Sie verlieren Freunde im Einsatz, werden angegriffen und machen trotzdem immer weiter. Wir haben drei Mutmacher gefragt, was sie antreibt.
MutmacherTote Kameraden, körperliche Attacken – Was Einsatzkräften in Rhein-Sieg Kraft gibt
Es sind Menschen, die immer wieder schreckliche Ereignisse erleben, Menschen aus der Not helfen und selbst Freunde verlieren oder angegriffen werden. Was treibt sie an? Wir haben drei Mutmacher befragt.
Leiter der Sankt Augustiner Feuerwehr verlor zwei Kameraden im Einsatz
Herbert Maur ist der Leiter der Feuerwehr Sankt Augustin. Bei einem Einsatz am 18. Juni in Niederpleis verloren eine Kameradin und ein Kamerad ihr Leben. Es war der schwärzeste Tag in der Geschichte der Feuerwehr. Maur hat nur ganz kurz gezuckt, hat im Team seiner beiden Stellvertreter seinen Rücktritt angesprochen. Doch das Thema war schnell vom Tisch.
Der Zusammenhalt ist noch besser geworden, sagt der 56-Jährige. Wir hatten danach schon mehrere große Einsätze, zum Beispiel der Brand im Kloster der Steyler Missionare. Die Feuerwehr hält zusammen. Ich hatte Angst, dass Freiwillige wegbrechen und austreten, weil sie Angst vor der Gefahr haben. Das Gegenteil ist der Fall.
269 Aktive hat die Wehr aktuell, neun mehr als vor dem Brand in Niederpleis. Bei der Jugendfeuerwehr gibt es gar ein Plus von 17. Maur bleibt stets vorsichtig: „Feuerwehr ist gefährlich. Alter und Erfahrung sind wichtige Aspekte, immer wieder weiter zu machen. Natürlich brauchst Du auch eine starke Frau im Hintergrund und ein gutes Team in der Wehrleitung.“
Einen starken Rückhalt erlebt er in der Verwaltung, insbesondere durch Bürgermeister Max Leitterstorf. Da gibt es viel Zuspruch und Angebote zur Hilfestellung, und das bei jedem Einsatz. Aber wohl noch wichtiger ist der Rückhalt bei seinen Kameradinnen und Kameraden. „Bei einer Abfrage, wer zum Abfüllen von Sandsäcken kommt an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag, haben sich mehr als 100 gemeldet.“
Selbst bei kleineren Bränden hat er schnell 50 Einsatzkräfte bereitstehen: „Das bestätigt mich, das gibt mir Kraft“, erklärt Maur. Seit dem 1. Januar 1980 ist er bei der Feuerwehr, gründete damals in Hangelar die Jugendfeuerwehr. „Damals fuhren wir als Kinder mit, da habe ich früh mitbekommen, was es heißt Feuerwehrmann zu sein und wie gefährlich das ist.“
Spaß muss es machen. „Wir gehen gerne neue Wege, sind oftmals Vorreiter, wie bei der Drohne. Aber immer nur unter dem Aspekt, was wird gebraucht“, so der Feuerwehrchef. Mit seinen Fahrzeugen ist er auf dem neuesten Stand, das gibt Motivation für alle. Als nächstes kommt ein Teleskoplader, der erste im Kreis.
Maur verrät noch andere Kraftwurzeln: „Auf Schlaf lege ich sehr viel Wert.“ Und den holt er nach, wenn es mal knapp wird. Immerhin ist er häufig in der Nacht unterwegs, bei jährlich rund 700 Einsätzen. „Urlaub spendet Kraft, dann fahre ich aber auch weg, dann ruft keiner an.“ Wohin es geht? „Immer dahin , wo es warm ist.“
Daniel Wielpütz hat als Notarzt auch schon physische Attacken erlebt
Daniel Wielpütz ist Notarzt und Oberarzt im Krankenhaus, Verbandsführer bei den Johannitern und Mitglied des Einsatznachsorgeteams, fährt zur Not auch mal raus für die Betreuung und Verpflegung von Feuerwehrleuten. Er habe durch seine Familie eine hohe Resilienz, also die Fähigkeit sich von Stress gut zu erholen.
Es gibt auch Abschottmechanismen. Wenn er den Schlüssel zu Hause ans Brett hänge, sei der Job zu Ende, so Wielpütz. „Zehn Prozent nimmst Du aber mit nach Hause, daran knabberst Du.“
Verbale Gewalt erlebt der Troisdorfer regelmäßig bei seinen Notarzteinsätzen, vor allem von den Angehörigen. Aber er hat auch physische Attacken erlebt. Ganz aktuell war es ein Einsatz nach einer Prügelei unter Betrunkenen in einem Hochhaus. „Mit einem Verletzten bin ich in so einem schmalen Hochhaus-Aufzug nach unten gefahren. Da zog der plötzlich ein Küchenmesser mit langer Klinge.“
Wielpütz konnte den Besoffenen an die Wand drücken und überwältigen: „Das bleibt schon hängen. In der Situation machst Du fertig, aber das kommt später hoch.“ Die Erfahrungen nimmt er mit. „In der nächsten Situation stellst Du Dich besser auf, denkst zum Beispiel über Fluchtmöglichkeiten nach.“
Die Anspruchshaltung sei enorm gewachsen. Und dann gibt es doch die Situationen, wo er Menschenleben rettet. „Das war sinnvoll. Das baut Dich wieder auf, das motiviert enorm. Du erreichst was. Das ist, was ich gerne machen möchte. Darin sehe ich den Sinn für das, was ich tue.“
Lohmarerin Manu Gardeweg betreibt ein Vollzeit-Ehrenamt
Manu Gardeweg ist ein Phänomen. Sie lebt Lohmar hilft, hat mehr als 300 Geflüchtete in Arbeit gebracht, findet unter ihnen immer wieder Menschen, die ehrenamtlich dabei sind. Die Lohmarerin organisiert Hilfsgüter für Opfer von Bränden, Überflutungen und schickt regelmäßig Transporte in die Ukraine. „Das ist mein Hobby, das ist mein Job“, sagt sie ein bisschen lakonisch.
„Meine Familie gibt mir die Kraft“, so Gardeweg, „ich habe supertolle Helfer und ein endgeiles Team.“ Ihre Halle will sie jetzt noch mal um 500 Quadratmeter erweitern. „Wir expandieren, wir haben eine gute Zusammenarbeit mit vielen Hilfsorganisation, aber auch mit vielen Kommunen.“ Aktuell beobachtet sie argwöhnisch die Pegelstände, sorgt sich um die Deiche an der Agger.
„Das ist ein Vollzeit-Ehrenamt“, beschreibt sie ihre Arbeit, „unter 14 Stunden komme ich da nicht raus.“ Noch während sie das erzählt, belädt sie einen weiteren Transporter, der über Polen in die Ukraine geht.