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Rhein-Berg auf letztem PlatzSo schlecht schneiden Köln und Region bei der Windkraft ab

Lesezeit 5 Minuten
Windräder sind in einem Windpark bei Sonnenaufgang zu sehen.

Die Bundesregierung will zwei Prozent der Fläche des Landes für Windkraft ausweisen. Davon ist NRW noch weit entfernt.

Nur drei Kreise im Land erreichen die Ziele der Bundesregierung für erneuerbare Energien. Vor allem die Region rund um Köln schneidet schlecht ab.

Klar, auf die Hohe Straße kann man nicht einfach ein Windrad stellen. Aber nicht nur die Großstädte haben hier ein Problem, fast ganz Nordrhein-Westfalen ist weit davon entfernt, die Ziele der Bundesregierung für erneuerbare Energien umzusetzen. Zumindest bei der Windkraft ist die Lage deutlich.

Der Bund plant ambitioniert: Bis 2030 sollen rund 115 Gigawatt installierter Leistung aus Windkraft an Land anliegen, schreibt die Bundesregierung. Die aktuelle Version des Erneuerbare-Energien-Gesetzes verpflichtet die Länder, bis zum 31. Dezember 2032 durchschnittlich zwei Prozent ihrer Fläche für den Ausbau der Windenergie zu reservieren. Die genauen Werte unterscheiden sich zwischen den Bundesländern: Nordrhein-Westfalen wird zu 1,8 Prozent verpflichtet, Rheinland-Pfalz dagegen zu 2,2 Prozent.

Da arbeitet die Landesregierung noch nicht so schnell, wie wir uns das wünschen würden.
Christian Mildenberger

„Die Windenergiebranche hat dieses Zwei-Prozent-Fläche-Ziel stark eingefordert“, sagt dazu Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE), im Gespräch mit dieser Zeitung. Es basiere auf Studien, die ausgehend von den Zielvorgaben für die Produktion erneuerbarer Energien errechnet haben, wie viel Fläche dann für Windenergieanlagen vorgehalten werden muss. „Für NRW kam dabei dann eben heraus, dass 1,8 Prozent Fläche reichen“, so Mildenberger.

Rechnet man dieses Ziel auf die Kreisebene für NRW herunter, gibt es einige, die bereits jetzt die Quote übererfüllen. Der Großteil aber erreicht die gewünschten Zahlen nicht einmal annähernd. „Die schwarz-grüne Landesregierung legt in diesem Frühjahr für alle sechs Planungsregionen in NRW (also die fünf Regierungsbezirke und das Gebiet des Regionalverbandes Ruhr, der eine eigene Planungsregion bildet, Red.) die Ausbauziele fest. Diese Festlegungen erwarten wir mit Spannung, auch wenn es dafür noch kein offizielles Datum gibt. Da arbeitet die Landesregierung noch nicht so schnell, wie wir uns das wünschen würden. Frühjahr ist ja ein dehnbarer Begriff“, erläuterte der Geschäftsführer des LEE.

Paderborn baut doppelt so viele Windräder, wie vom Land gefordert

In NRW stehen insgesamt 3698 Windräder, die zum Stichtag 23. Januar 2023 in Betrieb sind. Damit erfüllt das Land das Ziel der Bundesregierung zu 43 Prozent, den NRW-spezifischen Anspruch zu 47 Prozent. Das liegt aber zu einem großen Teil an wenigen einzelnen Kreisen, die mit großem Abstand die meisten Anlagen gebaut haben. Auf die für Windkraft zur Verfügung gestellte Fläche bezogen, sind aktuell 0,7 Prozent des Gebietes von Nordrhein-Westfalen für Windräder genutzt, sagt Mildenberger.

Paderborn ist beim Windkraftausbau der absolute Spitzenreiter. Hier stehen 477 Windkraftanlagen, der Kreis erfüllt das Zwei-Prozent-Ziel zu mehr als 180 Prozent. Anders ausgedrückt: Im Kreis Paderborn sind knapp 3,6 Prozent der Fläche oder 44,6 Quadratkilometer mit Windrädern bebaut – etwa doppelt so viel wie die NRW-Quote fordert. Höxter, mit immerhin 384 Anlagen, übertrifft das Landesziel um 24 Prozent.

