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Zunehmende RadikalisierungWomit bei der AfD 2022 zu rechnen ist

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Weidel DPA 020122

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel

Kurz vor dem Jahreswechsel verlor die AfD-Bundestagsfraktion zwei weitere Abgeordnete. Uwe Witt begründete seinen Rückzug mit „Grenzüberschreitungen“ von AfD-Mitgliedern. Johannes Huber ging, weil er selbst für eine derartige „Grenzüberschreitung“ verantwortlich war - in einer geschlossenen Telegram-Gruppe hatte er eine hoch riskante „Anleitung“ für das Umgehen von 2G-Regelungen gegeben.

Der Doppel-Austritt ist symptomatisch für den Zustand der Rechtspartei zum Beginn des Jahres 2022. Die Partei dockt immer stärker ans Milieu der Corona-Maßnahmengegner an, ohne dort aber entscheidend punkten zu können. Erfolge an der Wahlurne sind 2022 ohnehin unwahrscheinlich: Die vier Landtagswahlen des Jahres finden alle in westdeutschen Bundesländern statt, im Saarland, in Schleswig-Holstein. Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. In allen vier Ländern hat sich die AfD in den vergangenen Jahren besonders stark durch interne Querelen und Spaltungen hervorgetan. Wenn sie den Wiedereinzug in alle vier Landtage schafft, wäre allein das schon ein Erfolg.

In die Wahlkämpfe muss die Partei zudem womöglich mit dem Malus einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ziehen. Im ersten Quartal 2022, also zwischen Januar und März, wird das Verwaltungsgericht Köln über einen Eilantrag der AfD entscheiden, der dort bereits seit fast einem Jahr liegt. Die Partei will dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) untersagen, die AfD als rechtsextremen „Verdachtsfall“ oder „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen und zu behandeln und das öffentlich bekanntzugeben. Zurzeit ist dem BfV diese Einstufung per „Hängebeschluss“ untersagt.

Nach den Ereignissen der vergangenen Monate ist eigentlich unausweichlich, dass die Verfassungsschützer bald schon einen Schritt weiter gehen und die AfD in Gänze als gesichert rechtsextreme Bestrebung in den Blick nehmen, wie es schon einige Landesämter im Osten tun.

AfD: Verfassungsschutz schaut in einzelnen Bundesländern genau hin

Die Radikalisierung hat das nicht aufgehalten: Der rechtsextreme Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke seit Wochen bei Corona-Demos filmen, gibt auf seinem Telegram-Kanal Tipps, wie Polizeimaßnahmen zu unterlaufen sind und bedient sich unverhohlener Umsturzrhetorik. Auch der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete René Springer gibt auf seinem Facebook-Profil Tipps „für einen erfolgreichen Spaziergang“. „Sei kein Rädelsführer“, heißt es da, und: „Keinen Personalausweis o.ä. dabeihaben. Personenfeststellungen müssen lange dauern. 1000 Spaziergänger ohne Ausweis sind nicht zu kontrollieren.“

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Im Südwesten beobachtet der Verfassungsschutz bereits die „Junge Alternative“ (JA) und den formal aufgelösten „Flügel“ im Land. Wie das Innenministerium von Thomas Strobl (CDU) auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mitteilt, drängt es beide Strömungen in den vergangenen Wochen verstärkt auf die Straße: „Im Rahmen der Demonstrationen versuchen die extremistischen AfD-Teilstrukturen neue Zielgruppen zu erschließen und für die eigene Agenda zu werben. Insgesamt nehmen verschwörungsideologische Inhalte rund um das Pandemiegeschehen und Vergleiche mit totalitären Regimen viel Raum in den Äußerungen von JA- und „Flügel“-Akteuren ein.“ Die Landes-Verfassungsschützer sehen aber bisher lediglich einen „Versuch, das sehr heterogene Protestgeschehen rund um die Corona-Schutzmaßnahmen für sich zu vereinnahmen.“

Meuthen-Nachfolger aus Nordrhein-Westfalen=

In Nordrhein-Westfalen war die „Junge Alternative“ am Neujahrstag in Düsseldorf bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen auf der Straße. AfD-Landeschef Rüdiger Lucassen ließ sich mit den Nachwuchs-Politikern fotografieren, die „gegen die Impfpflicht und für unsere Freiheitsrechte“ demonstrieren wollten.

Lucassen gilt als einer der möglichen Nachfolger von Parteichef Jörg Meuthen, der in den vergangenen Jahren versucht hat, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch zu vermeiden. Meuthen aber legt beim nachgeholten Parteitag im Frühjahr endgültig sein Amt nieder. Größere Chancen als Lucassen hat der bayerische Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer. Der trat Mitte Dezember bei einer Kundgebung in Nürnberg auf und behauptete, für Menschen unter 60 sei „jedwede Impfung unverantwortlich“.

Auf derselben Kundgebung sagte Fraktionschefin Alice Weidel: „Ich sehe hier und heute keine Extremisten“, während sich bayerische Neonazis im Publikum aufhielten und auch die von Pegida bekannte „Wirmer-Flagge“ geschwenkt wurde. „Wir sind Viele und wir werden immer mehr“, sagte Weidel, „wir sind keine Außenseiter, sondern wir kommen aus der Mitte der Gesellschaft“. Beim jetzigen Zustand der AfD spricht aus diesen Worten kaum mehr als eine unbegründete Hoffnung.