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Essbar oder giftig?Expertin gibt sechs Tipps zum Pilze sammeln im Siegburger Wald

Lesezeit 4 Minuten
Viele Pilze liegen auf einem Haufen, hauptsächlich Maronen und Steinpilze.

Nach dem Regen: In diesem Jahr gibt es sehr früh sehr viele Pilze. Die Pilzsuche im Siegburger Wald war ein Erfolg.

Wärme und Regen lassen die Pilze in diesem Jahr früher als üblich aus dem Boden schießen. Biologin Xenia Scherz gibt Tipps für die Suche.

Es raschelt im Siegburger Wald am Siegelsknippen. Nur Laub, kein Matsch, leider. Vor dem Termin mit Xenia Scherz hätte es eigentlich regnen sollen. Bange Frage zu Beginn: Werden wir Pilze finden? Die Biologin schmunzelt und antwortet trocken: „Man kann halt keine hinstellen. Wir werden sehen.“

Die 56-Jährige, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Biostation Rhein-Sieg, kennt dieses Stück Natur wie ihre Westentasche. Seit Jahren ist ihre Wanderung in die Welt der Pilze fester Bestandteil des Siegburger Umweltprogramms.

Eine Welt, von der die Spaziergänger nur winzige Wegweiser sehen – die aus der Erde ragenden Fruchtkörper. Der eigentliche Pilz, ein meist mehrere Quadratmeter großes und oft sehr altes Geflecht, befindet sich unterhalb der Oberfläche. Oder in Baumstämmen, Ästen und Zweigen.

Eine Frau hält eine Marone in der Hand.

Die Marone, die Xenia Scherz hier in der Hand hält, ist ein schmackhafter Röhrling.

Erster Tipp: Kaufen Sie sich ein aktuelles, handliches Bestimmungsbuch

Scherz hat Bücher mitgebracht. Eindringlicher Hinweis: Vor dem Probieren muss man Studieren. Einfach loszulaufen und zu sammeln, das kann böse enden. In jeder Saison erleiden Menschen Vergiftungen, führt Sammler-Leichtsinn zum Tod.

Ihr erster Tipp: Kaufen Sie sich ein aktuelles Bestimmungsbuch (ältere sind nicht auf dem Stand der Wissenschaft), handlich, nicht zu dick. Mit Abbildungen, auf denen Sie bekannte Pilze erkennen. Mit Beschreibungen, die Sie verstehen.

Zweiter Tipp: Anfänger sollten von Lamellenpilzen die Hände lassen

Wir lassen die Blicke über den Boden schweifen. Laub, überall. Wie war das noch mit der Nadel im Heuhaufen? Als ob die Augen zoomen könnten, tauchen plötzlich kleine Kappen auf, braune, gelbe, rote. Sind die essbar?

Zweiter Tipp: Der Hut macht den Unterschied. Anfänger sollten von Lamellenpilzen die Finger lassen; wir nehmen erstmal nur die Röhrlinge, deren Hutunterseite Poren aufweist, näher in Augenschein. Die edlen Steinpilze gehören dazu, schmackhafte Maronen; aber auch der ungenießbare Gallenröhrling. Zumindest ist kein Röhrling tödlich giftig. Beruhigend.

Dritter Tipp: Möglicherweise giftige Pilze nie mit den Händen anfassen

Und was ist mit Champignons, unserem wohl bekanntesten Speisepilz? Die wachsen auf der Wiese und nicht im Wald, erklärt die Biologin. Ihre gefährlichen Doppelgänger, die Knollenblätterpilze, stehen aber am Waldrand, wie hier. Sie hebelt mit dem Taschenmesser den kompletten Fruchtkörper aus der Erde, unten am Stiel eine dicke Knolle.

Ein weißer Pilz mit dicker Knolle am Stielende liegt auf dem Waldboden.

Finger weg: Die dicke Knolle am Stielende kennzeichnet den tödlichen Knollenblätterpilz. Er wird leicht mit dem Champignon verwechselt.