Fast alle Kreise in NRW noch weit vom Ziel entfernt

Demgegenüber steht der Rheinisch-Bergische Kreis. Nur zwei Windräder hat der Kreis in Betrieb, die zusammen etwa 0,28 Megawatt installierte Leistung liefern können. Das macht bei einer Fläche von 437 Quadratkilometern eine Erfüllung der Ziele von Bund und Land von weniger als einem Prozent jeweils.

Selbstverständlich fordern weder Bundes- noch Landesregierung, dass jeder Kreis oder jede kreisfreie Stadt einzeln das 1,8-Prozent-Ziel umsetzt. In Städten wie Köln, Düsseldorf oder Leverkusen ist das schon aufgrund der Abstandsregelungen und verfügbaren Flächen nicht möglich. Allerdings zeigt ein Blick auf die Verteilung der Windräder im Land deutlich, welche Regionen in die erneuerbaren Energien investiert haben, und wo Nachholbedarf besteht.

Die meisten Arten sterben durch den Klimawandel, nicht durch Windkraftanlagen.
Christian Mildenberger

Es hake bisher vor allem in der Bereitstellung der nötigen Flächen, sagt Mildenberger. Es gebe Kommunen, die in der Vergangenheit nicht viel dafür getan hätten, Flächen für Windräder bereitzustellen. Durch „den schrecklichen Krieg in der Ukraine“ und die damit verbundene Debatte, wie Deutschland seine Energieversorgung ohne russisches Gas sichern könne, habe sich aber seiner Einschätzung nach die Wahrnehmung gewandelt.

Bisher habe mit Blick auf Windkraftanlagen vielerorts die Haltung vorgeherrscht: Ich mache nichts. Dann habe ich auch keinen Ärger. Jetzt greife in den Rathäusern eine andere Erkenntnis Raum: Wenn ich nichts mache, dann werde ich bei den Erneuerbaren Energien abgehängt.

Gerade auch die Waldeigentümer – in NRW sind etwa 60 Prozent des Waldes in Privatbesitz – hätten ihm gesagt: Wir wollen Windenergie in unseren Wäldern. Denn auch um durch Trockenheit, Stürme und den Borkenkäfer zerstörten Wälder wieder aufforsten zu können, benötigten die Waldeigentümer unter anderem Erträge aus Windenergie, damit sie die Aufforstung finanzieren könnten.

Schließlich hätten sich auch die Befürchtungen von Natur- und Vogelschützern, dass Windenergieanlagen eine große Gefahr für die Tierwelt darstellen, in Studien widerlegen lassen. Insbesondere der Raubvogel Rotmilan wird immer wieder gern als besonders gefährdet durch die Rotoren der Windkraftanlagen bezeichnet. „Im Kreis Paderborn mit den meisten Windrädern in NRW ist der Bestand an Rotmilanen gewachsen“, betont Mildenberger. „Die meisten Arten sterben durch den Klimawandel, nicht durch Windkraftanlagen.“


Daten und Methoden

Ohne die genauen Maße der einzelnen Anlagen zu kennen, rechnen wir mit einer durchschnittlichen Leistung von etwa 23 Megawatt pro Quadratkilometer Fläche (basierend auf Werten aus dieser Studie) und orientieren uns dabei am Energiewende-Monitor des RND. Jede registrierte Windkraftanlage, ihr Standort sowie die installierte Leistung sind im Marktstammregister einzusehen. Die Flächendaten stellt das Statistische Bundesamt zur Verfügung.

Installierte Leistung bezeichnet die maximale Energie, die eine Anlage bei optimalen Bedingungen in einem Moment erzeugen kann. Mehr als den hier registrierten Wert kann sie zu keinem gegebenen Zeitpunkt ins Stromnetz einspeisen. Wichtig: Die installierte Leistung ist keine Größe, die angibt, wie viel Strom in einem bestimmten Zeitraum tatsächlich erzeugt wird. Die Arbeit einer Anlage wird von vielen Faktoren, darunter natürlich vor allem das Wetter, beeinflusst und variiert über Zeit. Strom aus Windkraft hatte 2021 etwa einen Anteil an der eingespeisten Strommenge von 21,5 Prozent, schreibt das Statistische Bundesamt. Das waren 111,5 Milliarden Kilowattstunden.