Ein Vorfall nach dem Siegburger Stadtfest beschäftigt die Justiz. Ein Mann soll den Hitlergruß gezeigt haben, will sich aber an nichts erinnern.
„Geschichtlich interessiert“Siegburger zeigt Hitlergruß am Busbahnhof
Beinahe hätte Amtsrichter Herbert Prümper den Beteuerungen des 55-Jährigen Glauben geschenkt. Mit rechter Gesinnung will der gelernte Schlosser nichts zu tun haben. Warum er am Siegburger Busbahnhof Polizisten den Hitlergruß zeigte und „Der Führer lebt“ rief, das könne nur auf seinen Alkoholgenuss plus Medikamente zurückzuführen sein. Der Mix habe zudem zu einem „Filmriss“ geführt, sagte der Angeklagte.
Erst nach Stunden in der Ausnüchterungszelle habe er wieder klar denken können. Am Morgen des 25. August habe er ein Antidepressivum genommen, schilderte der Frührentner, der 500 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht und seit Jahren in psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung ist.
Busfahrer warf den Angeklagten am Siegburger Bahnhof raus
Dann becherte er reichlich auf dem Siegburger Stadtfest, pöbelte auf dem Heimweg Fahrgäste im Bus an und flog raus. Der Fahrer alarmierte die Polizei, der Alcotest ergab 2,8 Promille.
Der Richter wollte das Verfahren schon wegen Geringfügigkeit und vermutlich verminderter Schuldfähigkeit einstellen, doch der Vertreter der Staatsanwaltschaft sprach sich dafür aus, die Zeugen zu hören. Denn in seinen Unterlagen tauche die Alkoholisierung nicht auf. Auch über die Vorkommnisse aus der Vergangenheit war er nicht im Bilde.
55-Jähriger beteuerte, nur noch „Nationalist“ zu sein
Der 55-Jährige hatte nicht zum ersten Mal mit verfassungsfeindlichen Symbolen in der Öffentlichkeit provoziert. 2022 bekannte er sich gegenüber der Polizei, Nationalsozialist zu sein, und schrie antisemitische Parolen, so steht es in den Akten, aus denen der Richter vorlas. „Ich hatte mal eine solche Gesinnung“, räumte der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein, „war Skinhead und auch Nazi“.
Doch heute sei er nur noch „Nationalist“. Und sein Bier trinke er bevorzugt bei Ausländern, habe auch ausländische Freunde. Er sei „geschichtlich interessiert“, das andere habe er „sich abgewöhnt“. Auch auf Bitten seiner 91-jährigen Mutter.
Nur wenn er trinke, dann rutsche ihm das eine oder andere offensichtlich heraus. Erinnern an den Vorfall, der gegen 18 Uhr geschah, könne er sich nicht. Doch der Alcotest gegen 19 Uhr war ihm noch präsent, auch, dass ihm keine Blutprobe abgenommen wurde.
Ein Gutachter soll nun die Frage der Schuldfähigkeit beleuchten und die mögliche Wechselwirkung bestimmter Tabletten mit Alkohol. Der Prozess wird fortgesetzt.