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Aus in Eschmar nach 140 Jahren„Dorf ohne Kneipe ist wie der FC ohne Geißbock“

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Troisdorf – „Ein Dorf ohne Kneipe ist wie der FC ohne Geißbock.“ Karl-Heinz Kubiack brachte es auf den Punkt, als er stellvertretend für die Stammgäste der Eschmarer Kneipe „Zur gemütlichen Ecke“ den Geschenkgutschein für ein Wellness-Wochenende an die „exzellenten“ Wirtsleute überreichte.

Wirt Helmut Scherck (64) zapfte am Samstagabend letztmals hinterm Tresen, und seine Ehefrau Renate (60) wirbelte wie eh und je, aber ebenfalls zum letzten Mal, durch Schankraum und Sälchen ihrer Kneipe, stets mit einem freundlichen oder schnippischen Spruch auf den Lippen.

„Wir gehen in Rente und freuen, wenn ein neuer Wirt die Gaststätte später weider eröffnet; wir möchten jetzt kürzertreten“, so das Ehepaar. Nach 17 Jahren endet damit nicht nur die Wirte-Karriere der beiden.

Das traditionelle „Leertrinken“ beendete auch die rund 140-jährige Geschichte des Gasthauses, das in den Anfängen „Gasthaus zur Gemütlichkeit Heinr. Kelz“ hieß. Die „letzte echte Kneipe Eschmars“, wie es Kubiack nannte, schließt ihre Pforten und soll „von Grund auf neu aufgebaut“ werden.

Jung und Alt im Schankraum, in dem sich optisch wenig geändert hat in knapp 140 Jahren.

Das sagte jedenfalls der neue Eigentümer Olaf Piprek, der ebenfalls unter den Gästen weilte, gegenüber dieser Zeitung. Lediglich zwei Außenwände werden demnach stehen bleiben, auf zwei Etagen solle ein „komplett anderes Gebäude“ entstehen, so Piprek. „Brauhausähnlich“ soll die Holzkonstruktion werden, mit bürgerlicher Speisekarte und Tresenbetrieb, sagte der Eschmarer Unternehmer.

Über viele Jahre war die „gemütliche Ecke“ Vereinslokal für Junggesellen, Sänger, Karnevalisten oder Fußballer des Troisdorfer Stadtteils. Aber auch viele Stammgäste, die das offene Wesen der Wirtsleute schätzten, hatte das Haus. Aus Jung und Alt, laut feiernd im Schankraum oder im Sälchen etwas kommoder in Erinnerungen schwelgend, bestand das letzte Publikum am „Leertrink“-Abend, was laut Renate Scherck repräsentativ für die 17 Jahre gewesen sei.

„Keine Arbeit war ihnen zu viel“, „hilfsbereit“, „aufmerksam“, „offen und ehrlich“, „ihre Ratschläge waren geschätzt“ – so charakterisierten die Gäste ihre Hausherren.

Dass über das genaue Alter der Kneipe nur schwer etwas zu erfahren war, zeigt, dass sie in Eschmar eine Selbstverständlichkeit war, für viele „ein zweites Zuhause“, wie es ein fröhlicher Junggeselle nannte.

Vor 1894 muss es die Kneipe schon gegeben haben, sagte Ralf Cholewa, Vorsitzender des MGV Eschmar. Das war das Gründungsjahr des Chors, der von Beginn an dort probte. Franz Marchlick, dessen Mutter Eva (eine geborene Kelz) aus dem Haus an der Rheinstraße stammte, sprach von „um 1880“ als Eröffnungsjahr. Sein Urgroßvater war der erste Wirt, es folgte Großvater Heinrich Kelz. Gertrud Siebertz, Eva Kelz´ Schwester, führte anschließend lange die Wirtschaft, bevor sie in den 1960er Jahren an Peter Odenthal und dessen Frau Christine – die jüngste Kelz-Schwester – verkaufte, die sie bis zum Veräußerung an Olaf Piprek besaßen.

„Die gemütliche Ecke wird frei.“ So konfrontierte Helmut Scherck vor 17 Jahren seine Frau mit der Absicht, vom Beruf des Kraftfahrers hinter einen Tresen zu wechseln. Sie wollte dem nicht im Wege stehen, machte mit, arbeitete aber zunächst noch sechs Jahre bei einer Zeitung weiter.

Unterstützt wurde sie von Anbeginn an von Freundin Brigitte Severt, die oft kellnerte. Die Wirtin habe sich in ihrer Aufgabe „wohlgefühlt“, war stolz, dass ihre Frikadellen „weg gingen wie nichts“ und der Schnitzeltag ebenso beliebt war wie der Rievkooche-Samstag. „Da schälte ich die Äädäppel schon mal hinterm Tresen.“

„Unser Sohn hat einen Hund“, beantwortete Renate Scherck mit einem Lachen die Frage, wie es im Ruhestand weitergehen soll. Außerdem wolle das Paar jetzt nachholen, was sie als Wirte versäumten, etwa Stadtfeste besuchen oder den Burgmarkt. Obwohl es „wunderschöne Erlebnisse gab“, so Helmut Scherck, sei jetzt „der richtige Zeitpunkt zum Aufhören“. Viele Höhen habe es gegeben, wenige Tiefen. Das Rauchverbot habe sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt.

Für die Vereine beginnt mit der Schließung die Suche nach einer neuen Bleibe. Bei den Knallköpp stehe das bei der nächsten Mitgliederversammlung ganz oben auf der Tagesordnung, so deren Vizepräsident Guido Severt.

Das sagen Stammgäste zur Schließung

Ralf Cholewa, MGV-Vorsitzender: „Herzensgut waren die Schercks immer. Unser Chor probte 90 Jahre lang im Sälchen. Obwohl wir jetzt woanders singen, war die Kneipe bis jetzt unser Vereinslokal. Früher hatten die Chorproben höchsten Stellenwert. Da wurde immer sonntags nach der Messe geprobt. Andere Gäste durften zwar ihr Bier trinken, mussten aber still sein und zuhören.“

Franz-Josef Klein, von 1989 bis 2012 Vorsitzender der Eischeme Knallköpp: „Wir haben unsere Prinzenwahl immer hier gemacht, legendäre Feiern. Anfangs fand auch die Proklamation hier statt, da platzte mit 80 Gästen alles aus den Nähten. Einmal hatte Renate am Tag nach der Proklamation eine Ääzezupp gekocht – „für umsonst“. Von da an gab es die jedes Jahr „umsonst“.

Mark von den Bergen, JGV Eintracht Eschmar: „Ich bin ab 16 quasi hier groß geworden. Das Wirtspaar war immer für uns da, hat uns bei Festen aktiv beim Bierzapfen unterstützt. Die Maiversteigerungen und unser Karneval waren immer heiße Feste.“ „Was da so alles passierte, hatten wir am nächsten Morgen immer vergessen“, pflichtet Kamerad Tim Gregulla bei.

Karl-Heinz Kubiack, weiterer Stammgast: „Die gemütliche Ecke war das Informations- und Kontaktzentrum Eschmars. Was daran liegt, dass sie für viele Stamm- und Vereinslokal zugleich ist. Legendär waren Renates Frikadellen und das Fischessen am Karnevalsdienstag. Die Schließung ist ein denkwürdiger Tag für Eschmar und zugleich ein Ausblick auf eine zukünftige neue gemütliche Ecke.“