226 Baudenkmale werden im neuen Denkmalpflegeplan der Stadt Siegburg gelistet. Die architektonische Vielfalt ist groß, der Plan liest sich wie ein historischer Stadtführer – und offenbart Konflikte.
226 DenkmaleNeuer Denkmalpflegeplan für Siegburg ist auch ein Stadtführer der besonderen Art
Klein und gemütlich wirkt das kleine Fachwerkhaus an der Mahlgasse, dahinter ragt die verspiegelte Fassade des Kreishauses in die Höhe. Es sind auch solche Kontraste, die einen Spaziergang durch die Kreisstadt nicht langweilig werden lassen, und beide Gebäude werden im neuen Denkmalpflegeplan für Siegburg gewürdigt.
Das Fachwerkkleinod solle hinsichtlich eines möglichen historischen Kerns geprüft werden, das „raumgreifende Kreishaus“, das ab 1973 vom Bonner Architekten Ernst van Dorp geplant und gebaut wurde, sei ein „typischer Verwaltungsbau dieser Zeit“.
Siegburg: Neuer Denkmalpflegeplan listet schützenswerte Architektur auf
274 Seiten umfasst der Plan, dessen Aufstellung im Rat beschlossen wurde. 226 eingetragene Baudenkmale gab es im Juni 2020, und es könnten mehr werden: Neben der „erhaltenswerten Bausubstanz“ sind im Plan auch die Kategorie „möglicherweise erhaltenswerte Bausubstanz“ und „historischer Kern“.
Zudem sind „die Kulturlandschaft prägende“ Gebäude gelistet. „Diese Kategorien zielen darauf ab, auch unterhalb der klar definierten Schwelle des Denkmals das Bewusstsein dafür zu schärfen, was die stadthistorische Substanz Siegburgs ausmacht“, heißt es zur Erklärung.
Konkrete Vorschläge für die Aufnahme in Denkmalschutzliste gibt es für 16 Gebäude, darunter die ehemaligen Phrix-Gebäude Am Turm oder die Kirche St. Mariä Namen in Braschoß. Fachwerkidylle oder eine schmucke Gründerzeitfassade sind bei weitem nicht die einzigen Kriterium für Denkmalwürdigkeit, ganz im Gegenteil. So prägen Beton und spitze Winkel die markante, im Plan als erhaltenswert eingestufte Kirche St. Mariä Empfängnis auf dem Stallberg. 1972 bis 1974 erbaut, löste sie eine Notkirche aus den 1950er Jahren ab.
Verschiedene Stilformen im ganzen Stadtgebiet
Gar der Ära des Brutalismus wird im Plan das Wohnhaus an der Weierstraße 18 zugeschrieben. Der Duktus habe durch das Überstreichen des Sichtbetons allerdings etwas an Qualität verloren, so die Beschreibung. Ebenso erhaltenswert seien auch die Terrassenhäuser an der Kellerswiese in Kaldauen, zudem typisch für die „Spätmoderne der 1960er- und 1970er-Jahre“, die durch „zahlreiche so genannte Neue Wohnformen geprägt gewesen sei. Hausbreite Terrassen mit integrierten Pflanztrögen lösten dabei die Fassaden zu einer „Art hängender Gärten“ auf.
„Insgesamt besteht hier eine zeittypische, gut erhaltene spätmoderne Siedlungsanlage, die mit der gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft des evangelischen Siedlungswerks in Deutschland zudem an das gemeinnützige Siedlungsbauwesen der Zeit (Stichwort Neue Heimat) erinnert“, heißt es dazu.
Gefälliger kommt das bekannte Hotel zum Stern am Markt daher, das der Kölner Architekten Peter Neufert 1966 umbaute. Dieser habe eine „eher konservativ wirkende Gestaltung mit zwei eng gestaffelten Balkonetagen“ realisiert, „die durch die filigranen Brüstungen der Balkone zum Markt eine postmoderne Note erhält“.
Erhaltenswert sind laut Plan auch die dreigeschossigen Wohnbauten für französische Besatzungsoffiziere, die der Siegburger Architekt Wilhelm Heuser an Kemp - und Weierstraße schuf und die mit ihrem gelben Anstrich das Viertel rund um die Kirche St. Anno prägen. „Die Fassaden sind durch Vor- und Rücksprünge gegliedert und repräsentieren zeitgenössisches urbanes Wohnen.“
Denkmalpflegeplan für Siegburg offenbart auch Konflikte
Die Nationalsozialisten sprengten in den letzten Kriegstagen die Ummigsbachbrücke für die damalige Wahnbachtalstraße zwischen Seligenthal und Braschoß/Schneffelrath, bis auf einen kleinen Rest, der im Wald an das Regime erinnert. „Die 1925–27 errichtete Bogenbrücke besaß ursprünglich drei Bögen, von denen noch ein Bogen erhalten ist.“ Und der sollte nach Ansicht der Planer auch erhalten bleiben.
Nachzulesen ist in dem Denkmalpflegeplan auch, wo Denkmalschutz mit aktuellen Vorhaben in Konflikt gerät. Ein Beispiel ist das neue Kaiser-Carré in der Innenstadt: Mit zwei Staffelgeschossen und weiteren fünf Geschossen werde die Höhe des benachbarten Kaufhofs erreicht. „Wirkt dieser bereits als Maßstabssprenger an der historischen Nahtstelle zwischen historischer Altstadt und Erweiterung des 19. Jahrhunderts (an der heutigen Kaiserstraße), so verstärkt und verfestigt das Kaiser Carré diesen Maßstabssprung“, vermerkt der Plan kritisch.
Kenntnisreich mit Ausführungen zu Stadtentwicklung und Geschichte versehen, empfiehlt sich der Plan auch als Stadtführer der besonderen Art. Der städtischen Pressestelle zufolge wird er in Kürze auf der Homepage der Kreisstadt öffentlich einsehbar sein.