Wie hat Corona den Klaaf verändert?Besuch in drei Bierkneipen im Rhein-Sieg-Kreis
- Zum Kneipennesuch gehören jetzt auch Kunststoffwände, Verbotsschilder und Klebestreifen.
- Wir haben drei typische Bierkneipen im Rhein-Sieg-Kreis besucht.
- So hat Corona den Klaaf in der Kneipe verändert.
Rhein-Sieg-Kreis – „Der schönste Platz ist immer ...“ – wohl jeder kann den Titel des Gassenhauers mitsummen. Doch seit ein paar Wochen ist der Platz „... an der Theke“ nicht mehr ganz so gemütlich, hier Kunststoffwände, dort Verbotsschilder und Klebestreifen. Wie verändert Corona den Klaaf in der Kneipe? Wir besuchten drei typische Bierlokale.
Duschvorhang und Mülltüte
Rappelvoll war’s im Troisdorfer „Laternchen“ am ersten Öffnungstag nach der Zwangsschließung, „und am zweiten hatten wir schon das Ordnungsamt hier“, erzählt Marcus Neugebauer, der mit seinem Lebenspartner Torsten Schwarz das Stammlokal vieler Karnevalsgesellschaften im zehnten Jahr führt. Party war plötzlich streng verboten, schon beim Schunkeln musste der Spaß aufhören.
Doch wie die Theke abtrennen und die Gäste auf Abstand halten, wenn weit und breit keine Trennwände zu haben waren? „Wir hängten Müllsäcke vor den Thekenbereich und Duschvorhänge zwischen den Tischen auf“, berichtet Neugebauer. Mittlerweile gibt’s in der Kneipe in der Fußgängerzone einen Meter breite, starre Plexiglaselemente und markierte Barhocker-Plätze – und immer wieder Bestrebungen der Gäste, mit den Wirten durch die Lücken zu sprechen, ohne Barriere. „Jeder muss auf seinem Sitz bleiben“, mahnt der Wirt, der sich in der Lockdown-Phase ein zweites Standbein aufgebaut hat und sich daher für die zweite Welle gewappnet fühlt: Er ist als Repräsentant für die Provinzial tätig.
Knobeln auf der Fensterbank
Der flexible Spuckschutz schmiegt sich im „Jraduss“ auf der Siegburger Zange sogar um die Zapfanlage im Fässchen, der Abstand bis zum Holz hat Kölschglashöhe plus fünf Zentimeter. Genug Platz auch für Wirtin Ute Herzog, um mit den Gästen am Stammtisch Karten zu kloppen, „Schwarze Madonna“. Wie mit Willi, 57-jähriger Ex-Staplerfahrer und jetzt Frührentner, Harry Ennenbach, 74 und ehemaliger Baggerfahrer, und einem Dritten im Bunde. Der will nichts sagen, nicht mal seinen Vornamen. Selten an einem Ort, der wie kein anderer für „Kommunikation“ steht, wie es die 57-jährige Chefin, die von allen nur „Ute“ genannt wird, ausdrückt. Die Gäste sagen einfach „quatschen“.
Schnell strömten sie nach der zweimonatigen Zwangspause wieder in den Gastraum, für viele ein zweites Wohnzimmer: „Mama sagt immer, geh’ mal Karten spielen, aber lass das Portemonnaie hier“, feixt Ennenbach. Mit „Mama“ meint er seine Frau. Maskenpflicht, Einbahnstraße zum WC, Desinfektionsmittel gehörten halt auch hier zum Alltag, ihn störe nur, dass sich das Licht im transparenten Kunststoff zwischen Wirtin und Zechern spiegele. „Ist aber gut zu desinfizieren“, wirft Herzog ein. „Ich kann euch gut sehen.“
Noch schmeißt sie den Laden allein, ihre Festangestellte ist in Kurzarbeit, zu heftig sei der Einbruch auf Null bei laufenden Kosten gewesen, schildert die gelernte Schneiderin und Hauswirtschafterin, die nach 13 Jahren „Em Kehsge“ in der Innenstadt vor einem Jahrzehnt das „Jraduss“ eröffnete. Mit Corona gehe es auch, meint die verheiratete Vollblutwirtin, „wenn sich alle an die Regeln halten“. Nur selten müsse sie energisch werde, droht dann Uneinsichtigen: „Wenn sie mir die Kneipe dichtmachen, ziehe ich bei dir ein.“
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Schönste Szene der vergangenen Wochen: die zehnköpfige Knobelrunde, die eine Schlange durchs ganze Lokal bildete, mit jeweils eineinhalb Metern Abstand, „die saßen sogar auf der Fensterbank“. Ungewohnt die Geräuschkulisse: Die Zocker riefen sich ihre Würfel-Punktzahl laut zu.
Bitte einwickeln
Jörg Löbach sorgt täglich neu für Spannung: Er wickelt Frischhaltefolie um die Pfosten an der Theke, die Corona-Not machte den Wirt des „Alt Mülldorf“ in Sankt Augustin erfinderisch. Breite, signalfarbene Klebestreifen sorgen für Abstand zwischen den schönsten Plätzen.
„Zwar nicht das, was es mal gewesen ist“, bedauert Löbach, der sicher ist, dass die gemütlichen Zeiten so schnell nicht wiederkommen. Auch etliche Gäste blieben fern, wie die Gruppen auf der Kegelbahn. „Wir liegen momentan erst bei 40 Prozent.“ Gut, dass er noch seinen Verdienst als Speditionskaufmann hat.
Die Knobler Arnd, 60, Lorenz, 65, und der „liebe Friedel“, wie sich der charmante 84-Jährige vorstellt, schreckt Corona nicht ab. Sie haben ihre Stammplätze an der Theke eingenommen, würfeln und schlürfen ihr Kölsch. Wünschen würden sie sich aber nachvollziehbare Regeln, meint Arnd: „Hier der Abstand, an den Tischen hinten dürfen zehn Leute eng zusammensitzen, ist das logisch?“ Allgemeines Kopfschütteln. Dann geht’s weiter: „Pasch.“