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Säure-Angriff auf innogy-Manager GüntherDie Spuren führen ins Rotlicht-Millieu

Lesezeit 3 Minuten
Bernhard Günther dpa 251019

Der innogy-Manager Bernhard Günther ist von seinen Verletzungen gezeichnet.

Köln – Bei den Ermittlungen zum Säure-Anschlag auf den Innogy-Finanzchef Bernhard Günther vom März 2018 in Haan (Kreis Mettmann) tauchen neue Details auf. In einer kurzen Pressemitteilung hatte die Staatsanwaltschaft von einem anonymen Hinweis gesprochen, der zur Festnahme eines der beiden mutmaßlichen Attentäter vor gut einer Woche am Rande eines Kölner Ringerturniers geführt hatte.

Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ verhält es sich jedoch anders: Der Informant ist Ermittlern namentlich bekannt. Er hält sich derzeit im europäischen Ausland auf und wird beschützt. Zudem erwähnte die Staatsanwaltschaft mit keinem Wort jene Berliner Sicherheitsagentur „System 360 GmbH“, die den Durchbruch in dem Fall erreichte.

Ehefrau beschwert sich bei NRW-Innenministerium

Nachdem die Justiz im vergangenen Herbst die Nachforschungen eingestellt hatte, beschwerte sich die Frau des Opfers schriftlich beim NRW-Innenministerium über vermeintlich nachlässige Ermittlungen der Kripo und der Staatsanwaltschaft. Zum größten Teil sollen die Beamten das Privatleben des Manager-Ehepaares auf den Kopf gestellt haben, um einen etwaigen Täter zu finden. In einem Brandbrief an das Ministerium monierte die Ehefrau des Innogy-Vorstands, dass die Polizei nicht mit jenem nötigen Nachdruck ermittelt habe, den man in so einem Fall erwartet hätte.

Dabei hatte Bernhard Günther pures Glück, dass er für seinem morgendlichen Jogginglauf eigens Kontaktlinsen eingesetzt hatte. Diese verhinderten, dass die hochkonzentrierte Schwefelsäure die Augen verätzte. Nach dem Anschlag rappelte sich das lebensgefährlich verletzte Opfer auf, lief ins Haus, alarmierte die Rettungskräfte und stellte sich unter die Dusche, um die Säure abzuwaschen. Diese Geistesgegenwart rettete ihm das Leben.

Vergangenen Herbst beauftragte der Innogy-Konzern die Berliner Sicherheitsspezialisten der „System 360“-Agentur mit weiteren Ermittlungen. Die Firma verfügt über erfahrene Kriminalisten und IT-Forensiker. Geleitet wird das Unternehmen von August Hanning, Ex-Chef des Bundesnachrichtendienstes und Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Informant bekam 80 000 Euro

Nachdem Innogy im März 2019 eine Belohnung von 80 000 Euro ausgelobt hatte, meldete sich besagter Tippgeber. Er berichtete laut dem Nachrichtenmagazin Focus von dem Ringer Mirco L. (Name geändert), einem gebürtigen Serben und Mitglied der Hells Angels, der spezielle Aufträge abgewickelt haben soll.

So auch das Säure-Attentat mit einem noch flüchtigen türkischen Komplizen auf den Energie-Manager Günther nahe dessen Villa in Haan. Die Privatermittler aus Berlin durchleuchteten zunächst die Vita des Informanten. Danach überprüften sie dessen Angaben zu dem Tatverdächtigen Mirco L. in Belgrad. Dabei stießen sie auf einen rechtsextremen Zirkel von Rockern, Schwerkriminellen und Ex-Mitgliedern von Armee-Sondereinheiten, die Männer fürs Grobe einsetzen – wie den 32-Jährigen Mirco L., der am Freitag vergangener Woche bei einem Ringerwettbewerb in Köln-Ehrenfeld verhaftet wurde und die Tat nach Angaben der Staatsanwaltschaft seitdem bestreitet.

Kontakte zu ehemaligen Kölner Rotlichtpaten

Die Düsseldorfer Kripo und Staatsanwaltschaft Wuppertal öffneten die Akte erneut. Fortan ermittelten die staatlichen Stellen in enger Abstimmung mit den Privatfahndern aus Berlin. Den Erkenntnissen zufolge soll der mutmaßliche Säure-Attentäter unter anderem dem ehemaligen Kölner Rotlichtpaten Necati Coskun Arabaci nahe stehen. Arabaci, genannt Neco, soll von der Türkei aus als einflussreicher Boss der Höllenengel auch heute noch im Rheinland seine Strippen ziehen.

Zugleich durchforstete die Berliner Sicherheitsagentur das berufliche Umfeld des Opfers. Dabei stieß man auf etliche Anhaltspunkte, dass der Anschlag womöglich auf das Konto eines Konkurrenten aus der Energiewirtschaft gehen könnte. Der Verdächtige soll etliche Verbindungen ins Rotlichtmilieu unterhalten. Die Spur führte in ein Bordell, in dem der Deal für das Attentat eingefädelt worden sein soll.

Auch gingen die Detektive in das Jahr 2012 zurück. Damals wurde Günther ebenfalls beim Joggen überfallen und zusammengeschlagen. Einer der Täter, so der Verdacht, könnte der inhaftierte Mirco L. sein. Seinerzeit wurden Handschuhe vom gleichen Typ benutzt wie sechs Jahr später beim Säure-Attentat. Es bleibt abzuwarten, ob noch weitere Beschuldigte in dem Komplott enttarnt werden. Und ob die Beweislage letztlich dafür reicht, den mutmaßlichen Auftraggeber zur Strecke zu bringen.