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Zwei Tote bei BrandDiese Lehren ziehen Feuerwehren aus der Katastrophe von Sankt Augustin

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Die Feuerwehr Sankt Augustin hat Anregungen aus dem Unfallbericht zum Brand mit zwei toten Feuerwehrleuten bereits umgesetzt. Auf einer Plane liegt das komplette Material für den Sicherungstrupp bereit.

Die Feuerwehr Sankt Augustin hat Anregungen aus dem Unfallbericht zum Brand mit zwei toten Feuerwehrleuten bereits umgesetzt. Auf einer Plane liegt das komplette Material für den Sicherungstrupp bereit.

Die Unfallkasse NRW hatte ihren Unfallbericht zu dem Brand vorgestellt, bei dem zwei Feuerwehrleute starben. Ihre Empfehlungen werden bereits umgesetzt.

Umfangreich fiel der Unfallbericht aus, den die Unfallkasse NRW zu dem Brand in einem Motorradladen in Sankt Augustin vom 18. Juni 2023 vorlegte, bei dem zwei Feuerwehrleute ums Leben kamen. Einen spürbaren Anteil haben die Anregungen, Lehren und Vorschläge für die zukünftige Feuerwehrarbeit, die sich daraus ergeben haben.

Kreisbrandmeister Stefan Gandelau war am Prozess der Berichterstattung für die Unfallkasse beteiligt. In den Jahresgesprächen 2024 besprach er mit den Wehrleitungen intensiv die Durchführung, Kontrolle und Dokumentation von Übungsdiensten, Reinigung der Schutzkleidung, der Schlauchpflege bis hin zum Impfstatus der Einsatzkräfte. Denn all das wird im Ernstfall geprüft.

Die Schlauchpflege des Kreises wird keine Schläuche mehr flicken

Eine konkrete Konsequenz hat Gandelau jetzt in einer Mitteilung an alle Feuerwehren bekanntgegeben: Die Schlauchpflege des Kreises wird keine Schläuche mehr reparieren, wenn sie Schwachstellen aufweisen. Früher wurden sie geflickt. Zwar hat der Unfallbericht nachgewiesen, dass ein Schlauchplatzer die Ursache für den verheerenden Verlauf des Einsatzes gewesen sein muss. Doch genauso eindeutig war das Ergebnis, dass der sechs Zentimeter lange Riss erst bei dem Einsatz entstanden ist.

Wie genau der Riss entstand, ob durch herunterstürzende Teile, heiße Flüssigkeiten oder umstürzende Motorräder, ließ sich dagegen nicht mehr feststellen. Mit dem Verzicht auf die Reparatur will der Kreis eine eventuelle Schwachstelle ausräumen - es sei denn, eine Feuerwehr wünsche das Flicken explizit. Von den Wehrleitern bekam Gandelau das Feedback, dass diese Änderung gut und richtig sei.

Ein neues Atemschutzgerät hat auch Leuchten.

Die neuen Überdruck-Atemschutzgeräte sind mit Leuchten ausgestattet und können perspektivisch Daten nach draußen senden.

Bei der Sankt Augustiner Wehr wurde bislang mit dem Material geübt, das auf den Fahrzeugen geladen ist. Gerade bestellt hat Stadtbrandinspektor Herbert Maur Feuerwehrschläuche, die ausschließlich zu Übungszwecken benutzt werden sollen. „Mir ist keine andere Feuerwehr im Kreis bekannt, die das so macht“, sagt Maur im Gespräch mit dieser Zeitung.

Statt gelb sind sind sie weiß gefärbt. Zunächst werden sie in der feuerwehrtechnischen Zentrale (FTZ) in Mülldorf gelagert, perspektivisch könnten sie in den Einheiten landen. Auch die Jugendfeuerwehr werde damit üben, erklärte Maur. „Seit Oktober 2023 reinigen wir die Schläuche selber und prüfen sie auf Dichtigkeit.“ Dafür steht an der FTZ eine eigene Schlauchwaschanlage.

Mit dieser Lage können Schläuche gereinigt und geprüft werden.

Mit der Schlauchwaschanlage renigt und überprüft die Wehr ihre Schläuche selbst.

Sicherheitstrupps sind überall Standard. Ausgerüstete Wehrleute mit angelegten Atemschutzgeräten können sofort eingreifen, sollte etwas passieren. In Sankt Augustin gibt es in jeder Einheit dafür eine eigene Plane, auf der sämtliches notwendiges Material abgelegt wird. In zwei Ecken ist das exakt aufgedruckt, damit nichts vergessen wird. Dazu gehören weitere Schläuche, Strahlrohr, ein Defibrillator, Werkzeug, ein Ersatzatemschutzgerät, Erste-Hilfe-Tasche, Schleifkorbtrage und ein Signalhorn.

