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Unüberbrückbare DifferenzenStreit um Leverkusener Brücke eskalierte bereits im März

Lesezeit 4 Minuten

Der Stahlstreit um die Rheinbrücke in Leverkusen könnte den Neubau deutlich verteuern und verzögern.

  1. Aus einem Schriftwechsel zwischen dem Baukonzern Porr und der Landesregierung geht hervor, dass der Streit um Stahlbauteile schon im März eskaliert ist.
  2. Porr-Vorstand Karl-Heinz Strauss macht in einem Brief deutlich, welche Folgen eine Vertragskündigung durch den Landesbetrieb Straßen NRW hätte.
  3. Dem Baukonzern zufolge sei das jetzige Vorgehen „völlig unbegründet“ und von „unsachlichen Motiven“ getrieben.
  4. Der Landesbetrieb habe Prüfungen zudem „ohne Abstimmung im Alleingang und auch mit Methoden, die in dieser Form weder normgemäß noch üblich sind, vornehmen lassen“, heißt es.

Köln/Leverkusen – Der Qualitätsstreit um die Stahlbauteile aus chinesischer Fertigung für den Neubau der Rheinbrücke Leverkusen zwischen dem Baukonzern Porr und dem Landesbetrieb Straßen NRW ist schon Ende März eskaliert. Das geht aus einem Schriftwechsel zwischen Porr und der Landesregierung hervor, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Der Landesbetrieb verweigert die Annahme der Stahlträger wegen erheblicher Mängel.

In einem Brief an NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) macht Porr-Vorstand Karl-Heinz Strauss am 31. März deutlich, welche Folgen eine Vertragskündigung durch den Landesbetrieb hätte: „Mindestens zwei Jahre Bauverzögerung und Mehrkosten in Höhe von bis zu 300 Millionen Euro“, heißt es darin. Bisher soll der Neubau 363 Millionen Euro kosten.

Porr: Unsachliche Motive

Porr habe nur „deswegen ein besonders günstiges Angebot vorlegen“ können, „weil wir als einziger Bieter einen Teil der Stahlbauteile durch die Brückenbautochter der staatlichen chinesischen Eisenbahngesellschaft China Rail-ways, die China Rail-ways Shanhaiguan Bridge Company, herstellen lassen“, heißt es. Das jetzige Vorgehen von Straßen NRW indes sei „völlig unbegründet“ und von „unsachlichen Motiven“ getrieben, so Strauss. Die Produktion in China sei von Porr, vom Tüv Rheinland „als auch von Straßen NRW, die hierfür eine Gemeinschaft von zwei Ingenieurbüros beauftragten, ständig und mit hohem Aufwand überwacht und überprüft worden“. Man habe alle angezeigten Mängel behoben, die Produktion den Vorgaben von Straßen NRW angepasst. Die erste Lieferung sei „auch von Straßen NRW als in Ordnung und für den Transport nach Europa freigegeben worden“. Das war im Oktober 2019.

Der Landesbetrieb habe eine weitere Überprüfung der Stahlteile nach dem Abladen in Rotterdam verlangt. Ursprünglich sei „nur eine kurze Prüfung auf Transportschäden vor dem Transport per Binnenschiff zur Baustelle vorgesehen“ gewesen, so Strauss. Man habe zugestimmt, nachdem zuvor die Art der Prüfung „einvernehmlich festgelegt“ worden sei. Ein Rechtsanspruch habe nicht bestanden.

Der erste Neubauteil soll Ende 2021 fertig sein.

Der Landesbetrieb habe die Prüfungen „ohne Abstimmung im Alleingang und auch mit Methoden, die in dieser Form weder normgemäß noch üblich sind, vornehmen lassen“, so der Vorwurf. Bei nur zwei Bauteilen habe das fast drei Monate gedauert. „Diese Prüfungen hatten ganz offensichtlich das Ziel, so lange zu prüfen, bis Mängel gefunden werden“, so Strauss. Das daraus resultierende Gutachten, das seit Mitte März vorliegt, beanstande Mängel in einer „verzerrten Sichtweise“, die entweder „keine tatsächlichen Mängel“ seien oder „einfach behoben werden können“. Daraus die Forderung zu erheben, alle produzierten Stahlteile neu herstellen zu lassen oder den chinesischen Lieferanten auszutauschen, sei durch nichts gerechtfertigt. „Obwohl die Situation immer kritischer wurde, verweigerten sich die Mitarbeiter von Straßen NRW schon in den letzten Monaten konstruktiven Gesprächen“, so Strauss in dem Brief weiter.

Im Falle der Vertragskündigung wäre Porr „gezwungen, unsere Ansprüche auf Werklohn in beträchtlicher Höhe auf der Grundlage der dann erfolgten freien Kündigung geltend zu machen“. Ein solches Szenario „kann nicht im Interesse der Politik sein“, so Strauss.

Die Reaktion des Verkehrsministeriums auf das Schreiben folgt drei Tage später. Staatssekretär Hendrik Schulte, der vor seinem Wechsel ins Ministerium ein Jahr lang für die Porr AG als Ingenieur beim U-Bahnbau in Frankfurt tätig war, verfasst eine klare Antwort auf den Porr-Hinweis, eine Kündigung könne das Bauprojekt um bis zu 300 Millionen Euro verteuern.

Forderung zurückgezogen

Die Porr AG selbst habe schon am 23. Dezember 2019 einen Nachschlag von 221 Millionen Euro netto gefordert und „eine erhebliche Bauzeitverlängerung von 57 Monaten“ beansprucht.

Zu diesem Zeitpunkt war von einer möglichen Kündigung des Vertrags durch Straßen NRW gar keine Rede. „Das sind brutto über eine viertel Milliarde Euro mehr“, schreibt Staatssekretär Schulte im Auftrag des Verkehrsministers. Das habe man damals mit „größerer Verwunderung“ zur Kenntnis genommen.

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Es sei das Ziel des Landes, „in Leverkusen ein qualitativ hochwertiges und langlebiges Bauwerk in einer angemessen Bauzeit zu bauen. Tragfähigkeit und Dauerhaftigkeit sind dabei unter anderem zwei Parameter, die für das Land und die Menschen in Nordrhein-Westfalen wichtig sind. Ich hoffe, dass diese Sichtweise für Sie nachvollziehbar ist“, so Staatssekretär Schulte.

Der Porr-Vorstand reagiert prompt. 24 Stunden später ist die millionenschwere Forderung vom Tisch. „Wir ziehen diesen Nachtrag hiermit zurück und werden diesen intern kritisch überprüfen“, schreibt Strauss. So schnell spart man 250 Millionen Euro.

Der Landesbetrieb Straßen NRW hat die ehemalige Direktorin Elfriede Sauerwein-Braksiek jetzt gebeten, im Stahlstreit mit ihrer Expertise zur Verfügung zu stehen. „Sie hat über viele Monate das Projekt verantwortlich begleitet und verfügt demzufolge über umfangreiches Wissen. Insofern ist es nur folgerichtig, nicht auf ihr Wissen bei den laufenden Gesprächen zu verzichten“, heißt es in einer Stellungnahme auf Anfrage unserer Zeitung.

Seit dem 1. April leitet Sauerwein-Braksiek die Niederlassung in Westfalen der neuen Autobahn GmbH des Bundes.