AboAbonnieren

Nerven- und HirnschädenDrogenhilfe warnt im Rhein-Erft-Kreis vor Lachgas

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt eine Kartusche mit Lachgas

Ärzte warnen vor dem Konsum von Lachgas.

Wie gefährlich ist Lachgas wirklich. Ärzte und Drogenhilfe warnen vor Konsum.

Lachgas ist Erwachsenen vor allem als sanfte Inhalationsnarkose in der Geburtshilfe oder beim Zahnarzt ein Begriff. Doch in jüngster Zeit macht das Gas vermehrt als Droge bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen von sich reden. Straftaten zur Beschaffung und im Rausch machen Schlagzeilen, und Ärzte warnen vor den gesundheitlichen Risiken wie schweren Nerven- und Hirnschäden oder Lähmungen.

Auch im Rhein-Erft-Kreis fällt das Schlagwort Lachgas immer wieder im Zusammenhang mit Einbrüchen oder Unfällen. So krachte Ende Juni in Kerpen ein 19-Jähriger mit seinem Auto in die Mauer eines Supermarktparkplatzes. Im Fahrzeug wurden Lachgaskartuschen und Luftballons gefunden, durch die das Gas eingeatmet wird. In Bergheim warfen ebenfalls Ende Juni Unbekannte nachts die Scheibe eines Kiosks mit einem Gullydeckel ein und stahlen zahlreiche Gasbehälter.

Schlagzeilen machte zudem der Prozess gegen drei Männer im Alter von 17, 18 und 21 Jahren vor dem Kölner Landgericht, die Anfang Juli für eine Serie von Tankstellen- und Straßenüberfällen in Kerpen, Elsdorf und Bedburg zu Haftstrafen verurteilt wurden. Geldnot wegen des Konsums von Cannabis und Lachgas soll ein Motiv gewesen sein. „Nach unserer Erfahrung ist Lachgas meist nicht die einzige Droge, die konsumiert wird, aber seit zwei bis drei Jahren beobachten wir einen starken Zuwachs“, erklärt Ralf Wischnewski, Leiter der Fachstelle für Suchtprävention der Drogenhilfe Köln in Hürth.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Der Rhein-Erft-Kreis arbeitet eng mit den Kölner Experten zusammen, die unter anderem zwei Beratungsstellen in Brühl und Bergheim betreiben. Dabei sei Lachgas als Rauschmittel kein neues Phänomen, weiß Wischnewski. Es blieb aber über Jahrzehnte eine Randerscheinung, vor allem wegen des nur kurzen Rauscheffekts und der eingeschränkten Verfügbarkeit. „Früher gab es Lachgas vor allem in kleinen Kartuschen für den Haushalt zum Aufschlagen von Sahne, die aber nur mit einem entsprechenden Aufsatz funktionierten“, erklärt Wischnewski.

So ein kleiner Behälter reichte gerade einmal für einen Kick. Mittlerweile sind aber große Kartuschen mit 100 oder 200 Portionen am Markt, die direkt in Luftballons abgefüllt werden können, aus denen das Gas inhaliert wird. Verkauft würden sie an Tankstellen, Kiosken oder über das Internet, oft direkt zusammen mit den typischen schwarzen Ballons – ganz legal, denn Lachgas ist ohne Altersbeschränkung frei verkäuflich. „Diese hohe Verfügbarkeit hat etwas verändert und den Konsum stark ansteigen lassen“, sagt der Experte für Suchtprävention.

Die sozialen Medien wirkten dabei als zusätzliche Multiplikatoren, machten Lachgas gerade bei Jugendlichen zur hippen Mode- und Partydroge oder forderten sogar zu „Challenges“ im Rausch auf. „Oft ist es zunächst eher ein Probierkonsum, ein vermeintlich kurzer und sicherer Rausch.“ An die Langzeitfolgen werde nicht gedacht. Ganz zu schweigen von der Unfallgefahr im Straßenverkehr. Es ist wichtig, dass Lachgas als Droge stärker in den Fokus rückt und der Gesetzgeber durch Verkaufseinschränkungen tätig wird“, fordert Wischnewski. „In der Prävention sprechen wir das Thema im Rahmen unserer Lehrerfortbildungen und Elternabende immer mit an.“

Zudem bereite die Drogenhilfe Köln derzeit Material für eine „Unterrichtseinheit Lachgas“ vor, die Lehrer ab dem neuen Schuljahr nutzen könnten. Ein Problem auf offizieller Seite, bei Behörden und Politik, sieht Ralf Wischnewski auch darin, dass Lachgas bisher in Drogenstatistiken kaum auftaucht. „Meist läuft es nur unter sonstige Substanzen oder wird gar nicht abgefragt.“

Polizei führt keine Statistik

Auch die Polizei im Rhein-Erft-Kreis führt nach Angaben von Pressesprecherin Juliane Steiert keine spezifische Statistik zum Lachgaskonsum im Zusammenhang mit Unfällen oder Straftaten. „2022 und 2023 waren wie auch im laufenden Kalenderjahr lediglich vereinzelte Verdachtsfälle festzustellen“, betont sie. Allerdings seien Straftaten im Zusammenhang mit und der Konsum von Lachgas trotz der medialen Aufmerksamkeit in der Region kein größeres Problem. „Der Kreispolizeibehörde sind derzeit keine Personengruppen oder Örtlichkeiten bekannt, an denen Lachgas in hohem Maße konsumiert wird.“ Trotzdem habe man das Thema in die Präventionsarbeit, insbesondere an Schulen und Berufskollegs, aufgenommen.

Eine spezifische Eigenschaft von Lachgas erschwert den Ermittlungsbehörden allerdings ihre Arbeit. Es ist sehr flüchtig und im Körper schwer nachzuweisen. Selbst wenn Lachgaskartuschen, wie bei dem Unfall in Kerpen, im Auto gefunden werden, ist das noch kein Beweis für einen Rausch des Fahrers, aber immerhin ein Anhaltspunkt. Und auch wenn Lachgas nicht verboten ist, ist es eine Fahrt unter dessen Einfluss natürlich schon.

Die Sprecherin der Polizei erläutert die Rechtslage: „Sollte der Verdacht bestehen, dass ein Fahrzeugführer unter dem Einfluss von Lachgas einen Verkehrsunfall verursacht haben könnte, müssen Polizisten gegen ihn ein Verfahren wegen des Verdachts der Gefährdung des Straßenverkehrs einleiten (§ 315c StGB). Und kann ein Fahrer aufgrund des Konsums von Lachgas sein Fahrzeug nicht sicher im Straßenverkehr führen, zieht das ein Verfahren wegen Trunkenheit (§ 316 StGB) nach sich.“ www.drogenhilfe.koeln.de