Die Sonderpädagogin Theresa Marie Stamm zieht in Fort Portal drei Waisenkinder groß und vertritt eine NGO in Deutschland.
Pendelt zwischen Europa und Afrika31-jährige Siegburgerin ist Adoptivmutter von drei Kindern in Uganda

Theresa Marie Stamm und ihre drei Adoptivkindern Kapiyo John (v.l), Dongo Samuel und Isingoma James
Copyright: privat/Theresa Marie Stamm
Mit 18 Jahren, direkt nach der Schule, machte Theresa Marie Stamm einen Freiwilligendienst in einem Waisenhaus in Fort Portal, Uganda. Vor dem Heim wurden Kapiyo John und Dongo Samuel ausgesetzt – deren Mutter hatte die Geburt der Zwillinge nicht überlebt. „Ich hab' mich in die beiden echt verliebt“, sagt die Siegburgerin.
Nach ein paar Monaten ging sie zu den örtlichen Behörden: „Ich möchte, dass das meine Kinder werden, weil ich nicht weiß, was sonst mit ihnen passiert.“ Bei dem Waisenhaus, so sagt sie, komme es vor, dass Babys erneut auf die Straße gesetzt werden. „Es ist eine blauäugige Entscheidung gewesen, die beiden zu adoptieren“, räumt die mittlerweile 31-Jährige ein, aber sie bereue es kein bisschen.
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Isingoma James (v.l.), Dongo Samuel, Theresa Marie Stamm, Kapiyo John bei einem Spaziergang
Copyright: privat/Theresa Marie Stamm
Zum Freiwilligendienst in Uganda kam Stamm mit einer Mischung aus Neugier und Hilfsbereitschaft. „Ich hab' die Plakate gesehen, bei denen Kinder aus Afrika mit aufgeblähten Bäuchen und Fliegen in den Augen gezeigt wurden, und wollte mir vor Ort ein Bild machen, ob es wirklich so ist. Ich wollte da hin, um zu helfen.“
Theresa Marie Stamm ist dreifache Adoptivmutter
2014 wurde sie erneut vor eine große Entscheidung gestellt. „Da habe ich über eine Freundin erfahren, dass Isingoma krank in einem Dorf ausgesetzt wurde. Ich kannte ihn, er war ein ganz tolles Kind“, schwärmt sie. „Ich hatte eigentlich kein Geld für ein drittes Kind, aber habe ihn dazugenommen. Seitdem sind's die drei.“ Die Zwillinge sind heute offiziell 13 Jahre alt, Isingoma James ist zwei Jahre älter.
Die ersten sieben Jahre nach der Adoption der Zwillinge wohnte Stamm meist in Uganda, ging dafür an ihr Erspartes. In dieser Zeit schrieb sie sich 2013 in Köln für das Studium zur Sonderpädagogin für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen ein. „Ich war immer mal für die Uni hier, meine Bachelorarbeit habe ich von Uganda aus geschrieben“, erinnert sich Stamm.
Viel zu tun: Stamm studierte als Alleinerziehende und arbeitet bei NGO
Nach den sieben Jahren in Uganda machte sie ihr Referendariat, dafür war sie häufig in Deutschland. „Das war echt 'ne harte Zeit, wenn man sich so gar nicht sieht. Die Corona-Pandemie war sehr schwierig, wir haben viele Videocalls gemacht.“
Neben der Uni ließ sich Stamm zur Tagesmutter weiterbilden. „Ich hab viele, viele Nebenjobs gehabt. In Deutschland hab' ich nur gearbeitet und war dann wieder in Uganda.“ In Fort Portal half sie bei der Schule ihrer Kinder aus. Zusätzlich begann sie bei dem privaten, gemeinnützigen Unternehmen (NGO) Yonder Life Africa zu arbeiten.

Theresa Marie Stamm und zwei ihrer Adoptivkindern Dongo Samuel (2.v.l.) und Kapiyo John (4.v.l.) mit dem Gründer der NGO Yonder Life Africa, Frank Aineomugisha.
Copyright: Theresa Marie Stamm
Mit Frank Aineomugisha, dem Gründer von Yonder Life Africa, möchte Stamm Kindern in Uganda einen Zugang zu Bildung ermöglichen. In Deutschland ist sie die Ansprechpartnerin bei Fragen.
