Die vertrauliche Geburt ist eine Chance für Mütter, die das Kind nicht bei sich aufwachsen lassen können oder wollen.
DiakonieVertrauliche Geburt in Rhein-Sieg – Ausweg für Mütter, die keine sein wollen
An einen Fall erinnert sich Elke Hörmann besonders gut: Eine schwangere Frau hatte Hilfe in der Beratungsstelle der Diakonie am Herrengarten 1 in Siegburg gesucht. Sie war lange in einer toxischen Beziehung gewesen. Als sie herausfand, dass sie ungewollt schwanger geworden ist, war ein Abbruch schon nicht mehr möglich. Sie kam in Elke Hörmanns hell und freundlich eingerichtetes Beratungszimmer, erzählte ihre Geschichte und ließ sich das Prozedere der vertraulichen Geburt genau erklären.
Elke Hörmann ist Sozialpädagogin und Familientherapeutin in der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle der Diakonie im evangelischen Kirchenkreis An Sieg und Rhein. Die 51-Jährige ist, seit im Mai 2014 das Gesetz zur vertraulichen Geburt erlassen wurde, auch Beraterin dafür.
Siegburgerin steht auch bei der Geburt zur Seite
Mit dem Gesetz zum „Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt“ werden Frauen unterstützt, die ihre Schwanger- und Mutterschaft geheim halten wollen und das Kind nicht bei sich aufwachsen lassen können oder möchten. Dabei können sie im Krankenhaus oder Geburtshaus gebären und dabei vorerst anonym bleiben. Danach wird das Kind zur Adoption freigegeben.
„Mein Eindruck war, die Frau sollte erst einmal in Ruhe darüber nachdenken, ob sie das für sich in Erwägung zieht“, erzählt Elke Hörmann von dem konkreten Fall. Die Frau entschied sich dann für eine vertrauliche Geburt. Daraufhin wurden Jugendamt und Adoptionsvermittlungsstellen informiert. „Ich habe ihr angeboten, ihr bei der Geburt zur Seite zu stehen, aber das wollte sie nicht.“
Mutter nahm das Neugeborene in die Arme und verabschiedete sich
Stattdessen rief die Frau aber nach der Entbindung an. Sie bat darum, dass die Beraterin sie aus dem Krankenhaus abholte und nach Hause brachte. „Sie wollte unbedingt ihr Baby sehen und sich verabschieden.“ Die beiden Frauen gingen gemeinsam auf die Kinderstation, die Mutter nahm ihr Kind ein letztes Mal in die Arme und verabschiedete sich von dem Neugeborenen. „Das war ein außergewöhnlicher Moment“, erinnert sich Elke Hörmann. Sie habe die Frau nach Hause gefahren und seither nichts mehr von ihr gehört.
In Deutschland gibt es rund 110 vertrauliche Geburten pro Jahr. Schwangerschaftsberaterinnen wie Elke Hörmann sind an die Schweigepflicht gebunden. Sie begleiten die Frauen durch das Verfahren der vertraulichen Geburt. Einmalig muss die Frau bei der Beraterin ihren Namen und die Anschrift hinterlassen. Bis zum 16. Lebensjahr des Kindes werden diese Angaben, der sogenannte Herkunftsnachweis, in einem Briefumschlag verschlossen bei einer Bundesbehörde aufbewahrt. Danach hat das Kind das Recht, die Daten der leiblichen Mutter einzusehen.
Schon seit 1999 ist Hörmann in der Schwangerenberatungsstelle tätig. „Mir ist es wichtig in meiner Rolle als Beraterin da zu sein, keine Frau alleine zu lassen und sie zu unterstützen.“ Am besten sei es, so die Expertin, „wenn die Frauen einige Zeit vor der Geburt zu mir kommen“. Dann sei noch genug Zeit da, um sie ans Hilfesystem heranzuführen, bestenfalls schon Jugendamt und Adoptionsvermittlungsstelle zu informieren und eine Familie für das Kind zu finden.
So sieht es auch das Gesetz vor. Die Realität hat aber etwas anderes gezeigt: Die wenigsten kommen schon in der Schwangerschaft. „Häufig werden wir erst, wenn die Frauen schon in den Wehen liegen, für eine Beratung in die Klinik gerufen“, sagt Hörmann. In diesen Fällen hätten die Frauen, die eine anonyme Geburt möchten, von der vertraulichen Geburt nichts gewusst.
„Das Angebot ist nicht öffentlich genug“, findet Hörmann. Dabei übernehme der Bund bei einer vertraulichen Geburt die Kosten für die Beratung, Vor- und Nachsorge, bei einer anonymen Geburt bleibe die Klinik dagegen auf den Kosten sitzen.
Gesetz zur vertraulichen Geburt gibt es seit 2014
Die Gründe für Schwangere, bei der Geburt des Kindes anonym zu bleiben und es danach abzugeben, sind individuell und meistens mit Angst und Kummer verbunden. Manche Frauen wollen ihre Schwangerschaft verheimlichen, da sie unter starkem sozialem Druck stehen. Sie haben zum Beispiel Angst vor massiver Gewalt ihres Partners, leben illegal in Deutschland, sind obdachlos oder werden durch kulturelle oder weltanschauliche Zwänge unter Druck gesetzt.
„Wir sind noch nicht an dem Punkt, eine Frau zu akzeptieren, die ihr Kind abgibt. Sie wird immer noch als Rabenmutter gesehen“, sagt Hörmann. Diese Haltung gegenüber Frauen, die eine Adoption in Erwägung ziehen, sei ein großes Problem. Frauen in Notsituationen würden nicht richtig ernst genommen und abgewertet.
Darunter leide auch die Aufklärung über die bestehenden Hilfsangebote. Für Elke Hörmann ist klar: „Es ist ein mutiger, verantwortungsvoller Schritt, das Kind abzugeben und sich einzugestehen, dass es ihm woanders besser gehen wird.“