Planspiel zur DemokratieAm Anno-Gymnasium in Siegburg herrschten eigene Gesetze

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Mehrere Schüler sitzen in einer Klasse.

Am Anno-Gymnasiun in Siegburg gründeten Schülerinnen und Schüler für ein paar Tage lang einen eigenen Staat. In dem es allerdings turbulent zuging: Nachdem Richter Tom (Mitte) wegen eines Putschversuchs gefeuert worden war, musste er sich selbst vor Gericht verantworten.

Am Anno-Gymnasiun in Siegburg gründeten Schülerinnen und Schüler für ein paar Tage lang einen eigenen Staat.

Volle Gänge und wildes Getümmel am Anno-Gymnasium Siegburg:  Schülerinnen und Schüler simulierten vom 20. bis 22. Juni einen eigenen Staat – eine konstitutionelle Monarchie. König Adim Qureshi und Königin Sophie Heinze wurden bereits am 3. Juni gekrönt. Das Großprojekt „Schule als Staat“ soll den jungen Menschen ein besseres Verständnis für Demokratie geben. Und so gab es alles, was ein demokratischer Staat braucht: ein Parlament, Ministerium, Polizei, ein Gericht, Kulturveranstaltungen und natürlich die freie Wirtschaft. „Waffeln! Solange sie noch frisch sind!“ schallte es durch die Gänge, jeder wollte schließlich sein Geschäft machen.

Besucher hatten an den letzten beiden Tagen die Gelegenheit,  das Spektakel zu erleben. Mit ihren gewohnten Euro kamen sie allerdings nicht weit. Daher ging es erst einmal in die Wechselstube, um an die Anno-Kronen zu gelangen, die Währung im Königreich Anno, übrigens zu einem simplen Wechselkurs von eins zu eins. Allerdings musste man aufpassen, wie viel man wechseln lassen wollte. In der Bank galt nämlich eine Rückumtauschsteuer von zehn Prozent. Wer sein Geld nicht ausgab, zahlte also drauf.

Anno-Gymnasium: Es war so viel Geld im Umlauf, dass die Bank keines mehr herausgeben konnte 

Aber Gelegenheiten gab es genug. So konnten es sich die Besucher etwa im Künstlercafé „Kunst 'n‘ Cookies“ gut gehen lassen oder sich beim Friseur „Beauty and Care“ eine neue Frisur zulegen. Locken kosteten drei Kronen, fürs Spitzen schneiden musste man schon fünf Kronen aufwenden. Und die Wirtschaft schien zu florieren, jedenfalls waren nach Angaben der Senatsvorsitzenden Livia zwischenzeitlich 25.000 Kronen im Umlauf. So viel, dass die Bank keine Geldscheine mehr für die Besucher herausgeben konnte, eine lange Schlange bildete sich. Dieser Umstand führte auch dazu, dass die Unternehmen nichts mehr verkaufen konnten, da ihre Kunden nicht an Geld kamen.

„Aber wir haben keine schlechten Zeiten, der Staat geht nicht pleite“, beschwichtigte die 17-jährige Parlamentschefin. Der Plan war laut Livia, Unternehmen, die Insolvenz anmelden mussten, so viel Geld zu geben, dass sie wieder auf sicheren Füßen standen.

Der König sollte gestürzt und eine kommunistische Diktatur gebildet werden

Doch das war längst nicht der einzige Zwischenfall, der auf eine Instabilität des Königreichs hindeutete. Ein geladener Zeuge wollte zu seinem Gerichtstermin um 14 Uhr, doch er stand vor verschlossenen Türen und wurde nicht hereingelassen. Im Gerichtssaal formte sich derweil ein Pakt zwischen den Richtern und Redakteuren der propagandistischen Zeitung „Antifam“. Ihr Ziel: das Königreich stürzen und eine kommunistische Diktatur formen. 

Ein großer Jugendlicher im Anzug und mit goldener Uhr.

König Adim wurde von Redakteuren der Propaganda-Zeitung entführt. Zum Glück nur kurz.

„Lasst uns so radikal streiken, dass sich was ändern muss“, forderte eine Redakteurin der Antifam. Zusätzlich wollten die beiden Richter Tom (13) und Florian (18) eine Gewerkschaft für die Justiz gründen, da sie ja nur eine Krone pro Stunde verdienten. „Viel zu wenig für so viel Arbeit“, meinte Tom. Er habe schon seine Pausenzeit genutzt, um im Senat den Notstand für Justiz auszurufen.

Auf die Frage, was denn eine Diktatur bringe, antwortete der Richter: „Keine Ahnung, ist witzig.“ Eine Monarchie sei doch langweilig und veraltet. Revolution lag in der Luft. Die eigentlich geheimen Pläne sprachen sich allerdings so schnell herum, dass nur ein paar Augenblicke später der Justizminister auf der Matte stand. Er zeigte sich empört und betonte, Richter seien verbeamtet und hätten deshalb weder Recht auf Streik noch auf eine Gewerkschaft. Zack, beide Richter gefeuert.

Am Ende setzte sich der Senat durch, die zwei abtrünnigen Richter wurden verurteilt

Währenddessen wurde wohl der König entführt, der sich dann persönlich über die zentrale Sprechanlage an sein Volk wendete. Wenig später tauchte er im Senat wieder auf, ein Hauch von Erleichterung kehrte ein. „Ich wurde 'reingelegt“, klagte König Adim. Eine ihm vertraute Person habe ihn in einen Raum geführt, plötzlich sei er umstellt gewesen. Für die Entführung war offenbar die Propaganda-Zeitung Antifam verantwortlich. Wohl ein weiterer Schritt der Revolution, die sie mit den zwei Richtern planten. „Das Königreich ist Geschichte“, befürchtet das Staatsoberhaupt.

In der Zwischenzeit wurden per Eilbeschluss im Senat zwei neue Richter bestimmt, die nun den beiden Ex-Richtern Tom und Florian den Prozess machten. Diese wurden unter anderem des Missbrauchs öffentlicher Ämter und der Gründung einer gewaltsamen Organisation angeklagt. Das Strafmaß: 15 Kronen.

Ein Ruhepol im Tumult waren derweil die „Anno-Entdeckungsreisen“, die mit ruhiger Entspannungsmusik einluden. Hinter dem Namen verbarg sich aber nicht etwa ein Reisebüro, „damit ist vielmehr die Reise zu sich selbst gemeint“, wie Geschäftsführerin Kristin erklärte. Für 2,50 Anno-Kronen konnte man sich abgeschirmt bei Wahrsagerin Hannah seine Zukunft vorhersagen lassen.

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