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Siegburger „Radhaus“Fahrräder für Frauenhäuser in Rhein-Sieg und Bonn

Lesezeit 4 Minuten
Vier Frauen stehen neben zwischen mehreren Fahrrädern und schauen fröhlich.

Barbara König (Geschäftsführerin der AWO Bonn/ Rhein-Sieg) übergibt die Fahrräder an Vertreterinnen der Frauenhäuser: Hier Corinna Förster und Claudia Pütz (Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises in Sankt Augustin) und Jana Bach (Autonomes Frauen- und Kinderschutzhaus Troisdorf).

Schutzsuchenden Frauen Autonomie ermöglichen: Der Fahrradladen der Awo spendet Räder an die vier Frauenhäuser im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn.

„Alle vier Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner - jeden zweiten Tag stirbt eine Frau dadurch“, sagt Jana Bach. Sie leitet das Autonome Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf. Häuser wie dieses sind Zulaufstellen für Frauen und ihre Kinder, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind. Im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn gibt es vier solcher Frauenhäuser. Alle sind chronisch überlastet, wie Bach und ihre Kolleginnen berichten.

Sobald auf ihrer Webseite freie Plätze deutlich gemacht werden, klingele ihr Telefon mehrfach innerhalb weniger Minuten, sagt Jana Bach. Anrufe in akuten Notsituationen haben sich in jüngster Zeit gehäuft: „Eine Frau rief an, als sie ausgesperrt auf dem Balkon war, eine hatte sich im Badezimmer eingeschlossen, und eine sagte, sie müsse leise sprechen und man könne sie auf keinen Fall zurückrufen, da ihr Partner das nicht mitbekommen dürfe. Alles an einem Tag.“

Sobald in einem Frauenhaus ein Platz für sie frei ist, müssen gewaltbetroffene Frauen ihr Zuhause meist schnell und unauffällig verlassen. So hätten sie nur die nötigsten Dinge bei sich, sagt Jana Bach: „An die Mitnahme von Fahrrädern ist dann nicht zu denken, falls die Frauen solche besessen haben.“ 35 Räder hat der Siegburger Fahrradladen „Radhaus“ der Awo jetzt an die vier Frauenhäuser der Region gespendet. Das Ziel: den schutzsuchenden Frauen und Kindern mehr Autonomie zu ermöglichen.

Fahrräder ermöglichen schutzsuchenden Frauen Unabhängigkeit

„Für uns ist diese Aktion grandios, da unser Frauenhaus so ab vom Schuss ist“, sagt Claudia Pütz vom Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises Sankt Augustin, „der Bus fährt dort nur einmal die Stunde oder gar nicht - da ist die Hürde groß, das Haus zu verlassen.“ Durch die Spendenaktion des Radhauses könne das Frauenhaus nun Leihfahrräder zur Verfügung stellen, sagt Pütz.

Zwölf Frauen und Männer stehen in einem Innenhof zwischen zahlreichen Fahrrädern, im Vordergrund zwei Kinderräder.

Vertreterinnen der vier Frauenhäuser im Rhein-Sieg-Kreis und Bonn mit AWO-Geschäftsführerin Barbara König (ganz links) und Andreas Rolffs vom „Radhaus“ (ganz rechts).

„Für die Frauen erschließen sich damit jetzt auch gemeinsame Ausflüge mit ihren Kindern in die Region“, ergänzt Corinna Förster vom Sankt Augustiner Frauenhaus. Herauszukommen und sich selbstständig und frei bewegen zu können, sei auch förderlich für die körperliche und mentale Gesundheit der Frauen.

Die Möglichkeit zur Unabhängigkeit gibt Selbstbewusstsein.
Jana Bach, Autonomes Frauen- und Kinderschutzhaus Troisdorf

Andreas Rolffs, der das „Radhaus“ seit 15 Jahren leitet, betont, er könne sich vorstellen, dass das nicht die letzte Spende an Frauenhäuser sei. „Für Reparaturen sind wir durchaus ansprechbar und werden das auch gerne nochmal tun, wenn wir die Kapazitäten haben“, sagt Rolffs.

Ein Mann hebt ein rosafarbenes Kinderfahrrad hoch, im Hintergrund sind weitere Fahrräder zu sehen.