Mit einem Signalhorn wird ein akustisches Zeichen für den Rückzug zu den Fahrzeugen gesandt

In der Grundausbildung wird das geschult, in Einsätzen ist es inzwischen gelebte Praxis. „Der Aufbau nimmt bestenfalls eine Minute in Anspruch, weil Hand in Hand gearbeitet wird“, schildert Maur. In anderen Feuerwehren ist es noch nicht Standard, lediglich Eitorf verfährt nach demselben Prinzip. Die haben übrigens auch ein „Cobra-System“, mit dem von außen gelöscht werden kann.

Das pressluftgetrieben Signalhorn ist ebenfalls eine Konsequenz des Einsatzes vom 18. Juni 2023 und eine Anregung aus dem Unfallbericht. Wenn es vom Sicherheitstrupp betätigt wird, ist das die Aufforderung an alle Einsatzkräfte, sich zu ihren Fahrzeugen zurückzuziehen. Das gilt bei Waldbrand, Gefahrguteinsätzen oder ähnlichen Lagen, wenn das Risiko für die Einsatzkräfte steigt.

Ein Feuerwehrmann sitzt in seinem Büro.

Der Wehrleiter Sankt Augustins, Herbert Maur, hat aus dem Brand vom 18. Juni 2023 vielfältige Lehren gezogen, obwohl seiner Feuerwehr bei der Prüfung durch die Unfallkasse keine Versäumnisse nachgewiesen werden konnten.

„Das Hauptrückzugsgerät ist der Schlauch“, erklärt Maur. Gleichwohl gibt es Gedanken zu einem grellen Licht am Eingang, wenn es im Inneren eines Gebäudes brennt und es verraucht ist. Aber ist es dort verwinkelt, hilft das nicht mehr viel.

Eine Idee, die der Wehrleiter indes konkret verfolgt, ist ein akkubetriebener Roboter mit Kettenantrieb. Er ist modulfähig und hat im Aufbau die Maße einer Europalette, 1,20 mal 0,80 Meter. Er kann ausgestattet werden mit einem Wasserwerfer plus optischer und Wärmebildkamera oder einem Hochdrucklüfter oder als Transportplattform.

Kein Personal mehr in den Innenangriff, es sei denn, Menschenleben sind in Gefahr
Herbert Maur, Wehrleiter der Feuerwehr Sankt Augustin

„Wir haben in Sankt Augustin mehr als 200 Tiefgaragen und viele Hallen“, sagt Maur. „Damit brauche ich keinen Angriffstrupp mehr in die Gefahr schicken.“ Das Gerät wird bei der FTZ stationiert, es gibt durch die nach dem tragischen Ereignis etablierte Ruf- eine ständige Einsatzbereitschaft. Der Roboter wäre auf einem Logistikfahrzeug untergebracht und sofort an der Einsatzstelle. Das Ziel: „Kein Personal mehr in den Innenangriff, es sei denn, Menschenleben sind in Gefahr.“

Zwar gibt es in Siegburg ein Löschunterstützungsfahrzeug (Luf) des Kreises, aber das ist wesentlich größer, und es dauert länger, bis es vor Ort wäre. Bei großen Lagen könnte es allerdings als weitere Option hinzukommen. Die kleine Variante wird Politik, Feuerwehr und Verwaltung in Kürze vorgestellt werden.

Neue Überdruck-Atemschutzgeräte werden die alten ersetzen. Es sind „Dräger Airboss connect“, die die Möglichkeit bieten, alle Daten wie Puls und Blutdruck der tragenden Person oder den Füllstand des Gerätes nach draußen zu übermitteln. Außerdem sind sie mit blinkenden Lichtern versehen, sodass der oder die Zweite im Trupp dem folgen, aber durch wechselnde Farben auch den Vorderen warnen kann, dass die Luft in der Flasche zur Neige geht.

Ganz konkret neu ist auch die Unterstützungsabteilung, die großen Zuwachs hatte. Sie übernimmt die Verpflegung an der Einsatzstelle. 15 Menschen sind beteiligt, darunter drei gelernte Köche. In einem Kühlwagen stehen stets ausreichend Getränke zur Verfügung, beim Brand eines Restaurants in Menden hat sie sich bewährt. „Das läuft gut und es schmeckt vor allem“, freut sich Maur.