Dritter Tipp: „Nie mit den Händen anfassen!“, weil schon kleine Mengen des Gifts dem Menschen schaden. Die Lamellen sind weiß, das seien sie aber auch bei jungen Champignons. „Kaufen Sie lieber welche im Laden.“

Vierter Tipp: Gut durchgaren. Es gibt nur zwei Ausnahmen.

Rechts von uns eine samtbraune Kappe. Ein kurzer Druck, die Röhren färben sich lila. Sieht gefährlich aus, ist aber harmlos. Und lecker: Eine Marone. 20 Meter weiter wieder ein brauner Hut. Doch der Stiel ist außen feuerrot, innen leuchtend gelb, färbt sich in Sekunden blau. Sicher giftig? Nein, weiß die Kennerin. Der flockenstielige Hexenröhrling darf ebenfalls in die Pfanne.

Vierter Tipp: Gut durchgaren! Das gilt für alle – essbaren – Pilze. Ausnahmen: Champignons und Steinpilze.

Fünfter Tipp: Eine Pilz-App fürs Handy suggeriert trügerische Sicherheit

Nun folgt die Lektion für Fortgeschrittene. Wie nähern uns den Lamellenpilzen. Keine Knolle am Stiel, ok. Ein verschiebbarer Doppelring, ein leicht schuppiger Hut: Es ist ein Parasolpilz, noch jung, wer ein älteres Exemplare sieht, erkennt direkt den Riesenschirmpilz. Der faserige Stiel ist leicht madig, schmeckt ohnehin nicht. Das Fleisch ist ohne Befall. Ab ins Körbchen.

Das nächste Exemplar. Keine Knolle. Der Stiel lässt sich abbrechen mit einem Knacken wie bei einem Apfel. Prima. Aus dem Fleisch tritt Saft aus, es ist ein Milchling. Ist er rot, ist er genießbar; ist er weiß, giftig.

Eine Hand hält einen weißen Pilz, der einen Ring am Stiel hat.

Ab ins Körbchen: Der junge Parasolpilz ist an seinem beweglichen Doppelring erkennbar.

Von den jüngeren Leuten verlassen sich viele auf die Bestimmungs-Apps. Das ist gefährlich
Xenia Scherz, Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Biostation Rhein-Sieg

Tritt kein Saft aus, ist es ein Täubling; Kennzeichen: der oft intensiv farbige Hut. Manche Arten sollen schmecken. Scherz probiert ein winziges Stück Lamelle, es ist zu scharf. Nicht essbar, schade. Die Zunge wird leicht taub, daher der Name Täubling.

Eine Variante ist der Schwärzling, der hier einen Hexenring bildet. Xenia Scherz demonstriert den Umgang mit einer Bestimmungsapp. Sie kniet nieder, macht ein Foto, lädt es in der App hoch. Ergebnis Nummer eins: Chlorophyllum, zu 56 Prozent. Falsch. Ergebnis Nummer zwei: Wolf. Das Tier. Scherz lacht: Vielleicht hat die App den Pilz als Losung erkannt. Wird aber gleich darauf wieder ernst. „Gerade von den jüngeren Leuten verlassen sich viele auf die digitalen Helfer.“

Fünfter Tipp: Die Nutzung einer Pilz-App suggeriert trügerische Sicherheit.

Unsere Sammlung reicht für ein Pilzrisotto, super. Ich werde bald wieder auf die Suche gehen, wenn es geregnet hat, dann gibt es eine Schwammerl-Schwemme, prophezeit die Biologin. Das Körbchen lege ich mit Zeitungspapier aus, die Funde decke ich mit einem Tuch ab, wie Xenia Scherz: „Es muss ja niemand sehen, was ich habe“.

Sechster Tipp: Niemals eine Tüte nehmen. Denn Speisepilze können werden schnell von Schimmelpilzen befallen. Und die sind giftig.