20 ehrenamtliche Kräfte bieten im Haus zum Winter Begegnung und Gespräch und fühlen sich vom Erzbistum im Stich gelassen.
Mietvertrag gekündigtSiegburger Treffpunkt am Markt steht vor dem Aus
„Wir haben Zeit für Sie zum Gespräch“, unter dem Motto laden 20 Ehrenamtler in den Treffpunkt am Markt. Doch damit soll es bald vorbei sein: Der Mietvertrag für das Haus zum Winter, Siegburgs ältestes aus Stein gebautes Haus, musste gekündigt werden. „Ich bin wahnsinnig enttäuscht“, sagt Monika Laska, die vor 20 Jahren zum Gründerteam des Treffs, einer Einrichtung der katholischen Kirche, gehört. Bis 2023 gab es eine verlässliche Finanzierung duch das Erzbistum, zwei Jahre konnten überbrückt werden, durch Rücklagen und Sponsoren.
Laska betont, dass der Treffpunkt eine „stadtpastorale“ Einrichtung ist, für Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer von den Angeboten der Pfarrgemeinde nicht angesprochen fühlen. Menschen könnten über Sorgen und Nöte wie Konflikte, Überforderung, Krankheit, Trauer, Schuld, Einsamkeit, Ängste oder auch die Suche nach Gott sprechen und auf Hilfsangebote aufmerksam gemacht werden, auch außerhalb kirchlicher Einrichtungen. Im Schnitt werde das monatlich etwa 130-mal angenommen. „Für seine Besucher ist der Treffpunkt eine Anlaufstelle mit Herz, Zeit und Interesse am Menschen.“
Niederschwellige Seelsorge mitten in Siegburg
In anderen Städten werde der Wert einer „niederschwelligen Seelsorge“ erkannt, in Köln etwa mit dem Domtreff. „Diese wohlwollende, einfache Zuwendung zum Menschen ist eine Antwort der Kirche auf die Entwicklung der Gesellschaft in der Postmoderne“, findet Laska. Das Kreisdekanat Rhein-Sieg und die Kirchengemeinde Sankt Servatius in Siegburg sähen sich außerstande, den Treffpunkt zu tragen. Laska geht davon aus, dass die Schließung dem Image der Kirche schaden wird. „Das ist eine Institution, die nur noch um sich kreist.“
Vor zwei Jahren waren die Perspektiven nicht ganz so düster. „Mit Interesse und Freude habe ich die Aktivitäten wahrgenommen, auch die Tatsache, dass das Bildungswerk über die Veranstaltungsbezuschussung unterstützen konnte“, schrieb der zuständige Fachbereichsleiter beim Generalvikariat als Reaktion auf den Tätigkeitsbericht 2023.
Eine Anschlussförderung aus Mitteln der Citypastoral sei indes nicht möglich. „Der Etat der Citypastoral, der durch meinen Fachbereich verwaltet wird, steht unter den Kürzungsanforderungen des Erzbistums und ist sehr spezifisch festgelegt. Hier findet eine Konzentration auf einige wenige citypastorale Standorte in den urbanen Zentren unseres Erzbistums statt.“
Andere Möglichkeiten der jährlichen Förderung stünden nicht zur Verfügung. Der Veranstaltungsbereich solle aber handlungsfähig bleiben. Eine Chance liege möglicherweise darin, „den Treffpunkt am Markt im Rahmen der örtlichen Pastoralplanung zu verorten und in neuer Weise finanziell abzusichern“. Das Schreiben liegt der Redaktion vor.
„Wir sind eben nur eine Mittelstadt“, so der Leiter Klaus Kiesow. Dabei würde er am liebsten das Angebot noch erweitern und eine hauptamtliche Kraft einstellen, wenigstens in Teilzeit. Mit Blick aufs Begegnungs- und Gesprächsangebote betont er: „Es brennt in dieser Richtung.“ Er und Monika Laska könnten sich auch Zuhörräume vorstellen, wie es sie in München mit dem Projekt Momo hört zu oder in einem Berliner U-Bahn-Kiosk gibt.
Trotz Kündigung neue Angebote aufgelegt
In den urgemütlichen Räumen des Treffpunkts liegen Bücher, Briefkarten und Kleindevotionalien sowie Flyer zu verschiedenen kommunalen, kirchlichen und kulturellen Angeboten. An Aschermittwoch gibt es in Kooperation mit der Pfarrgemeinde die Aktion „Aschenkreuz to go“, am Nikolaustag verschenken die Mitarbeitenden Schokoladen-Nikoläuse und Äpfel an Kinder. Seit drei Jahren finden vierzehntägig Treffen von zwei Gruppen statt, in denen sich alleinlebende Frauen und Männern austauschen können.
Aufgesteckt wir trotz der Kündigung nicht: Ab Februar 2025 wird eine psychologische Fachkraft einmal pro Woche ein unentgeltliches Beratungsangebot für Menschen machen, die sich in einer kritischen Lebensphase befinden. Ab April 2025 findet einmal ein Erinnerungscafé statt, Frauen ab 60 Jahren sind eingeladen, Erlebnisse und Erfahrungen aus dem eigenen Leben zu teilen und zu reflektieren. In loser Folge lädt der Treffpunkt zu Vorträgen und Lesungen und Straßenaktionen.
Jede Woche wird ein Zitat einer bekannten Persönlichkeit im Fenster ausgehängt. Derzeit eines von Erich Fromm: „Wenn das Leben keine Vision hat, nach der man strebt, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, sich anzustrengen.“ Monika Laska sagt ganz in diesem Sinne: „Es ist die Idee, die überzeugt. Sie darf auch in Siegburg nicht untergehen.“ Das Erzbistum nahm bislang auf Anfrage der Redaktion keine Stellung.
Der Treffpunkt am Markt ist montags von 11 bis 17 Uhr und dienstags bis samstags von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Weitere Informationen im Internet.