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PremiereSiegburger Studiobühne schickt „Nachrichten ans All“

Lesezeit 3 Minuten
Drei Männer in weißen Bademänteln und mit dunklen Brillen liegen auf einer Theaterbühne.

Zum Anfang ist die Stimmung bei „Einige Nachrichten an das All“ noch aufgeräumt

Autor und Ensemble muten ihrem Publikum einen sehr intensiven Theaterabend zu, an dem sich aber jede Minute lohnt.

Man muss sie einfach mögen: Purl (Diego Correia) und Lum (Michael Schneider), zwei „schwule Mutanten“, wie Wolfram Lotz die Protagonisten seines Stücks „Einige Nachrichten an das All“ getauft hat. In der Inszenierung der Studiobühne Siegburg sind sie mit weißen Bademänteln, Gummilatschen und Designer-Sonnenbrillen ausstaffiert. Ihr unerfüllter Kinderwunsch ist einer der roten Fäden, die durch diesen bemerkenswerten Theaterabend führen, bei dem man sich fragt, ob aus den Worten des verliebten Pärchens tiefste Weisheit oder unendliche Einfalt spricht.

Inszenierung in Siegburg nimmt auch Talkshows aufs Korn

Das ist nicht ganz unwichtig, denn in dem Stück geht es um eine obskure Maschine, die die titelgebenden „Nachrichten an das All“ senden soll; Nachrichten voller Relevanz und Tiefe, aber keinesfalls länger als ein Wort. Das gibt jedenfalls die dafür verantwortliche „Leiterin des Fortgangs“ (herrlich schmierig: Pauline Lotz) vor, während sie im Stile einer überdrehten Talkshow-Moderatorin fordert: „Nur keine Leere zulassen!“.

Eine Frau mit rotem Schal und ein Mann im blauen Gehrock in einer Theaterszene.

Die „Leiterin des Fortgangs“ (Pauline Lotz) hofft auf große Worte von Heinrich von Kleist (Luca Schmitz)

Schon schade, dass sie dabei stets an die Falschen gerät. Wie zum Beispiel an die dicke Frau (nackig in Fatsuit: Miriam Bürger), die einst an der Talkshow „Britt“ zum Thema Dicke teilgenommen hat und alleine angesichts dieser beeindruckenden Biografie ihr Statement ans All abgeben darf. Dazu kommt es aber nicht, denn sie muss bekennen, dass sie aus der fertigen Sendung rausgeschnitten wurde. Voller Verständnis nimmt sie ihren Rückfall in die Bedeutungslosigkeit hin.

Besser läuft es beim längst verstorbenen Forscher Rafinesque (Christoph Wolff), der von der Moderatorin zwar als Fälscher und Muttersöhnchen überführt wird, aber immerhin die Sprechmaschine noch mit dem Ausruf „Mutter!“ füttern darf. Wolff ist in dem Stück auch alleinerziehender, trauernder Vater der tödlich verunglückten Hilda (ebenfalls Miriam Bürger) gefordert – und das in klatschnassen Klamotten. Hinter all dem steht der Schatten eines maskierten, gehörnten Unholds (Vivienne Hoffmann), der in Erscheinung tritt, wenn alles verloren ist.

In Siegburg kommen bittere Wahrheiten und dystopische Zukunftsvisionen auf die Bühne

Wie hochtourig Autor Lotz dreht, zeigt sich daran, dass er die Sozialpolitikerin Andrea Nahles (auch Vivienne Hoffmann) auftreten lässt, die erst bittere Wahrheiten („Die Rente ist nicht sicher“) und dann dystopische Zukunftsvisionen verkündet. Auch Heinrich von Kleist (Luca Schmitz) als stotternd zickiger Griesgram darf nicht fehlen, der sich lange, aber letztlich vergebens der Sprechmaschine verweigert.

Man merkt, dass Wolfram Lotz von der Lyrik kommt, in diesem Stück wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt und neu sortiert. Auch wenn die Handlung arg pessimistisch anmutet, so dominiert ein trockener, absurder Humor, der vor allem aufgrund des Timings und der Präzision des exzellent aufgelegten Ensembles funktioniert. So gelingt es den jungen Darstellern vortrefflich, dieses schräge Figuren-Panoptikum zu beleben. Am Ende fügt Wolfram Lotz die roten Fäden der Handlung zu einer bittersüßen Pointe zusammen.

Das Ensemble gestaltet einen intensiven Theaterabend

Die Studiobühne mutet ihren Besuchern einen sehr intensiven Theaterabend zu, an dem sich aber jede Minute lohnt. Das Premierenpublikum dankte mit langanhaltendem Applaus. Regisseurin Jennifer Peterson hält „Einige Nachrichten an das All“ für ihre bislang stärkste Inszenierung. Da könnte etwas dran sein.

Nächste Aufführungen am 13. und 27. November, jeweils 19.30 Uhr