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Serie „Reingehört“Bassklarinettist Rainer Weber im Porträt

Lesezeit 3 Minuten

Bei Ausstellungen moderner Kunst improvisiert Rainer Weber gern frei, hier im Kunsthaus Troisdorf.

Sankt Augustin – Zum Auftakt ist ein langgezogener, heiserer Basston zu hören, in den sich bald eine zweite, hellere Stimme mischt, mit Motivschnipseln und kurzen Phrasen. Ein Dialog beginnt, steigert sich vom lebhaften Wechselspiel bis zum übermütigen Geschnatter. So wird man eingestimmt auf das Album „Distant calls/no questions“, das Bassklarinettist Rainer Weber mit dem schwedischen Saxophonisten Per Gärdin aufgenommen hat. Der Titel ist Programm, denn die beiden Musiker haben ihre Aufnahme im Juni 2020 eingespielt, coronabedingt auf Distanz: „Jeder hat in seinem Tonstudio zu Hause Tracks vorbereitet, über die der jeweils andere improvisiert hat“, erzählt Weber. Mal lieferte er in Sankt Augustin, mal der Kollege in Stockholm die Vorlage. Ohne Absprachen, die Musik entstand aus dem Moment heraus. In freier Improvisation, der sich die beiden seit langem widmen.

Mit Co-Musiker Per Gärdin nahm Rainer Weber das Album auf.

Auf Tonalität oder durchgängigen Puls wird dabei verzichtet. Nicht aber auf eine Struktur. „Manchmal entwickelt sich ein Rhythmus, man geht von einem Sound aus, probiert eine Tonfolge, die der andere wiederholt“, schildert Weber. Solche Varianten ergeben sich zwar während des Spiels, am Anfang kann aber durchaus eine Stimmung oder eine Bildvorstellung stehen, wie beim Stück Titel „Triptychon“, das Assoziationen an hingetupfte Pinselspuren weckt. Die Nähe zur zeitgenössischen Kunst zeigt sich, wenn Rainer Weber Vernissagen im Kunsthaus Troisdorf begleitet: etwa zur Ausstellung von Frank Baquet, der auch das Cover kreiert hat. „Man muss wach und ehrlich zu sich selbst sein bei dieser Art des intuitiven Musikmachens“, sagt Weber. „Sonst besteht die Gefahr, dass man persönliche Stereotype und Patterns abspult.“ Im besten Fall entwickelt sich ein spannendes Gespräch zwischen den Musikern.

Die Serie

Im Corona-Lockdown können die Künstler nicht auf die Bühne, das Publikum muss zu Hause bleiben. Daher heißt es „reingehört“: Unter diesem Motto stellen wir Musikerinnen und Musiker mit Aufnahmen und aktuellen Projekten vor.

Dem Publikum empfiehlt der 49-Jährige, „ohne große Erwartungshaltung zuzuhören, sich einfach einzulassen“. Sicher oft nicht leicht für westliche Hörer, die aufs Dur-Moll-System geprägt sind. Kindern gelingt das leichter, hat Weber erfahren, der auch Workshops für Heranwachsende gibt. Sie haben an dem Geräuschhaften und den unkonventionellen Spieltechniken ihren Spaß. Dieses Klangspektrum zwischen Hauchen, Kieksen und Klappern erweitert sich auf dem aktuellen Album um Brummen, Grunzen und Sirren, zu verdanken dem Daxophon. Diesen Klangerzeuger, der auf schwingenden Holzzungen basiert, hat Weber selbst gebaut.

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Die Lust am Experiment treibt den gebürtigen Lippstädter an, der in Bonn Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie studiert hat. Klarinette spielte er in vielen Formationen, beim Musikcorps der Bundeswehr, in einer Dixielandband, im klassischen Quintett. Bis er 2009 das Festival „Improhazard“ im sächsischen Peritz besuchte. „Ich stand neben Manfred Hering auf der Bühne, einem Urgestein der freien Improvisation in der damaligen DDR, und machte die Erfahrung: Ich konnte mich tragen lassen, eine wunderbare Erfahrung.“

Drei Jahre später hat er dann die Bassklarinette für sich entdeckt. „Sie hat locker viereinhalb Oktaven Tonumfang, das Oberton-Spektrum ist sehr groß, man kann tolle Spaltklänge damit erzeugen“, schwärmt der Musiker. So ist auch das neue Album eine Liebeserklärung an die Bassklarinette. Bislang sind die Stücke auf Spotify und Bandcamp gelistet. Eine Veröffentlichung auf CD ist ebenfalls geplant.