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Schulalltag im 19. JahrhundertWinterscheider Jahrbuch erzählt von lokalen Geschichten

Lesezeit 3 Minuten

Ende des 19. Jahrhunderts: die Kinder der Volksschule Fußhollen. Ob rechts im Bild Lehrer B. posiert, bleibt unklar.

  1. Im aktuellen Winterscheider Heimat-Jahrbuch berichtet Dieter SchmitzIm aktuellen Winterscheider Heimat-Jahrbuch gibt Dieter Schmitzeinen Einblick in die Schwierigkeiten, denen die Kinder ausgesetzt waren, wenn sie lesen und schreiben lernen wollten.
  2. „Wie ein Tyrann“ gebärde sich ein Lehrer, für den die „tägliche Prügelei“ von 1898 bis 1902 zum Alltag gehörte.
  3. Auch von Erfolgen und anderen Geschichten aus dem Ort wird berichtet.

Ruppichteroth – „Bis an die Knie durch den Dreck“ wateten die Kinder aus Winterscheid vor mehr als 100 Jahren, um die Volksschule in Fußhollen zu erreichen. Nicht nur, dass die Wege zwischen den Dörfern durchweg unbefestigt, holprig und matschig waren. Minus zehn Grad konnte es im Klassenraum sein, wenn draußen strenge Kälte herrschte – etwa im Winter 1895. Und so kam es, dass der Lehrer oft „vor leeren Bänken“ stand – zumal in solchen Zeiten auch noch die „Masern auftraten“.

Im aktuellen Winterscheider Heimat-Jahrbuch berichtet Dieter Schmitz über die Anfangsjahre der Schule. Er gibt einen Einblick in die Schwierigkeiten, denen die Kinder ausgesetzt waren, wenn sie lesen und schreiben lernen wollten. Dazu trug auch „die Schreckensherrschaft des Lehrers B.“ bei, wie der Autor einen weiteren Aufsatz betitelt.

Schwarze Pädagogik

Der Lehrer, dessen Nachnamen Schmitz aus Gründen der Diskretion nicht nennen will, versetzte von 1898 bis 1902 die Kinder in Angst – und zwar so, dass sich nicht nur einzelne Väter und Mütter beim Kreissschulinspektor beschwerten, sondern sich sogar 16 Eltern zusammenschlossen, die gemeinsam einen Brief verfassten – für die damalige Zeit sicher eine ungewöhnliche Initiative.

„Wie ein Tyrann“ gebärde sich Lehrer B., für den die „tägliche Prügelei“ zum Alltag gehörte. „Die armen Kinder“ würden „über die Bank gelegt und mit voller Kraft mit Stocken bearbeitet“. Und zwar auch dann, wenn die Eltern dabei seien, „welche dann das Jammergeschrei ihrer Kinder herzzerreißend anhören müssen“. Der Beschuldigte selbst sah das anders: Die Kinder hätten „Strafe nach Verdienst“ erhalten, begründete er diese schwarze Pädagogik – etwa an einem Knaben, der regelmäßig geschlagen wurde. Die Mutter hatte ihm deshalb „zum Schutz die Hose mit Leder ausgefüttert“. Die Klagen der Eltern hatten Erfolg: Lehrer B. wurde schließlich versetzt und bat irgendwann selbst um Entlassung aus dem Schuldienst.

Klein und kalt im Winter war die Volksschule in Fußhollen, die von den Kindern nur mit Mühe erreicht werden konnte.

Ganz andere Erfolge erhofften sich Investoren Ende der 1960er Jahre, die eine Freizeitanlage im Derenbachtal planten. Davon berichtet Herbert Klein, der sein Grundstück von 15000 Quadratmetern für einen Stausee und für Wochenendhäuser zur Verfügung stellen sollte. Der Winterscheider Bürgermeister Paul Reuter erhoffte sich einen Aufschwung der Region als Naherholungsgebiet.

Als „interessante Idee“ wertet Klein das Projekt, das scheiterte – aus heutiger Sicht sicher zu begrüßen. Von Jubel-Hochzeiten und dem 40-jährigen Bestehen der DPSG Pfadfinder Winterscheid berichtet das Jahrbuch ebenso wie von Verwüstungen durch den Orkan „Friederike“ 2018. Doch der Leser darf sich freuen, dass das zerstörte Kreuz am Rennenberg wieder restauriert ist. Grund zur Freude bieten auch der Feierabendmarkt und der Dorfteich in Litterscheid. Vor zehn Jahren wieder angelegt, hat der Weiher sich mit Leben gefüllt; so berichtet Margret Rogalla über Bewohner wie Molche, Frösche, Kröten, Enten und Ringelnatter.

Unbeschwert zeigten sich die Pfadfinder aus Winterscheid, die sich im Herbst 1986 auf ihre Fahrt nach Santiago de Compostela freuten.

Schließlich gehört auch die Rubrik „Extraplatt“ zum Jahrbuch: In „De Senioren hann Päed jespellt“ erzählt Liesel Platz eine Anekdote aus dem Fastelovendszoch 1980 des Wöngteschter Seniorenclubs. Weil sich nämlich das Pony Blacky weigerte, den Wagen zu ziehen, entschieden die Senioren: „Dann spellen mir jetz Päed! Mir trecken die kleen Kutsch sälevs!“ Die Jecken am Zugweg hatten „Spass an denne löstije Ahlen“. „Die Alten“ hoffen, dass sich die folgende Generation für das Jahrbuch engagiert: Die Hausgeber Peter Knecht und Hans-Joachim Schneppel suchen dringend Autorinnen und Autoren.

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Das Jahrbuch Nr. 23 kostet sieben Euro. Eine Sonderausgabe, die das Kirchspiel St. Servatius zum Thema hat, kostet 2 Euro. Die Hefte sind ab 15. Juni erhältlich bei Kreissparkasse, VR Bank und bei Maro Möbel.