„Wir haben 50 Kinder, die zur Schule gehen. Über 200 Kinder stehen auf der Warteliste. Das ist natürlich klein im Vergleich zu großen Organisationen, aber da kommt teilweise nur ein Bruchteil der Gelder an. Man sollte sich vorher informieren, wohin man spendet“, sagt sie.
Arbeit als Sonderpädagogin brachte Stamm nach Siegburg
In Deutschland arbeitet sie zudem an der LVR-Frida-Kahlo-Schule in Sankt Augustin, zog dafür nach Siegburg. Die Schule hat den Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung: „Es ist der beste Job der Welt, tolle Kinder, tolle Kollegen!“, sagt sie und strahlt.
Wenn sie nicht in Uganda ist, leben ihre Kinder in einem Internat. Momentan besucht sie sie immer in den Ferien: „Das ist natürlich sehr teuer mit den Flügen. Ich komme am Ende des Monats bei null raus, allein schon mit den Internatskosten.“
Wenn sie ihre Kinder in Uganda besucht, kommt sie bei Freunden unter. „Sie würden ihr letztes Hemd für mich geben.“ Stamm erlebt die Menschen im Land als sehr gastfreundlich, auch wenn viele kaum Geld haben: „Du wirst nirgendwo ein und aus gehen, ohne bekocht zu werden.“
Auch von ihren Freundinnen und Freunden sowie der Familie in Deutschland fühlt sie sich unterstützt. Ihre Mutter Beate Stamm besuchte sie zweimal in Fort Portal, ihr Vater Klaus Stamm einmal. „Sie haben die Kinder lieb. Aber Papa sieht die Adoption auch kritisch und wünscht sich ein einfacheres Leben für mich.“
Uganda: Theresa Marie Stamm genießt die Zeit mit ihren Kindern
Neben dauerhaften Sorgen um Geld belastet sie außerdem: Die Adoption ihrer Kinder wird in Deutschland noch nicht anerkannt. „Laut ugandischem Staat ist das alles rechtens, vor den deutschen Behörden kämpfe ich immer noch.“ Einen kleinen Erfolg konnte sie aber schon feiern: Die Bezirksregierung hat die Geburtsurkunden ihrer Kinder anerkannt.
„Wir sprechen viel über uns, warum wir so eine Familie sind, wie wir sind. Am liebsten wär' ich die ganze Zeit mit ihnen zusammen“, sagt sie bekümmert.
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Dongo Samuel packt beim Kochen am Lehmofen in Fort Portal kräftig an.
Copyright: Gerriet Scheben
Was sie in Fort Portal unternehmen? Theresa Marie Stamms Mimik hellt sich wieder auf. „Ich gehe viel spazieren mit den Jungs.“ Sie hören gern Musik und tanzen zusammen. „Ich hab' ihnen Schwimmen beigebracht, in Pools von Hotels.“ Kochen nimmt viel Zeit in Anspruch: „Das machen wir meistens auf Holzkohlen oder in kleinen Lehmöfen. Erstmal muss Feuerholz besorgt werden. In der Regel kochen wir mit vielen Menschen zusammen.“
Unterschiede zwischen Deutschland und Uganda sind belastend für Stamm
Nach der gemeinsamen Zeit falle die Abreise der Familie immer schwerer: „Kapiyo bekommt zwei Tage, bevor ich abreise, immer Fieber. Mir geht es dann auch körperlich schlecht. Zum Glück habe ich eine tolle Familie und Freunde, die mich auffangen.“
Der Kontrast zwischen den beiden Ländern zerrt an ihr: „Das korrupte System in Uganda, wo Kinder nicht zur Schule gehen können, und Deutschland, wo viele Kinder keinen Bock haben, zur Schule zu gehen. Hier gibt es ja schon eine Chancenungleichheit, aber da ist es noch extremer – das zerfrisst mich manchmal.“
Abends hat sie oft Probleme, einzuschlafen: „Da könnte ich noch was machen, hier könnte ich noch helfen“, das seien Gedanken, die sie wach hielten. „Jeder hat doch einen Grund morgens aufzustehen. Was könnte ein besserer Grund sein, als etwas Gutes zu tun, seinen Beitrag zu leisten?“