoff aus. Nicht mehr benötigte Brautkleider kommen hier zur Verwendung.