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FluthelferTroisdorfer Gemeinde gibt Ehrenamtlern aus aller Welt Obdach

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Der Verein „Haus der Hoffnung“ und die freikirchliche Gemeinde versorgen die Helfer mit Verpflegung und einem Schlafplatz.

Troisdorf – Das Christus-Centrum gleicht seit Wochen einer Mischung aus Jugendherberge und Bauhof. Der Saal, in dem die freikirchliche Gemeinde üblicherweise ihre Gottesdienste feiert, dient als Übernachtungsquartier für zahlreiche ehrenamtliche Helfer, die von hier aus in die Überflutungsgebiete im Ahrtal aufbrechen.

Dafür werden die Stühle beiseite geräumt und machen Platz für Schlafsäcke und Luftmatratzen. Auf dem Gelände der Gemeinde steht ein Zelt für die Versorgung der Gäste, auf einer Fläche stapeln sich Werkzeuge, Handschuhe und Gummistiefel.

Gemeindeleiter Wolfgang Wien war im Juli mit einem Team aus Oberlar im Katastrophengebiet im Einsatz: „Ich habe dort mit meinen Kindern eine überflutete Sickergruppe geleert. So eine Situation hat man sich vorher nicht vorstellen können.“ Die Troisdorfer hatten sich dem „Haus der Hoffnung“ angeschlossen, einem Verein, der von zahlreichen christlichen Initiativen unterstützt wird und mit anderen großen Hilfsorganisationen kooperiert.

Helfer kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus Litauen und den USA

„Innerhalb kurzer Zeit haben wir 600 bis 700 Helfer in das Überflutungsgebiet gebracht“, berichtet der Vorsitzende Martin Dieckmann. „Als wir erfahren haben, dass es für diese Helfer nicht genug Übernachtungsmöglichkeiten gibt, hat der Gemeindevorstand beschlossen, das Christus-Centrum als Herberge anzubieten“, ergänzt Wolfgang Wien. Zeitweise übernachteten bis zu 100 Gäste in den Räumen der Gemeinde, um dann den Tag über an der Ahr zu helfen.

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Gummistiefel in allen Größen stehen zum Trocknen auf einer Palette.

„Diese Helfer kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland, wie Litauen oder den USA“, berichtet Dieckmann: „Es sind Rentner, ganze Familien, Ärzte und Krankenpfleger, auch ganz viele junge Leute.“ Manche blieben nur über das Wochenende, andere wochenlang.

„Das Projekt fordert die Gemeinde“, räumt Wolfgang Wien ein, denn die Gäste auf Zeit müssen ja auch versorgt werden. Hier helfen die Mitglieder der Gemeinde, die auch von ihrer guten Vernetzung im Ort profitiert: „Wir haben hier keine Duschen, dürfen aber die Duschen in einigen Sportheimen nutzen.“

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Die Motivation der Ehrenamtler ist unverändert hoch: „Wir helfen, weil wir gebraucht werden“, sagt eine junge Frau, ehe sie den Kleinbus besteigt, der ihre Gruppe zum Einsatzgebiet bringt. Dort sei kein Ende in Sicht, befürchtet Dieckmann: „Wir sind immer noch nicht fertig mit dem Herausstemmen des Putzes und dem Entkernen von Gebäuden. Der Winter steht vor der Tür, damit stellt sich die Frage, wie geheizt wird und wie man finanzielle Hilfe beantragt.“

Sechs der sieben Kindertagesstätten in Ahrweiler sind zerstört. Auch muss geklärt werden, wo Wohnraum wieder aufgebaut werden soll und wo eher nicht.

Aber dies sei nur ein Teil der Herausforderung, betont Martin Dieckmann: „Gut 200.000 Menschen im Kreis Ahrweiler sind direkt oder indirekt von der Naturkatastrophe betroffen. Sie haben in einer Nacht alles verloren, was ihrem Leben Sicherheit gibt.“

Kirchengemeinde besteht seit 1986

Das Christus-Centrum ist eine 1986 gegründete Kirchengemeinde im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden. Neben der Gemeindearbeit bietet sie eine Tafel für Bedürftige und ist durch ihren Gospelchor bekannt.

Oft benötigten die Menschen eine Trauma-Therapie, ebenso wie Unterstützung durch Besuchsdienste: „Wir verbinden Seelsorge mit ganz konkreter, praktischer Hilfe. Alles andere würde sich auch hohl anfühlen.“

Inzwischen geht „Haus der Hoffnung“ davon aus, dass der Einsatz im Katastrophengebiet noch zwölf bis 24 Monate dauern wird. „Wir werden sie nicht herauswerfen“, versprach Wolfgang Wien. Am Samstagabend ist eine weitere Gruppe mit 60 Helfenden am Christus Centrum angekommen.