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FachkräftemangelBetriebe im Rhein-Sieg-Kreis finden keine Azubis

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann und eine Frau stehen vor einem Wagen mit Anhänger, auf dem "Abwasserservice Holger Fies" steht.

Marcel Fies, Geschäftsführer des Abwasserservice Holger Fies in Troisdorf, und Assistentin Tiffany Fies setzen auf Soziale Medien, um Jugendliche für ihren Beruf zu begeistern.

In diesem Jahr bleiben noch mehr Ausbildungsplätze im Rhein-Sieg-Kreis unbesetzt als 2023. Zwei Betriebe berichten von ihrer erfolglosen Suche nach Nachwuchs.

Tablets zum Lernen, ein Job-Rad oder Job-Auto und finanzielle Unterstützung beim Führerschein - Marcel Fies tut einiges, um die Ausbildung zum Umwelttechnologen in seinem Betrieb „Abwasserservice Holger Fies“ attraktiv zu machen: „Man bewirbt sich heutzutage eigentlich bei den Bewerbern.“ Das neue Ausbildungsjahr hätte eigentlich schon beginnen sollen, aber der Troisdorfer Betrieb konnte bisher niemanden anwerben. Noch gibt Marcel Fies die Hoffnung nicht auf, auch wenn die Zeit langsam knapp wird.

Zwei Jugendliche haben sich in diesem Jahr beworben. In den Jahren davor habe man immer etwa sieben bis zehn Bewerbungen erhalten, schildert Fies: „Es ist eben schwer, Leute für den Beruf zu begeistern, da der Eindruck von Abwasserkanälen für viele erstmal abschreckend wirkt. Die meisten wissen aber nicht, was eigentlich dahinter steckt.“

Handwerksbetrieb aus Troisdorf hat wenig Erfolg auf Ausbildungsmessen

Der Beruf des Umwelttechnologen trug früher den weniger glamourösen Namen „Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice“. Begriffsänderungen können imagetechnisch wichtig sein, aber auch die Ausbildung habe sich inhaltlich modernisiert. Das vermittelte Wissen sei fachspezifischer geworden, man arbeite mit moderner Robotertechnik und KI, erläutert Marcel Fies: „Außerdem ist es ein krisensicherer Beruf, in dem man auch alt werden kann, weil man dank der Kameratechnik fast wie im Büro arbeitet, nur eben auf der Baustelle.“

Für viele wirkt der Eindruck von Abwasserkanälen erstmal abschreckend. Die meisten wissen nicht, was eigentlich hinter dem Beruf steckt"
Marcel Fies

Auf den Instagram-, Facebook- und Tiktok-Kanälen des Handwerkbetriebs zeigen Videos, wie Mitarbeitende Kameras in Rohre führen und Fahrzeuge zur Reinigung einsetzen. „So versuchen wir, Jugendlichen den Beruf näherzubringen“, erklärt Marcel Fies. Die Ausbildungsmessen, auf denen der Betrieb jedes Jahr präsent ist, verliefen mittlerweile nicht mehr sonderlich erfolgreich: „Da werden die Schüler jetzt immer im Klassenverbund durchgeschleust und haben natürlich gar keinen Bock. Da kommt dann kein richtiges Gespräch zu Stande. Zwang bringt eben nichts, das Interesse muss freiwillig kommen.“

Vor einem Bachsteingebäude ist ein Plakat aufgehängt, auf dem verschiedene Stellenausschreibungen gelistet sind: Rohrreiniger, Kanalsanierer, Servicetechniker Pumpentechnik und Quereinsteiger.

Ein großes Plakat mit Stellenausschreibungen hängt am Zaun des Geländes von Abwasserservice Holger Fies in Troisdorf. Man wolle explizit auch Quereinsteiger ansprechen, betont Marcel Fies, der selbst gelernter Koch ist.

