Prozess gegen GeldbotinSchockanruf-Betrüger geben sich in Siegburg als Arzt und Assistentin aus

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Seniorin mit Telefon

Beim so genannten Enkeltrick sind Senioren die Zielscheibe von Betrügern. Im Siegburger Fall gab sich ein Krimineller am Telefon als Arzt aus. (Symbolbild)

Ein Siegburger Seniorenpaar sollte 30.000 Euro übergeben. Die Helferin wurde gefasst und nun verurteilt.

Der Anruf des unbekannten Arztes klang alarmierend. Der Sohn brauche dringend Medikamente für 30.000 Euro, sonst werde er sterben. „Ich habe es anfangs geglaubt“, schilderte das betagte Betrugsopfer im Zeugenstand vor dem Schöffengericht in Siegburg. Dort musste sich die angebliche Assistentin des Arztes, die am 25. Oktober vergangenen Jahres in Siegburg als Geldbotin fungierte, verantworten.

Der 82-Jährige, der sich nur mühsam mit Gehstock fortbewegen kann, fiel aber nicht auf den Trick herein. Er ignorierte die Aufforderung des falschen Mediziners, auf keinen Fall mit seiner Gattin zu sprechen, diese würde sich sonst zu sehr ängstigen. „Ich ging heimlich nach oben, sprach mit meiner Frau.“ Diese rief vom zweiten Apparat zunächst die Schwiegertochter an, die das Paar beruhigte: Es sei alles ok.   

Der Senior aus Siegburg bot dem falschen Arzt 13.000 Euro an, die Botin wurde bei der Übergabe gefasst

Dann alarmierte man die Polizei, die blitzschnell eintraf und über die Terrasse ins Haus kam. Da telefonierte der Senior immer noch mit dem Betrüger. Zwischenzeitlich hatte schon die angebliche Assistentin des Arztes  an der Haustür geklingelt, wollte das Bargeld abholen. 13.000 Euro hatte der Senior angeboten, mehr habe er nicht. Als er die Frau vor der Tür fotografieren wollte, drehte sie sich um und ging weg.

Aus dem freudigen Hallo wurde ein Ach, herrje
Sirgburger Polizistin schildert die Begegnung mit der angeblichen Arzt-Assistentin vor der Haustür der Opfer

Später kam sie zurück, um die Geldübergabe doch noch zum Abschluss zu bringen. Die Polizistin rannte ums Haus herum, um ihr den Weg abzuschneiden. Die Angeklagte habe sie zunächst offenbar für ein Familienmitglied gehalten und den Arm zum Gruß gehoben. Als sie die dunkle Polizeiweste erkannte, sei aus dem freudigen „Hallo“ ein „Ach, herrje“ geworden, schilderte die 49-jährige Beamtin im Zeugenstand.

Vor Gericht räumte die 41-Jährige die Tat ein. Sie habe geahnt, dass da etwas nicht stimme, erklärte ihre Strafverteidigerin für sie. Aber sie habe das Geld gebraucht, weil sie ihrem Ex-Lebenspartner, dem Vater ihrer drei Kinder, noch etwas schuldete. 1000 Euro sollten ihr  Lohn sein.

Betrügerin wollte vor dem Siegburger Gericht keine Namen von Komplizen nennen

Die in Hannover geborene und aufgewachsene Frau war aus Polen, wo sie heute lebt, mit dem Reisebus nach Siegburg gekommen. Den Auftrag für den Betrug habe sie bei einer Beerdigung eines Onkels in Breslau von einer entfernten Cousine  erhalten. Diese „Mona“ habe davon gesprochen, dass sie Geld aus einem Pkw-Verkauf eintreiben solle und ihr ein Handy mitgegeben. Den Nachnamen wollte die Angeklagte dem Gericht nicht mitteilen. Weitere Komplizen kenne sie nicht.

Ihr Strafregister weist zwei einschlägige Eintragungen aus, 2009 erhielt sie wegen Betrugs in der Schweiz eine Geldstrafe, 2013 in Freiburg wegen Bandesbetrugs eine Freiheitsstrafe zur Bewährung. Weil diese Verurteilungen sehr lange her sind und die Frau nach eigenen Angaben in Posen einen festen Job als Reinigungskraft und zwei minderjährige Kinder zu betreuen hat, verhängte das Schöffengericht eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten wegen schweren versuchten Betrugs.  

Aus Versehen haben Sie die Falschen erwischt. Das war ein Glück für die Opfer
Herbert Prümper, Vorsitzender Richter im Siegburger Enkeltrick-Prozess

Die Staatsanwaltschaft hatte auf zwei Jahre plädiert; die Verteidigung auf ein Jahr, der Tatbeitrag sei nur als Beihilfe zu bewerten. Strafmildernd habe sich ihr Teilgeständnis ausgewirkt, so der Vorsitzende Richter Herbert Prümper. Und dass sie sich in Siegburg dem Verfahren stellte. 

Strafschärfend wertete das Gericht, dass als Betrugsopfer gezielt ältere Leute ausgesucht worden waren. Diese gehörten wie Kinder und Menschen mit Behinderung zu einer besonders vulnerablen Geschädigtengruppe. „Aus Versehen haben Sie nur die Falschen erwischt, das war ein Glück für die Opfer“, sagte Prümper. Nicht für die Täterin. 

Die Bewährungszeit ist mit fünf Jahren ungewöhnlich lang, die DNA der Angeklagten wird in der bundesweiten Datei gespeichert. Eine Geldauflage, wie sie die Staatsanwaltschaft forderte, wollte der Richter nicht verhängen. Werde die Buße nicht gezahlt, könne das Gericht im Ausland kaum nachverfolgen, ob es dafür gute Gründe gebe, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit.    

Auf das Bargeld, das die Frau bei sich hatte bei der Festnahme in Siegburg, werde sie verzichten, sagte ihre Anwältin, auch wenn die 2263,45 Euro nicht aus einer Straftat stammten. Die Kaution von 7500 Euro bekommt die Angeklagte hingegen zurück. Sie war nach einem Tag Freiheitsentzug in Siegburg von der Haft verschont worden.

Das ältere Ehepaar verfolgte den Prozess sichtlich zufrieden. Sie hätten den Vorfall gut verarbeitet, sagte der Senior. „Wir haben uns nur gefragt, warum gerade wir ausgewählt wurden.“

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