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ApothekenDeswegen drohen längere Wege beim Notdienst im Rhein-Sieg-Kreis

Lesezeit 4 Minuten
Eine Apothekerin hinter ihrer Kasse.

Apothekerin Ulrike Jüngel-Sandner von der Augustinus-Apotheke in Sankt Augustin.

Der Rhein-Sieg-Kreis hatte 2024 die zweithöchste Zahl an Apotheken-Schließungen in Nordrhein-Westfalen. Nur in Düsseldorf gab es mehr.

Die Apothekenkammer Nordrhein schlägt Alarm. Die Zahl der Apotheken sinkt seit 25 Jahren. Ende 2024 gab es erstmals weniger als 2000 öffentliche Apotheken in einem der größten Kammerbezirke Deutschlands – in Nordrhein, in den Regierungsbezirken Köln und Düsseldorf. Der Rhein-Sieg-Kreis liegt in der Spitzengruppe auf Platz 2, direkt hinter Düsseldorf.

Im Vergleich mit 2023 wurden Ende 2024 mit 127 sechs Apotheken weniger gezählt. Ende 2014 gab es 142 Apotheken im Rhein-Sieg-Kreis, Ende 2019 wurden 140 gezählt. Langfristig ist der Notdienst, wie wir ihn heute kennen, wohl nicht mehr zu leisten.

Es gibt schon Apotheker, die stehen alleine im Laden, weil sie sich keine Verstärkung mehr leisten können

Ulrike Jüngel-Sandner ist Sprecherin der Apothekerinnen und Apotheker in Rhein-Sieg-Kreis. Seit 2003 führt sie die Augustinus Apotheke. „Schon in den letzten Jahren haben einige Apotheken geschlossen, weil es keine Nachfolge gab“, berichtet sie. Das liege nicht an fallenden Studentenzahlen, sondern an der sinkenden Attraktivität der Selbständigkeit in diesem Bereich. Es sei schwierig, Nachfolger mit hoher Motivation zu finden, denn die bräuchte man als Apotheker. So sei zum Beispiel die Beratungspauschale bei der Ausgabe von Medikamenten in den letzten zehn Jahre konstant geblieben, trotz der hohen Inflationsrate.

„Es gibt Apotheker, die stehen inzwischen teilweise alleine in der Apotheke, weil sie sich wegen der hohen Kosten keine Verstärkung mehr leisten können“, so Jüngel-Sandner. Und dann kämen noch die Verpflichtung zu Notdienste hinzu. Das sei eine hohe Arbeitsbelastung. Sie rechnet damit, dass es da langfristig zu Problemen kommen könnte. „Die Politik ist gefordert, hier Lösungen zu schaffen.“

Jil Crombach wird nach dem Tod ihres Vaters im vorigen Jahr nun die Herz- sowie Marktapotheke in Eitorf weiterführen. „Für mich war es immer klar, dass ich in der dritten Generation unsere Apotheken übernehme“, so die 28-Jährige. „Wir haben 30 Angestellte und die Versorgung der Bevölkerung hier auf dem Land mit Medikamenten ist uns wichtig. Da kann man nicht so einfach aufhören, wenn man seinen Beruf ernst nimmt. Die Menschen vertrauen uns.“

Einen kompletten Neustart als Apothekerin in der heutigen Zeit würde sie sich aber überlegen. Als Angestellte könne man fast dasselbe verdienen, hätte aber nicht die unternehmerische Verantwortung. Deshalb sei es für Apothekerinhaber, die in Ruhestand gehen wollen, schwer, einen Nachfolger zu finden.

Vier Apotheken in Eitorf haben im Jahr 2024 insgesamt 150 Notdienste geleistet

Kritisch sieht Crombach die Online-Apotheken. „Diese sind oftmals als Gesellschaften organisiert, die von Investoren finanziert werden. In der aktuellen Phase sind diese auf extremes Wachstum aus und dabei spielt es keine Rolle, wenn sie wie aktuell nicht wirtschaftlich arbeiten. Dadurch werden aber langfristig die Inhabergeführten Apotheken verdrängt, besonders auf dem Land.“ Wenn eine Inhabergeführte Apotheke Verluste mache, dann müsse sie schnell schließen.

Und auch ein zweites Problem entstünde durch die Online-Apotheken. Gesetzlich vorgeschriebene Notdienste würden von ihnen nicht geleistet. Die vier Apotheken in Eitorf haben 2024 insgesamt rund 150 davon geleistet. „Und da passiert es auch schon mal, dass man eine ganze Nacht im Laden sitzt und nur ein Medikament ausgibt“, so Crombach. Die Mitarbeiter würden jedoch, was auch richtig sei, Nachtzuschläge bekommen. Ein Notdienst werde dann schon mal kaufmännisch zum Verlustgeschäft. Diese Probleme hätten Online-Apotheken nicht.

Gesetzgeber sieht 20 Kilometer Fahrt zur nächsten Notdienstapotheke als zumutbar an

Die Eitorfer Apotheker haben deswegen, auch aus Personalmangel, den Antrag gestellt, in diesem Jahr weniger Notdienste leisten zu müssen. Rund 100 sind es nun 2025. „Das hat zur Folge, dass Patienten nachts auch weitere Wege fahren müssen, um an ihr Medikament zu kommen“, erklärt Crombach. Der Gesetzgeber sehe vor, dass 20 Kilometer zumutbar seien. Ich denke aber, dass dieser Radius durch das langfristige Apothekensterben auf vielleicht 40 Kilometer oder mehr vergrößert wird, wenn es immer weniger Apotheken, gerade auf dem Land, geben wird.

Apotheke Apotheker Florian Wehrenpfennig aus der Rathaus-Apotheke im Huma in Sankt Augustin.

Apotheke Apotheker Florian Wehrenpfennig aus der Rathaus-Apotheke im Huma in Sankt Augustin.

Florian Wehrenpfennig ist Inhaber der Rathaus-Apotheke im Huma. Da Einkaufszentren über Nacht geschlossen sind, müssen Apotheken dort im Außenbereich liegen, damit sie unabhängig öffnen können. Auch er sieht einen Wandel in der Branche. „Die Gesellschaft muss wissen, was sie will. Wenn alles übers Internet bestellt wird, dann schließen immer mehr Geschäfte, somit auch Apotheken“, prognostiziert Wehrenpfennig. Er kann sich vorstellen, dass als Lösung des Problems Apotheken in der Nähe nur noch Notdienst bis 22 oder 23 Uhr haben. Werde es später, müssten halt weitere Wege in Kauf genommen werden.

„Internetapotheken liefern ihre Medikamente aus dem Ausland, sie haften nicht mit Haut und Haaren, wie wir als Ladeninhaber“, so Wehrenpfennig. Er rechnet damit, dass sich die Schließungswelle noch verschärfen wird.