Seit April findet Despina Raptopoulou kaum noch Schlaf. Inzwischen leide auch ihre Arbeit darunter, sagt sie.
„So kann man nicht leben“Brummen in ihrer Wohnung raubt einer Troisdorferin den Schlaf
„Ich wollte hier alt werden“, sagt Despina Raptopoulou und schaut sich in ihrem Wohnzimmer um. Aber so könne man nicht leben: Seit April leidet die 51-Jährige aus dem Troisdorfer Stadtteil Rotter See unter einem tieffrequenten Brummen in ihrer Wohnung. Zwei Stunden schlafe sie seither nur noch am Stück, „danach wälze ich mich“.
Nachbarn in Troisdorf hören es auch, ihr Ehemann nicht
Ein auf- und abschwellendes Geräusch beschreibt die Troisdorferin bei unserem Treffen in ihrer Wohnung. Auch einige Nachbarn in dem Neun-Parteien-Haus am Hessenweg nähmen es wahr, die Tante Raptopoulous bei einem Besuch ebenfalls. Andere, darunter ihr Ehemann, hören es nicht. Das sei wohl eine individuelle Sache des Gehörs, sagt Frau Raptopoulou.
Seit dem Frühjahr hat sie sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, hat gelesen, was sie finden konnte. In Online-Gruppen fand sie Menschen – auch aus Troisdorf – die von ähnlichen Erfahrungen berichten. „Ich habe viel recherchiert, bis ich herausgefunden habe, woher das kommt.“
Sie macht die Produktion der Maschinenfabrik Reifenhäuser jenseits der Spicher Straße verantwortlich, nachdem ein Nachbar sie auf eine Halle des Unternehmens an der Straße Zehntfeld hinwies. Immer wieder hat sie seither Fotos und Tonaufnahmen gemacht; sie habe auch schon nachts um 2.45 Uhr eine Maschine gehört.
Was die 51-Jährige aber im wahrsten Sinne um den Schlaf bringt, ist nicht der eigentliche Maschinenlärm. „Draußen höre ich das nicht“, viel Zeit habe sie im Sommer auf ihrem Balkon verbracht. Auch Verkehrslärm ist nicht ihr Problem, wohl aber das tieffrequente Brummen, gegen das sie bisher kein Hilfsmittel gefunden habe.
Einen Gehörschutz-Kopfhörer hat sie ebenso gekauft wie einen Kopfhörer zum Musikhören. Die hätten aber ebenso wenig geholfen wie die Ohrstöpsel, die in großer Zahl in einer Bonboniere im Schlafzimmer liegen. Bislang vergebens war auch die Anschaffung von dickeren Gardinen für das Zimmer; ein schallminderndes Bild erfüllt ebenfalls nicht, was sich die Troisdorferin davon erhoffte.
Sie habe „ein ganzes Heft voller Notizen“ über ihre Korrespondenz, E-Mails und Telefonate. Auch mit der Firma Reifenhäuser stand sie im Kontakt. „Wir sind dem hier natürlich nachgegangen“, sagte Frank Smok, der Leiter des Gebäudemanagements bei dem Maschinenbauer. Persönlich habe er Frau Raptopoulou besucht, sie auch ins Werk eingeladen, „um mögliche Quellen gemeinsam zu suchen“.
Den Werkschutz und die Pförtner – die Pforte ist rund um die Uhr besetzt – habe er um Mithilfe gebeten, „um eine Fehlerquelle bei uns im Werk zu finden“. Probeweise wurde ein Lüfter abgeschaltet; aber das Geräusch war noch da, obwohl keine Produktion lief, wie Smok betont.
Inzwischen leidet die Arbeit in einem Bad Honnefer Hotel
Längst mache sich der Schlafmangel auch bei ihrer Arbeit in einem Bad Honnefer Hotel bemerkbar, sagt Despina Raptopoulou. Im Mai hat der Arzt sie für eine Woche krankgeschrieben. „Psychogene Erschöpfung" hatte der Mediziner diagnostiziert; ihr Mann schickte die Troisdorferin zur Verwandtschaft nach Griechenland: „Du musst hier mal raus.“
Die Kreisverwaltung bestätigt Messungen in der Wohnung der geplagten Troisdorferin. Die aber hätten eine deutliche Unterschreitung der erlaubten Grenzwerte ergeben, erklärte ein Sprecher unter Berufung auf das Kreisumweltamt. Daher könnten auch „keine Maßnahmen gegenüber einem Dritten angeordnet werden“.
Sind Stromleitungen die Quelle des Brummens?
Auch Wolfgang Högemann, Ex-Ortsvorsteher von Sieglar und inzwischen Mitglied des dortigen Ortschaftsausschusses, machte sich auf die Suche nach einer möglichen Quelle für das quälende Brummen. Und wurde fündig: Am Hintereingang des Hit-Markts, wo sich Hochspannungsleitungen kreuzten, habe er das gehört, sagte Högemann dieser Zeitung.
„Es ist immer zu unterschiedlichen Zeiten“ und „erstaunlicherweise wetterabhängig“. Seien die Leitungen nass, werde das Geräusch lauter. Zu verschiedenen Tageszeiten habe er sich auf den Weg gemacht, berichtet Högemann. „Mal war nichts zu hören, mal war es deutlich.“ Seine Erkenntnisse habe er an die Stadt weitergegeben.
Wahrnehmbar, auch wenn es nicht zu hören ist
Als tieffrequent bezeichnen Experten Geräusche mit einer Frequenz von weniger als 100 Hertz. Ab einer Frequenz von 20 Hertz sind sie laut Umweltbundesamt für den Menschen hörbar, darunter nicht. Dennoch könne er als Schwingung oder Vibration wahrgenommen werden. Auffällig sei, „dass innerhalb von geschlossenen Räumen tieffrequente Geräusche prägnanter hervortreten als beim Aufenthalt im Freien,“ heißt es in einer Publikation des Umweltbundesamts (UBA).
Als Quelle kommen demnach natürliche Ursachen wie Wind, Meeresbrandung oder Wasserfälle in Frage. „Gleichermaßen“, so die Fachleute, „sind auch Autos, Eisenbahnen, Flugzeuge, Musikinstrumente sowie Veranstaltungen als Quellen tieffrequenter Geräusche und Infraschall zu nennen“. Zuletzt wurden zudem Wärmepumpen und Windkraftanlagen oder Blockheizkraftwerke als Ursachen ausgemacht. Es werde, so ihre Einschätzung, „voraussichtlich in vielen Wohnumfeldern zunehmend brummen“.
Und: Auch wenn die Geräusche gemessen werden könnten, sei „eine Zuordnung tieffrequenter Geräuschanteile zu einer konkreten Quelle nahezu unmöglich“. Keine guten Nachrichten für Despina Raptopoulou. Gleichwohl hofft sie, dass sich vielleicht noch andere Betroffene melden und man die Suche gemeinsam fortsetzen kann.