AboAbonnieren

Das Parkett bleibt leerTanzschulen in Rhein-Sieg fürchten um ihre Existenz

Lesezeit 4 Minuten

Eine Rezession des Tanzsports befürchtet Geschäftsführer Matthias Fronhoff. In seiner Schule Tanz Breuer sind die Sitzecken mit Flatterband gesperrt.

Rhein-Sieg-Kreis – Matthias Fronhoff, Gabi Rose, Esther Dickers und Marc Lob teilen die Leidenschaft fürs Tanzen, alle vier waren einst erfolgreich im Turniertanz. Heute verantworten sie als Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer vier Tanzschulen. Da sitzt ihnen Corona im Nacken und lässt die Luft für sie dünner werden.

Die Besuche in der von Matthias Fronhoff geleiteten Schule Tanz Breuer in Troisdorf, zu der auch die Niederlassung Hennef gehört, in den Tanzschulen Rose in Sankt Augustin und Steps in Siegburg offenbaren die gleichen Bilder: Neben den vorgeschriebenen Markierungen, Absperrungen und Desinfektionsinseln sind das die leeren Sitzbänke und Sitzgruppen, glänzendes Parkett und blanke Spiegel, die förmlich nach Tanzwilligen schreien. Doch der zweite Lockdown verdonnerte die Betreiber erneut zur Tatenlosigkeit in ihrem Kerngeschäft, den Tanzkursen. Ähnlich, wenngleich in unterschiedlicher Ausprägung und Wirkung, stellen sich für sie derzeit Probleme und ihre Folgen dar.

Viele Kunden lassen Daueraufträge weiterlaufen

So herrscht Stille in den Tanzschulen. Weder Kurse noch die sogenannten Tanzkreise, bei denen unter Coaching trainiert wird, finden statt. Obligatorische Zusatzveranstaltungen wie Bälle, Sommerfeste, Tanzpartys gibt es schon im ganzen laufenden Jahr nicht mehr.

Die Rechtslage

Nach der Schutzverordnung des Landes NRW, die gerade bis mindestens 20. Dezember verlängert wurde, ist seit Montag, 2. November, Sportausübung in den Vereinen verboten. Gleiches gilt für den Freizeit- und Amateursportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen. Darunter fallen auch Tanzschulen. Die einzige Ausnahme bildet das Training an den nordrhein-westfälischen Landesleistungsstützpunkten in der Sportart Tanzen.

tnw.de/verband/corona

Der Erlös aus dem Getränkeverkauf (Fronhoff: „Eine durchaus wichtige Einnahmequelle“) fällt komplett weg. Die finanzielle Last wird ein bisschen abgefedert, weil die meisten Kunden ihren Schulen treu geblieben sind und wie beim ersten Lockdown die Daueraufträge weiterlaufen lassen.

„Es ist die Unsicherheit, die bedrückt“

Gabi Rose, die an der Hauptstraße in Niederpleis das Tanzcenter, ihre „kleine, gemütliche Retro-Tanzschule“, führt, freut sich über „ganz liebe Kunden“, die Kurs- und Tanzkreisgebühren durchgezahlt hätten. Die meisten ausgefallenen Stunden konnten wie bei den anderen in den Sommerferien nachgeholt werden. Ob auch diesmal eine Kompensation möglich sei, hänge von der Dauer des Lockdowns ab.

„Es ist die Unsicherheit, die bedrückt“, unterstreicht die 72-Jährige. Was wohl aus der Soforthilfe werde, die zwar gezahlt worden sei, die man sich aber nicht anzufassen traue, weil sie vielleicht zurückgezahlt werden müsse. „Wie lange reicht die Geduld der Kunden, was wird, wenn sie kündigen?“, fragt sie sich. „Ich will nicht ans Aufhören denken.“

„90 Prozent haben uns die Treue gehalten“, berichtet Matthias Fronhoff. Der wandte sich an die Paare und Familien und bot Lösungen an, falls dort selbst wegen der Pandemie finanzielle Engpässe auftreten sollten. Seine zwei Schulen richteten in diesem Jahr nicht den obligatorischen Debütanten-Kurs ein. „Die Möglichkeit, einen Abschlussball abzuhalten, war gleich Null“, erklärt der ehemalige Weltmeister im Formationstanz: „Dieser Ball ist das Sahnehäubchen.“

Sein Team beschäftigt sich derzeit mit Aufnehmen von Schulungsvideos und gibt Übungsstunden via Chatdienst. „Das funktioniert und ist eine unverzichtbare Notlösung, doch ist die Effizienz eher gering“, sagt Fronhoff. Es fehle die unmittelbare Korrektur durch den Trainer, der zudem auf einem zweidimensionalen Bildschirm ungleich weniger sehe als aus unmittelbarer Nähe.

Die Anzahl der Kunden nimmt faktisch ab

Kein Video könne Präsenzunterricht ersetzen, bestätigen Esther Dickers und Marc Lob von der Tanzschule Steps. Diesmal werde es noch schwieriger, weil sich wohl keine Zeiträume für Nachholkurse für die ausgefallenen Tage finden ließen. Hätten sie früher gewusst, was kommt, hätten sie in den Herbstferien durchgemacht. Die Anzahl ihrer Kunden nehme faktisch ab, da wegen der Ungewissheit derzeit kaum jemand neue oder weiterführende Kurse buche.

„Die Situation wird bedrohlich, wenn im kommenden Januar die Kurseinnahmen wegfallen“, prognostiziert Geschäftsführerin Dickers. Es sei alles mit Ungewissheiten verbunden, sagt die dreifache Mutter. In den Corona-Schutzverordnungen kämen Tanzschulen nicht vor: „Fallen wir unter Fitnessstudio oder unter Kontaktsport?“ Man müsse sich die für Tanzschulen relevanten Informationen aus den Veröffentlichungen zusammensuchen: „Über eine 75-Prozent-Hilfe gibt es noch keine Mitteilung, das ist kein schönes Gefühl.“ Es werde zu wenig getan für die Tanzschulen, pflichtet Co-Geschäftsführer Lob bei. Man könnte doch prüfen, wie sich auf einer großen Fläche Abstandsbedingungen herstellen lassen: „Ich bin mir sicher, das funktioniert.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Eine Rezession im Tanzgeschäft schließt Fronhoff nicht aus: „Solch harte Einschränkungen lassen sich nur für eine begrenzte Zeit aushalten, dann geht nichts mehr.“ Damit gingen nicht nur Kulturwerte verloren, befürchtet er, sondern auch andere Fähigkeiten, die Tanzschulen vermittelten, ohne dass dies beworben werde: „Gepflegte Kommunikation, Höflichkeit und Wertschätzung.“