Rund um den Brauhof zeichnet sich eine ganze Serie von Schließungen ab. Welche Händler aufgeben – und warum sie in der Kreisstadt keine Zukunft mehr sehen.
„Stadt ist im freien Fall“Siegburger Einzelhändler geben nach dem Kaufhof-Aus reihenweise auf
Was viele Siegburger befürchtet hatten, wurde am Morgen des 15. Januar 2024 wahr: Die Türen des Kaufhofs blieben, nach langen Monaten des Zitterns, Bangens und Hoffens, geschlossen. Bitter, insbesondere für die Belegschaft. Umso besorgniserregender sind Geschäftsschließungen in der Innenstadt, wie das Ende des Bastelladens an der Kaiserstraße oder die Schließung des Schuhhauses Landgraf, die für das Jahresende angekündigt wurde.
Eine ganze Serie zeichnet sich rund um den Brauhof ab: Dort geben im Lauf des Jahres das Geschäft „Liebe Dinge“, der Edelsteinspezialist Alfred Kehren, das Textiliengeschäft von Werner Sommer und die Boutique Vero Moda auf. Auch Edel & Kühn, ein Geschäft für Damenmoden zur Holzgasse hin, zeigt in den Schaufenstern die Geschäftsaufgabe im August an.
„Siegburg ist in freiem Fall“
„Ich hätte gern weitergemacht“, sagt Alfred Kehren, der sein Geschäft am Brauhof in 18 Jahren zu einem ganz besonderen Kleinod gemacht hat, mit wertvollen ungefassten Preziosen, aber auch zu Schmuck gearbeiteten Edelsteinen. Neuware wie auch wertvolle antike Stücke sind im Angebot.
An den Wänden hängt eine ganze Galerie kleiner historischer Porträts, antike Möbel vervollständigen das Ambiente. Der Bonner sieht sein Geschäft auch als Wohnzimmer, doch vor der Tür ist immer weniger Leben. „Siegburg ist im freien Fall und noch nicht unten angekommen“, lautet seine bittere Analyse.
Kunden, die früher gekommen seien, hätten sich enttäuscht von Siegburg abgewandt. Was fehle, seien mehr gute Restaurants und ein großer Herrenausstatter. „Und dann sind die auch noch so blöd, das Parken teurer zu machen.“
Die Brauhof-Galerie sei damals die schönste in der Stadt gewesen, Siegburg überhaupt „traumhaft“. Aber man hätte mehr aus dem Platz am Brauhof machen können, findet Kehren, insbesondere zur Weihnachtszeit. Heute sei ihm ein Ende mit Schrecken lieber als ein Schrecken ohne Ende - und auf das Weihnachtsgeschäft 2024 setze er keine Hoffnungen mehr. Im September will der 65-Jährige endgültig aufhören.
„Die Leute sind völlig verunsichert“
Gleich nebenan fasst auch Sabine Voll den letzten Tag in ihrem Geschäft für Wohnaccessoires „Liebe Dinge“ ins Auge. Für sie ist es die Endstation einer Odyssee: 2008 hatte sie mit ihrem Mann Karl Heinz an der Scheerengasse eröffnet, von dort ging es an die Holzgasse, dann in das alte Kelterhaus in Hennef-Stein und schließlich an den Brauhof.
Eigentlich sollte ihre Tochter das Geschäft weiterführen, „aber davon könnte sie nicht leben“, bedauert die 68-Jährige. Schon seit Jahren kauften Kunden im Internet, die Corona-Pandemie und jetzt der Ukraine-Krieg hätten die Situation verschärft. „Die Leute sind völlig verunsichert.“ Die Stadt tue zu wenig gegen die Entwicklungen, auch ihrer Ansicht nach sind die Parkgebühren zu hoch. Sie fürchtet, Siegburg könne zu einer „Geisterstadt“ werden.
Nach Königswinter an die Hauptstraße 415 zieht Werner Sauer mit seinem Geschäft für Heimtextilien und Deko-Artikel, das er sechs Jahre an der Brauhof-Galerie führte. „Die Geschäfte machen alle zu“, sagt Vater Klaus, der mit seinen 84 Jahren immer noch im Verkauf mitanpackt, und die Arbeit eigentlich schätzt: Mit den meisten Kundinnen und Kunden sei er per Du. Aber: „Der Kaufhof zieht nicht mehr.“
Noch im Januar 2023 hatten sich die beiden an die Redaktion gewandt, als sie sich über verdreckte und vermüllte Nebeneingänge beim Nachbarn C&A ärgerten. Das sei zwar besser geworden, aber dennoch ist Klaus Sauer die Sauberkeit ein Dorn im Auge: Büroangestellte fänden nichts dabei, einfach ihre Kippen auf den Boden zu schnippen.
„Den Leuten fehlt der Grund, nach Siegburg zu fahren“
Auch Tara von Ancken, Filialleiterin von Vero Moda, nennt für die anstehende Schließung zum 31. Mai durch die Corona-Pandemie gesunkene Umsätze und das Ende von Kaufhof: „Den Leuten fehlt einfach der Grund, nach Siegburg zu fahren.“ Sie selbst führte vor einigen Jahren einen Teeladen in der Brauhof-Galerie.
„Es geht immer rauf und runter“, sagt Optiker Herbert Hilbich, der sein Geschäft an der Ecke Kaiserstraße/Brauhof-Galerie führt. In der Passage selbst gehört ihm eine ganze Reihe von Objekten, auch die von Kehren, Voll und Sauer. Dass der Einzelhandel tot ist, glaubt er aber nicht, und seine Hausverwaltung habe bislang immer noch Nachmieter gefunden.
Der 75-Jährige denkt jedenfalls nicht ans Aufhören. Bei der Eröffnung 1989 gehörte er zu den Investoren der Brauhof-Galerie, die bei der Gestaltung großen Wert auf gediegene Baumaterialien gelegt hätten - und das habe sich ausgezahlt, wie man heute noch sehen könne.
Gefragt ist ein Alleinstellungsmerkmal
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien aber derzeit nicht gut, dass der Kaufhof geschlossen habe, eine Schande. Gespannt sei er, wer im Kaiser-Carré noch als Magnet kommen soll. „Wir leiden alle unter der allgemeinen Kaufzurückhaltung“, beobachtet er zudem. Wer heute ein Geschäft eröffnen wolle, müsse sich genau überlegen, wo er ein Alleinstellungsmerkmal hat.