Zweiter WeltkriegVor 75 Jahren: Drei junge Luxemburger in Siegburg erschossen
- Vor 75 Jahren wurden am Uhlrather Hof in Siegburg drei junge Luxemburger erschossen.
- Nachfahren von Luxemburgern, die von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg zwangsrekrutiert worden waren, kamen zu Besuch in die Kreisstadt.
- Die Gäste gingen auch durch die Straßen, die nach den ermordeten jungen Männern benannt wurden.
Siegburg – „Es hätte ein schönerer Anlass sein können“, sagte Franz Huhn. Und der Bürgermeister räumte auch ein, dass er bei aller Freude über den Besuch „ein bisschen Sorge“vor der Begegnung gehabt habe: 75 Jahre nach der Erschießung von drei jungen Luxemburgern am Uhlrather Hof besuchten etwa 50 Gäste aus dem Großherzogtum die Stadt.
Die Sorge des Bürgermeisters erwies sich als unbegründet: „Wir haben großen Respekt vor dem, was die Stadt Siegburg getan hat“, betonte Erny Lamborelle, der Vorsitzende der Föderation der Zwangsrekrutierten im Nachbarland. „Einzigartig“ nannte es Lamborelle, dass die Stadt drei Straßen nach den Ermordeten benannt habe.
Das kleine Wohnviertel mit den Diensthäusern der Justizangestellten besuchten die Gäste zu Fuß, über das Gelände der Haftanstalt selbst fuhren sie aus Zeitgründen mit dem Bus.
Viele junge Männer in die Wehrmacht gezwungen
Grund zum Groll hätten die Reisenden durchaus, wie in Erzählungen deutlich wurde: „Aus unserem Dorf wurden vier Jungen zur Wehrmacht gezwungen“, erinnert sich Jean Ferber; zwei der jungen Männer kamen nicht zurück aus Russland. „In meiner Kindheit wurde bei uns im Dorf nicht viel darüber geredet, auch meine Mutter wollte das vergessen.“
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Genau das wollen die Luxemburger heute ebenso wenig wie die Siegburger Gastgeber, wie in den Redebeiträgen deutlich wurde. Franz Huhn warb dafür, auch junge Leute zu den Gedenkfeiern mitzubringen; „wir haben das Recht zu erfahren, was geschehen ist“, sagte Erny Lamborelle.
Vom Schicksal seiner Familie hat er erst spät erfahren, mit 60 Jahren das Buch „Warum?“ darüber veröffentlicht. „In der Familie war das lange tabu“, sagt Lamborelle. Dann aber seien die Tanten „regelrecht explodiert“, hätten nicht aufgehört zu erzählen.
Drei der 13 Kinder seiner Großeltern hatten die Nazis zwangsrekrutiert, Lamborelles Vater Harry sowie die beiden Brüder Alois und Jean-Pierre. Der Vater opferte sich zunächst und ging in den Reichsarbeitsdienst in Peenemünde, wurde später in Russland verwundet und nutzte den Heimataufenthalt, um sich abzusetzen.
Anderthalb Jahre versteckt
Bruder Jean-Pierre hielt sich eineinhalb Jahre lang versteckt, Alois lief zu den russischen Truppen über und starb im Osten.
Als die Ardennen-Offensive Ende 1944 noch einmal auch Luxemburg mit Krieg überzog, nahmen die Nationalsozialisten grausame Rache: Erny Lamborelles Großvater wurde mit zweien seiner Söhne zu Tode gefoltert.
Mehr Glück hatte der Vater von Georges Keipes, der 1943 eingezogen und in Dänemark ausgebildet wurde. „Er ging in den Wald“, berichtet der Sohn, vier Monate lebte der Vater mit anderen Deserteuren in einem Erdbunker.
Mehr als ein Jahr dauerte es, bis auch der letzte der drei das Versteck verlassen konnte. „Jedes Jahr zu Weihnachten haben wir gesagt: »Vater, erzähl«“ – und das tat dieser denn auch. Während der Vater Jim Schulers nur selten über das Erlebte sprach: Über den Einsatz beim Reichsarbeitsdienst in Peenemünde „wissen wir Kinder nicht viel“.
Dass er später im russischen Orel stationiert war, erfuhr der Sohn erst vor wenigen Jahren. Auch Mutter Anne wurde von den Nazis zur Arbeit in einer Waffenfabrik gezwungen; gemeinsam mit drei anderen Luxemburgerinnen tat sie dort ihr Möglichstes, um die Produktion zu sabotieren.
„Die SS hat eine Blutspur in Luxemburg hinterlassen“, erinnerte der deutsche Botschafter in Luxemburg, Heinrich Kreft, an das Wüten der Nazis. Nicht nur in Siegburg, sondern in zahlreichen Gefängnissen und Lagern starben Luxemburger, die sich gegen die Besatzung gewehrt hatten.
„Auf ihren Gräbern haben unsere Väter und Mütter das neue Europa gebaut“, sagte der Botschafter. „Das friedliche Europa.“