Andreas Rolffs, Leiter des Fahrradladens „Radhaus“, mit einem Kinderfahrrad.

Im „Radhaus“ arbeiten zum Großteil Menschen mit psychischer Erkrankung, die gespendete Räder instandsetzen. Unter den 35 Fahrrädern, die das Team für die Frauenhäuser reparieren konnte, sind sowohl Damen- als auch Jugend- und Kinderräder.

Troisdorf: 2023 konnten mehr als 400 gewaltbetroffene Frauen und Kinder nicht aufgenommen werden

Insgesamt 22 Plätze für gewaltbetroffene Frauen und 34 Plätze für deren Kinder gibt es in den beiden Frauenhäusern des Rhein-Sieg-Kreises. In den Bonner Frauenhäusern sind es 25 Plätze für Frauen und 26 für Kinder. Laut der Istanbul-Konvention, die Mindestzahlen für solche Schutzräume gemessen an Einwohnerzahlen vorsieht, fehlten in der gesamten Region Bonn und Rhein-Sieg 135 Plätze in Frauenhäusern, sagt Jana Bach.

Allein in Troisdorf habe man im Jahr 2023 weit mehr als 400 gewaltbetroffene Frauen und Kinder nicht aufnehmen können. Das liege auch, aber nicht nur an zu wenigen Plätzen in den Frauenhäusern: „Wenn zum Beispiel eine große Wohnung für eine Familie frei wird, können wir keine alleinstehende Frau aufnehmen, weil die Gelder dafür nicht vorgesehen sind“, schildert Bach.

Wir teilen das Unverständnis der Frauenhäuser, da es eine glasklare Richtlinie an Bedarfen durch die Istanbul-Konvention gibt.
Barbara König, AWO Bonn/Rhein-Sieg

Durch den angespannten Wohnungsmarkt verstärke sich der Mangel an Frauenhausplätzen, da die Frauen dort länger bleiben müssten, erklärt Jana Bach: „Wenn Frauen im Jobcenterbezug sind, da sie zum Beispiel wegen kleinen Kindern nicht arbeiten können, ist es fast unmöglich für sie, eine Wohnung zu finden.“ Frauen mit Behinderung seien besonders stark von Wohnungsnot betroffen, da es kaum barrierefreie bezahlbare Wohnungen gebe.

Eine junge Frau in Daunenjacke sitzt lächelnd auf einem Fahrrad.

Navina Reichardt von der Hilfe für Frauen in Not - Frauenhaus Bonn fährt eine Testrunde.

Barbara König, Geschäftsführerin der Awo im Kreisverband Bonn/ Rhein-Sieg, betont: „Wir teilen das Unverständnis der Frauenhäuser, da es eine glasklare Richtlinie an Bedarfen durch die Istanbul-Konvention gibt und der Staat diese Prämissen unterschrieben hat.“ Sowohl in Bonn als auch in Rhein-Sieg seien keine positiven Entwicklungen absehbar, was die Erweiterung von Frauenhausplätzen angehe.

Alle Vertreterinnen der vier Frauenhäuser hatten auf die Verabschiedung des bundesweiten Gewalthilfegesetzes gehofft, das mehr Frauenhausplätze und Beratungsangebote vorsehen sollte. Maike Sommer vom Autonomen Frauenhaus Bonn beklagt: „Es ist sehr tragisch, dass das Gewalthilfegesetz zwischen parteipolitischen und wahlkampftaktischen Dingen zerrieben wird und die Sicherheit von Frauen nicht im Fokus steht.“


In akuten Fällen ist der Notruf der Polizei unter 110 zu erreichen. Das Hilfetelefon für Frauen hat die bundesweit einheitliche Rufnummer 116016.

Frauenhäuser in Rhein-Sieg: Das Autonome Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf ist erreichbar unter 0224/ 3226360, das Frauenhaus des Rhein-Sieg-Kreises in Sankt Augustin unter 02241/ 330194.

Frauenhäuser in Bonn: Das Autonome Frauenhaus Bonn ist rund um die Uhr unter 0228/ 635369 erreichbar. Die Telefonnummer der Hilfe für Frauen in Not - Frauenhaus Bonn ist 0228/ 232434.