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60 Jahre MauerbauZwei Zeitzeugen sprechen in Siegburg über das Leben in der DDR

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Rainer Eppelmann auf der Bühne des Gymnasiums Alleestraße.

Siegburg – „Alle Menschen werden Brüder“, so wünschte es sich Friedrich Schiller in seiner Ode an die Freude, doch im Kalten Krieg war das über lange Jahrzehnte nur Wunschdenken, gerade für die Deutschen in Ost und West. Zum 60. Jahrestag des Mauerbaus und zur Eröffnung einer Projektwoche spielte das „Petit Orchestre“ des Gymnasiums Alleestraße die berühmte Vertonung von Ludwig van Beethoven, dann hatten mit den Bürgerrechtlern Rainer Eppelmann und Stephan Bickhardt zwei Zeitzeugen das Wort.

Schnell zeigte sich, dass Mut ein zentraler Begriff war, als die Mauer zu Fall gebracht wurde und das Unrechtssystem der DDR seine letzten Tage erlebte. Eppelmann, evangelischer Pfarrer und von 1990 bis 2005 CDU-Bundestagsabgeordneter, erinnerte daran, dass eine Diktatur nur mit Diktatoren möglich sei, mit Menschen also, die sich für unfehlbar halten und meist keine demokratische Legitimation haben.

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Im Gespräch mit Moderator Thomas Schwarz (links) schilderte Stephan Bickhardt seine Erinnerungen an die DDR.

Mit der Losung „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“ habe er nichts anfangen können. Zumal seine Familie schlechte Erfahrungen machte: Nach dem Mauerbau konnte er seine Schule im Westen Berlins nicht mehr besuchen, von seinem Vater wurde er getrennt. 1966 verweigerte er den Dienst in der Volksarmee und den Fahneneid. „Wat denn?“, habe er sich gefragt, ausgerechnet die, die ihn und seine Familie so schlecht behandelten, sollte er jetzt verteidigen? „Ich mache alles, was du sagst“ sei ohnehin nichts, das er jemandem geloben würde. Acht Monate Zuchthaus waren der Preis, den er dafür zahlen musste.

In den 80er Jahren plante die Stasi die Ermordung des unliebsamen Kritikers. Kein Wunder, dass Eppelmann am 9. November 1989 an einem Schlagbaum an der Bornholmer Straße stand und verlangte, in den Westen zu kommen. Die Polizisten vor Ort, so stellte sich heraus, waren unbewaffnet gewesen. „Irgendwann hielten sie dem Druck nicht mehr stand und haben uns rübergelassen.“

Stephan Bickhardt erzählt von Schlüsselerlebnis in seiner Kindheit

Der Moderator und Journalist Thomas Schwarz hakte immer wieder nach, wenn es darum ging, den Schülerinnen und Schülerinnen die Ungeheuerlichkeit bewusst zu machen, dass Meinungsäußerung als Staatshetze bezeichnet und Menschen im eigenen Land eingesperrt wurden.

Stephan Bickhardt, wie Eppelmann Theologe, Pfarrer und Bürgerrechtler der ersten Stunde, schilderte, wie ihn als Neunjährigen im Jahr 1968 ein „Schlüsselerlebnis“ prägen sollte: Auf einem Feld im Erzgebirge sahen er und sein Vater sowjetische Soldaten. Hager und ärmlich habe die Truppe gewirkt, auf dem Weg in die Tschechoslowakei, um dort den Prager Frühling niederzuschlagen. „Die werden beenden, was wir gut finden“, habe ihm sein Vater gesagt. Ihm sei daraufhin klar geworden, dass etwas „grundsätzlich faul“ sei, wenn eine Diktatur Soldaten in ein vollkommen friedliches Land einmarschieren lasse.

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Dem Regime im eigenen Land setzte er später mit Flugblättern und Schriften aus seinem Selbstverlag zu. „Es war wichtig, dem Staat ein Schnippchen zu schlagen.“ Was ihn besonders umtrieb, war, dass man nicht einfach in der Schule oder auf der Straße sagen konnte, was zu Hause ganz offen besprochen wurde, „das hat mich total genervt“. Die Diskrepanz zwischen privatem und öffentlichem Leben habe zu einer regelrechten Schizophrenie geführt.

Zu der Podiumsdiskussion kooperierte das Gymnasium mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, für die Ulrike Hospes, Leiterin des Bonner Büros, nach Siegburg gekommen war. Das Gespräch solle dabei helfen, „nicht zu verurteilen, sondern zu beurteilen“. An die Schüler appellierte sie, sich „die Freiheiten, die wir haben, nicht nehmen zu lassen“.

Berliner Mauer als Trennung von Diktatur und Freiheit

Schulleiterin Sabine Trautwein erinnerte dran, dass die Mauer nicht einfach ein 3,60 Meter hohes Bauwerk sei, sondern für die Trennung von Diktatur und Freiheit gestanden habe. Bürgermeister Stefan Rosemann hob hervor, ihr Fall sei die Voraussetzung für die Einheit Europas gewesen.

Zum Abschluss in der Aula stand das Vokalensemble des Gymnasiums und Marius Müller-Westernhagens „Freiheit“ auf dem Programm. An die Ereignisse erinnert während der Projektwoche eine Miniaturausgabe der Mauer auf dem Schulgelände – bis zum 9. November. Dann wird sie auch an der Alleestraße wieder fallen.