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Corona-AusfällePandemie-Versicherung zahlt nicht – Siegburgerin klagt

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Wirtin Ute Herzog findet sich nicht damit ab, dass ihre Versicherung die Verluste wegen der Corona-Schließung des Lokals nicht ausgleichen will.

Siegburg – Zehn Jahre lang bezahlte Ute Herzog die Beiträge für eine Pandemieversicherung. Dann kam Corona. Doch als die Wirtin des Lokals „Jraduss“ nach dem ersten Lockdown bei ihrer Versicherung Ansprüche anmeldete, bekam sie eine Absage. Eine Betriebsschließung wegen des neuartigen Virus sei nicht abgedeckt. Die 58-Jährige reagierte empört: „Wozu habe ich jahrelang bezahlt?“ Sie verklagte den Konzern. Kürzlich trafen sich die Parteien vor dem Siegburger Amtsgericht.

Richter Sven Kurtenbach hatte sich vorbereitet. Zahlreiche erstinstanzliche Urteile gibt es bereits aus allen Ecken der Republik. Oft geht es um einige Tausend Euro Umsatzverlust, wie bei der Wirtin von der Zange, manchmal aber auch um Millionen. Sprachen viele Richter den Gastronomen einen finanziellen Ausgleich zu, sah es in der zweiten Instanz, an den Land- und den Oberlandesgerichten, meist anders aus, erläuterte Kurtenbach.

Siegburger Wirtin: „Mir geht es auch um Gerechtigkeit“

Er zitierte aus einem Urteil des OLG Schleswig. Das hatte der Versicherung Recht gegeben mit folgender Begründung: In den Verträgen gehe es nur um die infektionsbedingte Schließung einzelner Betriebe, und nicht einer gesamten Branche.

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Der Grundgedanke, bekräftigte die Rechtsanwältin der beklagten Versicherung, sei die Solidarität: Die Prämien vieler Betriebe glichen das Risiko einiger Betroffener aus. Das funktioniere aber nicht, wenn alle Betriebe einer Branche gleichzeitig schließen müssten. „Eine solche Prämie könnte man gar nicht berechnen“, erklärte die Juristin, die als so genannte Terminsanwältin in ganz Deutschland die Interessen der Versicherungswirtschaft in den Corona-Zivilverfahren vertritt.

Die Siegburger Anwältin von Ute Herzog, Dr. Angela Werner-Machens, sieht das anders: „Es sind ja nicht nur Gastronomen versichert, sondern auch Betriebe aus anderen Branchen.“ Diese seien aber in der Regel vom Lockdown nicht betroffen gewesen.

Juristische Folgen

Eine Klagewelle schwappt durch Deutschland: Tausende Gastronomen, die weit vor Corona eine Pandemie-Versicherung abgeschlossen hatten, haben schon nach dem ersten Lockdown im Zeitraum März bis Mai 2020 Ansprüche angemeldet. Hunderte haben im nächsten Schritt gegen die Ablehnung der Versicherer geklagt.

Für Entschädigungen bis zu einer Höhe von 5000 Euro sind die Amtsgerichte zuständig, für höhere Summen die Landgerichte. Etliche Verfahren gingen in die nächste Instanz. Die Landes- und Oberlandesgerichte ließen in ihren Urteilen ausdrücklich Berufungen zu. Das heißt, letztinstanzlich wird der Bundesgerichtshof entscheiden. Ein grundlegendes Urteil erwarten Juristen bereits in wenigen Monaten. Die Zahl der Fälle wird weiter steigen, denn im November folgte der zweite Lockdown mit einer siebenmonatigen Zwangspause für die Gastronomie. (coh)

Richter Kurtenbach erläuterte seine Haltung: Er werde aller Voraussicht nach die Klage Herzogs gegen die Versicherung ablehnen. Er regte als Kompromiss die „bayrische Lösung“ an. Demnach werden 30 Prozent des Schadens finanziell ausgeglichen: 15 Prozent trägt die Versicherung, 15 Prozent der Gastwirt. Das wären bei Ute Herzog, die einen Vertrag mit gedeckeltem Schadensersatz und niedrigeren Prämien wählte, lediglich 500 Euro. „Das sind Peanuts für solch einen Konzern“, so Werner-Machens. Das sei viel zu wenig, meint ihre Mandantin Ute Herzog. „Mir geht es auch um Gerechtigkeit.“ Sie würde auch in die zweite Instanz ziehen.

Corona-Schließung: Versicherung will sich außergerichtlich einigen

Fest steht: Das Amtsgericht wird über den Vergleich nicht befinden, die Versicherung bestehe auf einer „außergerichtlichen Einigung“. Die Jraduss-Wirtin müsste auch eine Verschwiegenheitspflicht unterzeichnen, sagte die Anwältin der Versicherung im Hinblick auf andere Betroffene: „Wir wollen keine Begehrlichkeiten wecken.“

Angela Werner-Machens wird nun per E-Mail mit der Kontaktperson in der Konzernzentrale weiterverhandeln. Sie wolle sich nicht mit ein paar Hundert Euro abspeisen lassen, sagt die Rechtsanwältin. „Dann warten wir lieber die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab.“ Herzog sieht das juristische Gefecht mit einiger Gelassenheit. Sie ist rechtsschutzversichert, pikanterweise bei der gleichen Versicherung, die sie verklagt hat.