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MittelalterweihnachtsmarktNeuanfang für den König der Narren in Siegburg

Lesezeit 3 Minuten

Mit der Trommel will Molinarius, bürgerlich Wolfgang Struchtrup, seine Botschaft verkünden.

Siegburg – „Dieses Jahr hat mein neues Leben begonnen, so viel Freude hatte ich noch nie beim Weihnachtsmarkt in Siegburg.“ Molinarius strahlt eine ungeheure Lebensfreude aus. Im vergangenen Jahr hat der nach eigenem Bekunden „dienstälteste Büttel aller Zeiten“ gefehlt. Viele haben ihn vermisst. Er hatte Darmkrebs, ein großer Tumor musste entfernt werden. In nur zweieinhalb Monaten musste er vier Operationen über sich ergehen lassen, bekämpfte erfolgreich den multiresistenten Krankenhauskeim.

Darsteller, keine Schausteller

Auf eine Chemotherapie aber verzichtete er. Stattdessen regelte er alles, was ihn belastete, Gefühlsstress, Differenzen mit Kollegen, Beziehungsdinge. Den Darm bezeichnet er als zweites Gehirn, zuständig für die Gefühlswelt. „Der Ungeist, der mir innegewohnt hat, ist raus“, so Wolfgang Struchtrup, wie der Darsteller im bürgerlichen Leben heißt.

Denn in dieser Differenzierung ist er genau. Die Gaukler, Jongleure, Musiker verstehen sich nicht als Schau-, sondern eben als Darsteller, die in Rollen schlüpfen, um die Anmutung eines mittelalterlichen Marktes so nahe wie möglich erfahrbar zu machen. Seit 1997 ist Molinarius der Büttel, aber schon zum 26. Mal ist er in Siegburg dabei. Vorher hat er Schellenbäume verkauft, als Mitarbeiter des Holzspielzeugmachers. Denn der 65-Jährige ist nicht nur gelernter Industriekaufmann, sondern auch Tischler.

Auf dem mittelalterlichen Weihnachtsmarkt in Siegburg ist der Büttel Molinarius fester Bestandteil.

1989 begann er mit der Darstellerei. „Du hältst die Leute ganz schön zum Narren“, hat ihm sein Chef gesagt. Das hat er sich zu Herzen genommen. „Der Schellenbaum ist wie ein Zepter, der Narr ist die spielerische Seite des Königs, er ist der einzige, der dem Herrscher widersprechen darf.“ Eine Astrologin hatte ihm vorausgesagt, dass er nicht auswandern werde nach Uruguay , wie er es geplant hatte, sondern viele kleine Reisen und viele kleine Abschiede erleben werde. Mit den Märkten und Veranstaltungen der „Kramer Zunft und Kurzweyl“ ist es genauso gekommen.

Den Neuanfang in Siegburg erlebt er jetzt ganz intensiv. „Die Leute sind gut drauf, sie wissen das zu würdigen, den romantischen Sinn, den wir verbreiten wollen. Es ist der schönste Weihnachtsmarkt, den ich je erlebt habe.“ Trotz der Abende und Wochenenden, an denen es richtig voll ist, läuft alles in Ruhe und Geduld. Als Ordnungshüter hat er ein einfaches Leben.

„Das schönste Siegburg aller Zeiten“

Mit seinem Lob hält er sich nicht zurück: „Es ist das schönste Siegburg aller Zeiten. Wir untereinander verstehen uns gut, die Energie ist immer noch vorhanden.“ Das gelte auch am Ende des 30-tägigen Darsteller-Marathons. „Ich verstehe mich heute als streitbarer Geist in der Wüstenei der Lieblosigkeit.“ Das will er in der Zukunft mit den Mitteln „dieser komischen Kanäle Eurer Kumpanei“ verbreiten, „diesem Joutube“. Im „Büttel-TV“ will er tiefgehende Gedanken mit einer Melodei auf seiner Trommel aus seinem Bauernhof senden.

„Als Neutrum im Geist, nicht bezogen auf meine Person, will ich für Bewusstsein sorgen. Die Welt, wie sie ist, verhindert das.“ Anders in Siegburg. „Die Leute hören zu und nehmen Botschaften an. Im hohen Alter kann ich meine eigene Kreativität ausleben.“ Die Handleserin hatte ihm das vorausgesagt. „Du wirst auf deine alten Tage noch glücklich werden, aber du musst noch mal unters Messer“, lautete ihre Prophezeiung. Genau so ist es gekommen.

Viel Zuspruch hat er erfahren, im Krankenhaus genau so wie bei seinem Wiederauftreten in der Kreisstadt: „Siegburg war immer besonders, hier kann ich mich finden.“

Viele Menschen seien auf ihn zugekommen, hätten ihm ihre Wertschätzung deutlich gemacht. Er wird aus dem münsterländischen Oelde wiederkommen, „so Gott will“.