Schwerbewaffnet wurde ein Siegburger Uhrenhändler im Oktober 2020 überfallen. Jetzt wurden zwei Männer am Bonner Landgericht verurteilt.
UrteilÜberfall auf Siegburger Uhrenhändler – „Aktenzeichen XY“ wird Täter zum Verhängnis
Der Angeklagte hob die gefesselten Hände zum Gruß an Bekannte im Saal 0.11 des Bonner Landgerichts, dann schickte er noch das Victory-Zeichen hinterher, doch dieses Symbol des Sieges nützte ihm nichts: Die 3. Große Strafkammer des Bonner Landgerichts verurteilte den 36-jährigen Georgier am Freitag wegen schweren Raubes, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu neun Jahren Haft.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er am 6. Oktober 2020 an einem brutalen Überfall auf einen Siegburger Uhrenhändler beteiligt war. Ein mitangeklagter 43-Jähriger erhielt „nur“ wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz neun Monate ohne Bewährung; wegen des Raubüberfalls wurde er freigesprochen. Nach Ansicht der Richter war er bei der Tat nicht dabei.
45-Jähriger in Siegburger Uhrengeschäft mit Waffen überfallen
Der überfallene Geschäftsmann arbeitet in der Cecilienstraße in Siegburg als Kfz-Sachverständiger, betreibt aber vor allem einen Online-Handel für gebrauchte teure Uhren. Dafür hat er im Hinterzimmer seines Sachverständigenbüros einen Ausstellungsraum eingerichtet, in dem Uhren, aber auch Luxus-Handtaschen und spezielle Geschenkverpackungen für die exklusive Ware in Vitrinen gezeigt werden.
Gegen 9 Uhr am Morgen des 6. Oktober 2020 klingelte es an der Ladentür, der Inhaber, der gerade mit seiner Frau telefonierte, war für einen Moment unaufmerksam und schloss auf – und wurde sofort mit zwei Faustschlägen gegen den Kopf niedergeschlagen. Ein Mann und eine Frau drangen ein, zwei weitere bewaffnete Männer rückten nach, der eine mit einer Pistole und aufgeschraubtem Schalldämpfer, der andere mit einer Maschinenpistole in der Hand. Er trug keine Maske. Das Gericht ist sicher, dass er der angeklagte 36-Jährige ist.
Die vier Täter fesselten den 45-jährigen Geschäftsmann, schleppten ihn ins Hinterzimmer, wo er gezwungen wurde, zwei Tresore zu öffnen. Die Beute – Uhren, Schmuck, Bargeld, Handtaschen, Geschenkkartons und auch ein Humidor zur Lagerung von Zigarren – warfen die Räuber in ein mitgebrachtes Bettlaken, knoteten es zusammen und verschwanden nach knapp fünf Minuten mit zwei SUVs, einem Peugeot 3008 und einem Audi Q 8, die in einer Seitenstraße gewartet hatten. Der Audi war in Italien geklaut worden, am Steuer habe der 43-Jährige gesessen, so die Staatsanwaltschaft.
Überfall in Siegburg: Polizei überwachte Handys von Verdächtigen
Sie hat außer den Videoaufnahmen aus der Überwachungsanlage des Geschäfts keine weiteren verwertbaren Spuren. Die beiden auffälligen Kraftfahrzeuge sollen schon einen Tag vor dem Überfall in Tatortnähe gesehen worden sein.
Noch während die Ermittlungen in Siegburg laufen, werden am 19. Mai 2021 in der Rochusstraße in Köln-Ossendorf ein Tabakhändler und vier seiner Mitarbeiter von vier bewaffneten osteuropäisch sprechenden Männern überfallen. Sie räumten den Tresor leer und flüchten.
Die Ermittlungsgruppe (EG) „Rochus“ der Kölner Polizei hat bald einige Verdächtige auf dem Schirm, lässt sich von einem Richter die Überwachung ihrer Telefone genehmigen und hört am 14. Juli 2021 das Gespräch zweier Männer mit, die sich über die am gleichen Abend im ZDF ausgestrahlte Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ unterhalten: „Guck dir mal XY an, da geht es um die Sache in Siegburg“, sagt einer.
Überfall: „Aktenzeichen XY“ wurde einem der Täter zum Verhängnis
Die Fahnder der EG zählen eins und eins zusammen, und wenig später wird in Zusammenarbeit mit der Kripo Siegburg der Georgier festgenommen. Auch bei anderen Tätern aus der Rochusstraße klicken die Handschellen, das Kölner Landgericht schickt einen von ihnen für vier Jahre in Haft, die er zunächst in der JVA Aachen absitzt.
Im Verlauf der Hauptverhandlung in Bonn erhält die Kammer nach weiteren abgehörten Gesprächen den Hinweis, dass eine Tätergruppierung um die beiden Angeklagten plane, den in Aachen einsitzenden Gefangenen zu befreien. Daraufhin wird er in ein anderes Gefängnis verlegt, für den Prozess vor dem Landgericht galten fortan verschärfte Sicherheitsbedingungen.
Der 36-Jährige behauptete, er sei bei dem Raub auf den Uhrenhändler gar nicht in Siegburg gewesen, sondern habe in Straßburg gearbeitet. Wo? Bei wem? Wie wurde er bezahlt? Diese Fragen konnten er und sein Anwalt Sebastian Holbeck nicht beantworten. Das Gericht stützte sich in der Beweisaufnahme unter anderem auf die Aussage des Opfers, dass den Georgier erkannt hatte. Er war zudem von Kumpanen aus der „Rochus-Sache“ belastet worden.
Schießkugelschreiber bei Wohnungsdurchsuchung gefunden
Auch die Erklärung des Mannes, er könne nicht der Unmaskierte in dem Überwachungsvideo aus dem Uhrengeschäft sein, weil er eine Gaumenspaltung („Hasenscharte“) und eine durch einen Nasenbeinbruch auffällig große Nase habe, widerlegte die Kammer mit dem Gutachten eines Forensikers, der den Beschuldigten in dem Film identifizierte. Schließlich wurde in seiner Wohnung eine Uhr aus der Beute entdeckt. All das reichte der Kammer.
Dem zweiten Angeklagten dagegen konnten die Richter nicht nachweisen, dass er in Siegburg vor Ort war. Weil bei ihm aber ein Schießkugelschreiber gefunden worden war, bekam der Waffennarr neun Monate ohne Bewährung aufgedrückt.