Einige sauber geschliffen, andere wiederum gesplittert: Die Bergkristalle in der Schatzkammer Sankt Servatius in Siegburg sind einzigartig. Hinzu kommt ein großer Symbolgehalt, der den funkelnden Steinen zugeschrieben wird.
Funkelnd, aber nicht immer makellosBergkristalle zieren die Reliquienschreine in der Schatzkammer Sankt Servatius
Mal sind sie groß wie eine Kinderfaust, mal wie ein halbes Hühnerei, mal erreichen sie nur den Durchmesser einer Weintraube oder einer Erbse – Bergkristalle sind aus der Schatzkammer Sankt Servatius nicht wegzudenken.
Dort stehen sie für die beeindruckende mittelalterliche Handwerkskunst, die den eigentlichen Wert der Reliquienschreine ausmachen, mehr als das funkelnde Goldblech der Kunstwerke.
Einzigartige Schätze: Funkelnde Steine und glänzende Bergkristalle
Anlässlich der aktuellen Ausstellung „Magie Bergkristall“ im Kölner Museum Schnütgen hat sich Dr. Andrea Korte-Böger, Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des Michaelsberges und ehemalige Stadtarchivarin, die Exemplare in der Servatiuskirche noch einmal genauer angeschaut.
Allein an First und Giebel des Mauritius- und Innocentiusschreins kommt sie auf 40 Exemplare, große Kristalle krönen auch den Benignus- und den Honaratuschrein. Einige sind ganz klare, makellos glatte Kugeln, andere zeigen Unreinheiten oder Einschlüsse, eher B-Qualitäten, die Korte-Böger aber durchaus reizvoll findet.
„Der Konvent musste das ja alles bezahlen, die Kristalle hat ja nicht das Christkind den Mönchen geschenkt.“ Bei genauer Betrachtung entdeckt man auch Exemplare, die an der Sichtseite eines Giebels sauber geschliffen, an der anderen aber gesplittert ist. Einer der Kristalle, die das Dach des Honoratusschreins zieren, ist deutlich rauchfarben.
Viele Steine finden sich an den Schreinen, neben Bergkristallen, Rauch- und Rosenquarzen auch Amethyste, Achate, Perlmutt oder Perlen und einfaches Glas. Einige Stücke gehen auf private Schenkungen zurück, viele zeigen eine Bohrung, da sie wohl einmal an einer Kette getragen wurden. Manche Bergkristalle hinterlegten die Meister mit Goldpapier, um das Glitzern und Funkeln noch zu verstärken. „Typisch für die Stauffer-Zeit“, so Korte-Böger.
Siegburger Kristalle stammen vermutlich aus Köln
Für das Museum Schnütgen war das Thema naheliegend, da in der Nähe des Kölner Doms eine Bleikristallschleiferei aus dem 12. Jahrhundert entdeckt wurde. „Auf den Siegburger Kristallen steht zwar nicht „Made in Cologne“, aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass sie von dort kommen.“
Ganz genau kennt man die Herkunft der drei Schreine zwar nicht, Benignus- und Mauritiusschrein dürften aber aus Köln stammen. Keine tragende Rolle allerdings spielten Kristalle bei der Gestaltung des Schreins für Klostergründer Anno, der aus der Werkstatt des Nikolaus von Verdun stammt (um 1183), in der auch der Dreikönigsschrein geschaffen wurde. „An ihm sind die Emaillearbeiten besonders wertvoll“, so Korte-Böger.
Der Symbolgehalt der Bergkristalle ist ihrer Ansicht nach eindeutig. Plinius der Ältere schon habe sie für ewig gefrorenes Eis gehalten, aber auch nach christlichem Verständnis stünden sie für Wasser und damit für die Taufe, für Glaubenskraft und Klarheit und letztlich für Christus.
Die Bedeutung macht Korte-Böger an einem Beispiel aus England klar: Totgeborene und somit ungetaufte Kinder habe man nicht in geweihter Erde bestatten dürfen. Daher habe man sie entlang der Dachtraufen von Kichen beerdigt, sodass letztlich doch reinigendes Wasser zu ihnen und ihre Seelen in den Himmel gelangen konnten. „Aller Segen kommt durch das Wasser“, so Korte-Böger.