Über ein Jahr suchen viele der Frauen nach einer Wohnung, während die Plätze im Frauenhaus für akut gefährdete Frauen dringend gebraucht würden.
Wegen WohnungsmangelIm Troisdorfer Frauenhaus bleiben die Frauen immer länger

Eine Frau sitzt im Frauenhaus auf einem Bett. Das Gleichstellungsministerium in NRW möchte Frauenhäuser stärker fördern. +++ dpa-Bildfunk +++
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58 Tage hat die Frau auf einen Platz im Frauenhaus gewartet. Fast zwei Monate mussten sie und ihre Kinder in der Wohnung mit einem gewalttätigen Mann ausharren, bevor sie in Troisdorf Zuflucht fanden. Weit über ein Jahr ist das inzwischen her, doch erst jetzt kann die Familie das Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf wieder verlassen. „Es gibt keine Bewegung auf dem Wohnungsmarkt“, weiß Sozialpädagogin Eva Buchleither vom Verein Frauen helfen Frauen. „Die Frauen haben keine Chance zum Auszug“, stellt sie fest.
Sie stehen vor hohen Mieten, haben meist viele Mitbewerber und begegnen nicht selten Vorurteilen gegenüber Frauen, die aus dem Frauenhaus kommen. Damit sich das ändert, startet der Verein, Träger des autonomen Frauen- und Kinderschutzhauses in Troisdorf, eine neue Aktion.
Troisdorfer Team setzt jetzt auf direkte Ansprache möglicher Vermieter
„Wohnraum gesucht“, ist der Flyer überschrieben, mit dem das Team sich an die Öffentlichkeit wendet. „Lassen Sie uns ins Gespräch kommen“, appellieren die Fachfrauen. Aber auch die Vermieter hätten etwas davon, sichern sie zu: Die Mietzahlungen seien gesichert, die zukünftigen Mieterinnen würden zumindest für eine Übergangszeit begleitet.
Die Suche über die gängigen Portale verlaufe oft im Sand, hat Eva Buchleither erfahren. Daher setzt das Team nun auf die direkte Ansprache. Und wer nicht selbst vermiete, kenne vielleicht Menschen, die freien Wohnraum anbieten könnten. „Ebenso willkommen und dringend benötigt“, sind Spenden, aber auch ehrenamtliche Hilfe beim Umzug oder Renovieren.

Michiko Park (links) und Eva Buchleither (rechts) berichteten über die Not von Frauen, die gerne aus dem Schutzhaus ausziehen würden.
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„Ich will endlich landen!“ steht auf der Postkarte, die der Verein in diesen Tagen und auch am Samstag, 8. März, dem Weltfrauentag, ab 10.30 Uhr auf dem Siegburger Markt verteilen wird. In Gaststätten in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis werden die Karten ebenfalls ausgelegt: Eine Spende des Dieenstleisters. „Am Anfang,“ so beschreibt da eine Frau, „dachte ich, das Schwerste ist, dass mein Ex- Mann uns je in Ruhe lassen wird.“ Doch inzwischen habe sie festgestellt, dass die Wohnungssuche „schwerer ist als die Trennung“. Zermürbend nennen Eva Buchleither und ihre Kollegin Michiko Park diese Suche.
Zahllose Bewerbungen schreibe jede Frau, wissen sie. Wenn sie dann überhaupt eine Antwort erhalte, sei es häufig eine Absage oder lediglich die Einladung zu einem Besichtigungstermin mit vielen anderen Interessierten. Das zehre die Energie auf, die die Frauen mit der Zeit wieder gewonnen hätten, berichten die Expertinnen. Belastend ist die Situation indes auch für die Mitarbeiterinnen im Haus.
Mit einer Wohnung kann das Leben wieder aufgebaut werden
Denn während aktuell zwei Frauen mit ihren Kindern ausziehen können, nachdem sie endlich eine Wohnung gefunden haben, warten vier weitere auf diese Chance. „Mit einer Wohnung kann das Leben wieder aufgebaut werden“, sagt Michiko Park, und Eva Buchleither ergänzt: „Das ist die größte Frage der Frauen ab Tag 1, wie es mit der Wohnung weitergeht.“ Allen ist klar, dass das Wohnen hier kein Dauerzustand sein sollte, mit der Dauer des Aufenthalts nehmen auch Spannungen zu.
Tatsächlich aber habe man spätestens im vergangenen Jahr nicht mehr von einer Notunterkunft sprechen können: Kinder werden eingeschult, finden Freunde, gehen in den Sportverein. Auch die Mütter haben unter Umständen Anschluss gefunden. Etliche Frauen sind im vergangenen Jahr ins Ruhrgebiet gezogen, weil es dort etwas leichter war, eine Wohnung zu finden. Eine Frau aber zog auch – zum Glück nur vorübergehend – in eine Obdachlosenunterkunft.
Kein Trost ist es für die Mitarbeiterinnen, dass es anderswo fast noch schlimmer aussieht: Ein Gespräch mit anderen Einrichtungen ergab, dass dort die durchschnittliche Verweildauer sogar zwischen eineinhalb und zwei Jahren lag.
Das Troisdorfer Frauen- und Kinderschutzhaus ist dauernd voll belegt
Und während sie selbst eine Bleibe außerhalb des Schutzhauses suchten, sei den Klientinnen stets sehr bewusst, wie dringend andere Gewaltopfer Hilfe bräuchten und sich um Plätze im Frauenhaus bemühen: Einem Bericht der Bundesinnenministerin Nacy Faeser wurden 938 Frauen allein im Jahr 2023 Opfer von Femiziden oder versuchten Tötungen.
„Sie wollen selbst den Platz frei machen für andere in Notsituationen“, sagt Eva Buchleither über die auszugsbereiten Frauen. Dass das Telefon ohne Unterlass läutet, sobald einmal ein freier Platz im System gemeldet wird, hören sie auch. Zwölf Frauen mit insgesamt 18 Kindern leben aktuell im Schutzhaus. Mehr geht nicht.
Entscheidung der Stadt Troisdorf können Beraterinnen nicht nachvollziehen
Umso weniger Verständnis haben Buchleitner und Park für die Haltung der Stadt. Ein Vermieterehepaar hatte zuletzt drei Appartments in einem weiteren Neubau dem Verein angeboten, öffentlich geförderten günstigen Wohnraum für alleinstehende Frauen. Dagegen habe die Stadtverwaltung ihr Veto eingelegt: Bei der Vergabe von gefördertem Wohnraum dürfe niemand bevorzugt werden.
„Wir belegen nach Prioritäten und haben sehr viele Personen, die auch schon länger vermittelt werden müssen“, teilte eine Sprecherin der Stadtverwaltung mit. Außerdem solle bei der Vermittlung „eine gute Durchmischung von Klienten erfolgen.“