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Prozess im Siegburger GerichtAngeklagter pflegte Cannabisplantage auf dem Balkon

Lesezeit 3 Minuten
Cannabis Symbolbild dpa

Cannabispflanze (Symbolbild)

Siegburg – Ein ungewöhnlicher Zuhörer hat am Mittwoch im Amtsgericht einen Prozess wegen einer Cannabisplantage: Der Siegburger Hausbesitzer hat mit dem Angeklagten noch eine Rechnung offen. Denn der 27-jährige Angeklagte, sein früherer Mieter, war ihm die Nebenkosten schuldig geblieben.

Ob der Mann allerdings jemals sein Geld sieht, ist ungewiss. Denn den Angeklagten drücken noch weitere Schulden, 10.000 bis 15.000 Euro, er hat den Überblick verloren. In der Hauptverhandlung zeigte er sich selbstkritisch und reflektiert, räumte alle Vorwürfe ein.

Polizei fand in Siegburg eine professionelle Drogenplantage

Daher saß auch ein ungewöhnlicher Angeklagter im Gerichtssaal. Da waren sich sein Strafverteidiger, Staatsanwalt und der Vorsitzende Richter des Schöffengerichts, Ulrich Wilbrand, einig. Einer, der keine Ausflüchte nutzt, der offenbar zu seiner Verantwortung steht und der sein Problem erkennt.

Ganz nüchtern schilderte der junge Mann sein Abrutschen in die Sucht nach dem frühen Tod des Vaters, dem Einzug des Stiefvaters und dem Auszug der großen Schwester. Da war er 14. „Ich wollte wohl eine Leere in mir füllen.“

Cannabis-Plantagen

Immenser Stromverbrauch

Würde die Polizei alle illegalen Cannabis-Plantagen ausheben, hätte das einen immensen Spareffekt, das sagte Richter Ulrich Wilbrand im Prozess vor dem Schöffengericht. Er zitierte den Experten aus dem Landeskriminalamt, Johannes Zagermann, nach dessen Einschätzung das größte Kohlekraftwerk in Deutschland in einem solchen – fiktiven – Fall abgeschaltet werden könne. (coh)

Drei Viertel sind Drogen-Verfahren

Straftaten im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelkriminalität beschäftigen überproportional das Siegburger Amtsgericht. Sie machten laut Wilbrand mittlerweile drei Viertel aller Hauptverfahren aus. (coh)

Drei Ausbildungen brach er ab, ersetzte mal die Joints durch exzessiven Alkoholmissbrauch, war drei Jahre ganz weg von den Betäubungsmitteln. Es folgten: Eine Entgiftung, eine Therapie, immer wieder Rückfälle. Der Trugschluss, alles im Griff zu haben.

Zehn Joints am Tag konsumierte er zeitweise, um die Sucht zu finanzieren, begann er mit der Aufzucht von Cannabispflanzen im Wohnzimmer und auf dem Balkon. Eine professionelle Anlage mit UV-Lampen und Lüftern, so die Ermittler, die bei einer Hausdurchsuchung Ende Oktober 2021 nach Hinweisen die Plantage abräumten.

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Die Ernte war nicht nur für den Eigenbedarf gedacht. Neben Druckverschluss-Tütchen fand die Polizei auch ein Notizbuch mit Schuldnerliste. Der Warnschuss wirkte nicht, rund vier Wochen später hatte der Angeklagte bei einer Kontrolle auf der Straße Cannabis in der Tasche, 13 in Stanniolpapier verpackte Portionen.

Da er zum ersten Prozesstermin nicht erschienen war, wurde er mit Haftbefehl gesucht, Ende Juli aufgegriffen und saß seitdem in Untersuchungshaft. Das Schöffengericht verhängte eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten, der Angeklagte muss die Anordnungen eines Bewährungshelfers befolgen und ein Jahr lang alle drei Monate mit einem Drogenscreening nachweisen, dass er clean ist.

Das Gericht setze Vertrauen in den Angeklagten, in der Hoffnung, dass er es schafft, den Teufelskreis zu stoppen. „Sie sind jetzt ein Verbrecher, das muss man sich einmal vorstellen“, so der Richter. „Aber Sie sind kein Berufsverbrecher.“

Der Angeklagte habe zudem Glück gehabt, als er einen Stromzähler im Mehrfamilienhaus manipulierte, um gratis Energie für die Drogenplantage abzuzapfen: Wenn dabei etwas schiefgegangen wäre, dann hätte er keinen Richter mehr gebraucht, „sondern einen Bestatter“.