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StudiobühneVolles Haus im ehemaligen Kaufhof in Siegburg

Lesezeit 3 Minuten
Die Schauspielschule der Studiobühne spielte im Kaufhof in Siegburg

Die Schauspielschule der Studiobühne spielte im Kaufhof in Siegburg

Die Schauspielschule feierte Premiere mit „Die Nacht so groß wie wir“ im ehemaligen Kaufhof.

Wo vor einem Jahr noch Fernseher, Handys und Waschmaschinen verkauft wurden, wird nun Theater gespielt. Die Studiobühne Siegburg hat sich seit einigen Wochen in der ehemaligen Saturnetage des Kaufhofs niedergelassen. Und Studiobühne-Leiter René Böttcher, der mit seinem Theater schon lange nach einer neuen Niederlassung suchte, könnte gar nicht glücklicher sein: „Es läuft. Wir haben volles Haus!“

Tatsächlich musste Böttcher noch schnell Stühle organisieren, dass auch wirklich alle Besucher einen Platz bekamen, als die Premiere von „Die Nacht so groß wie wir“ gefeiert wurde.

Theater im Kaufhof: Stück bewegte zwischen Partystimmung und Ernsthaftigkeit

Regisseurin Cynthia Oblas inszenierte das Bühnenstück, das auf dem gleichnamigen Roman von Sarah Jäger basiert. Sie orientierte sich an der Bühnenfassung von aus Düsseldorf. Eine Freundesgruppe aus fünf Jugendlichen sieht sich nach ihrem Abitur vor der Herausforderung, den Absprung in die Erwachsenenwelt zu schaffen. Der Clou: Die fünf Rollen sind jeweils doppelt besetzt, jede Figur wird von zwei Schauspielern verkörpert.

„Beim ersten Lesen hab ich gedacht: Das ist ja unfassbar kompliziert“, erzählt Oblas, die trotzdem auf Anhieb an dem Stoff interessiert war. Immerhin biete dieses Prinzip kreative Ausdrucksmöglichkeiten. Zudem falle die Assoziation leichter, mit sich selbst im Zwiespalt zu sein, mehrere Persönlichkeiten in sich zu tragen.

Zwei Schauspielerinnen in einem schwarzen Raum, in dem hinten eine weiße Wand mit Tür ist. Eine Frau trägt eine weiße Maske, eine liegt auf dem Boden.

Nur eine Tür in einer beweglichen weißen Wand war als Kulisse nötig.

Der radikale Absprung ins Erwachsenenleben begann direkt bei der Zeugnisvergabe. So spotteten die Schüler auf der Abschlussfeier über ihre Lehrer, die „alten Leute“, deren Leben bald vorbei sei, während ihres doch jetzt beginnen solle. Und in dem Zuge begeben sich Bo, Tolga, Pavlow, Suse und Maja auf eine regelrecht verzweifelte Suche nach ihrer Zukunft. Ein gemeinsamer Ritus soll sie wegtreiben vom Dasein eines Jugendlichen rein in das eines Erwachsenen.

Das Stück bewegte sich permanent zwischen Partystimmung und Ernsthaftigkeit, zwischen Ekstase und fassungsloser Stille. Ein Geheimnis nach dem anderen kam ans Tageslicht, eine tödliche Krankheit, eine unerwiderte Liebe, die Emotionen kochten hoch. Das Publikum konnte binnen hundert Minuten erleben, wie die enge Freundschaft der Fünf auseinander trieb und an einem einzigen Abend zerfiel. Doch am Ende gelang ihnen das, was sie wollten: Sie verabschiedeten sich ins Erwachsenenleben, allerdings jeder für sich.

Aufführungen für Schulklassen sind in der ehemaligen Saturn-Etage des Kaufhofs in Siegburg geplant

Wenn man den Theatersaal vor dem Stück betrat, fiel sofort eines auf. Auf der Bühne: nichts. Es gab keine aufwendige Kulisse zu bestaunen, alles schwarz, nur eine bewegliche weiße Wand mit einer Tür. Diese Tür sei laut Oblas so vielfältig symbolisch einsetzbar. „Die Tür in ein anderes Ich, in eine andere Welt oder auch in Zukunft und Vergangenheit“, erläuterte die Regisseurin. Durch diese Tür schritten die Darsteller der Schauspielschule Siegburg während des Stücks einige Male. Die Darsteller selbst bildeten die Kulisse, wenn sie mit grazilen Choreografien die gesamte Bühne ausfüllten. Oft kreiste der Rest um ein Charakterpaar, um etwa ein mentales Dilemma auch visuell zu verstärken.

„Die Nacht so groß wie wir“ soll demnächst auch für Schulklassen aufgeführt werden, wie Studiobühne-Leiter René Böttcher erzählte. Schulen aus Köln und Bonn seien schon an Bord. Auch sonst hatte Böttcher einiges in der neuen Niederlassung im obersten Stock des Kaufhofs vor. Am Wochenende ging dort ein Teil der Jugendkunstschulnacht Nordrhein-Westfalen über die Bühne mit Party am Samstag und Theater am Sonntag. Mit „Schieß doch Kaufhaus“ setzte Böttcher seine Reihe an konsumkritischen Stücken im ehemaligen Siegburger Konsumtempel fort. „Wir wollen nicht thematisch an dem Haus vorbei spielen“, erklärt der Leiter mit Bezug auf das leerstehende Kaufhaus.

Am Mittwoch wird im Kaufhof in die deutsche Einheit reingefeiert. Mit Ost-Rock, Ost-Bier und selbstgemachtem Eierlikör.