In den vergangenen Jahren habe man einen moderaten, aber kontinuierlichen Anstieg an unbesetzten Ausbildungsstellen im Rhein-Sieg-Kreis beobachtet, teilt Susanne Wagner, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit Bonn, mit. Besonders betroffen seien Branchen wie der Handel und Verkauf, die Lebensmittelherstellung, der Hochbau, die Lagerwirtschaft, die Post und Zustellung sowie die Arzt- und Praxishilfe.

Die Gründe dafür seien vielfältig: „Auch hier ist der demografische Wandel spürbar, da die Betriebe mittelfristig einen größeren Bedarf an Fachkräften decken wollen, aber schon jetzt auf eine geringere Zahl an Nachwuchs treffen.“ Außerdem unterscheiden sich die Wunschberufe der Auszubildenden oft von den angebotenen Stellen. Vor allem Arbeitsgebiete, die unflexible Arbeitszeiten und große körperliche Belastungen bedeuten, wirkten weniger attraktiv, so Wagner.

Zahnarztpraxis in Seelscheid: Eine Bewerberin sagte ab, die andere kam gar nicht erst zum Gespräch

Für die Seelscheider Zahnärztin Dr. Karin Fedder ist das Problem mangelnden Nachwuchses allgegenwärtig: „Man muss ja nur einkaufen gehen, und der Großteil der Theken ist geschlossen, weil es zu wenig Mitarbeiter gibt. Ich weiß auch von Kollegen, dass sie wegen Personalmangels ihre Praxiszeiten kürzen mussten. So weit ist es bei uns zum Glück noch nicht.“ Auch Fedder blieb bei ihrer Suche eines Auszubildenden zum zahnmedizinischen Fachangestellten bisher erfolglos.

Zwei Zahnärztinnen in weißen Kitteln stehen in einem Behandlungszimmer.

Die Seelscheider Zahnärztinnen Dr. Karin Fedder und Astrid Rohde hoffen noch auf Bewerbungen potenzieller Azubis. Von zwei Bewerberinnen hatte eine abgesagt, die andere war nicht zum Gespräch erschienen.

„In vielen Köpfen ist diese veraltete Vorstellung drin, da steht der Mann in Weiß und gibt Anweisungen, man selbst steht daneben und hält den Schlauch und macht dann sauber“, sagt ihre Kollegin Astrid Rohde. Fedder nickt und ergänzt: „Der Beruf ist viel moderner geworden. Viele junge Leute denken vielleicht, sie hätten hier keine Möglichkeiten zur Weiterbildung, dabei sind die im zahnmedizinischen Bereich sehr vielfältig.“ Beispielsweise gebe es Fortbildungen in der Prophylaxe, Ernährungsberatung, Verwaltung und viele mehr, sobald man die grundlegende Ausbildung abgeschlossen habe. „Wir bilden sehr gut aus. Uns ist es wichtig, dass Azubis wirklich alles lernen, vom Röntgen bis zur Assistenz in der Chirurgie“, betont Fedder.

Die klassische Ausbildung hat in der Gesellschaft nicht mehr den Stellenwert wie früher.
Dr. Karin Fedder

Warum es in den vergangenen Jahren für Fedder und ihr Team immer schwieriger wurde, potenzielle Azubis zu erreichen, kann die Zahnärztin nur vermuten: „Die meisten Jugendlichen gehen studieren, und es gibt auch eine sehr große Auswahl an dualen Ausbildungen. Die klassische Ausbildung hat in der Gesellschaft nicht mehr den Stellenwert wie früher.“ Dabei sei es nicht nur für ihre Branche elementar, neue Fachkräfte auszubilden.

Die Agentur für Arbeit bemühe sich verstärkt, Ausbildungsinteressierte in ihrer Berufsfindung zu unterstützen und an Betriebe zu vermitteln, teilt Pressesprecherin Susanne Wagner mit: „Die Ausbildungssuchenden werden betreut, bis sie einen Ausbildungsplatz gefunden haben.“ Menschen, die Probleme bei der Einstiegsqualifizierung haben, können mit der Assistierten Ausbildung Unterstützung durch beispielsweise Nachhilfestunden erhalten. Auch durch die Förderung und Vermittlung längerer Orientierungspraktika sollen Einstiege erleichtert werden.