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Analyse zum RücktrittTruss hinterlässt einen Scherbenhaufen – kommt Johnson zurück?

Lesezeit 4 Minuten
Boris Johnson 060922

Boris Johnson bei einer Rede an der Downing Street Anfang September.

  1. Liz Truss tritt nach nur sechs Wochen im Amt zurück.
  2. Sie hinterlässt einen Scherbenhaufen.
  3. Doch wie geht es jetzt weiter?

London – Da stand es wieder. Das eigens für Liz Truss angefertigte Stehpult. Ein hölzernes Kunstwerk, das einer Spirale gleicht. Vielleicht wollte die 47-Jährige damit eine bessere Zukunft für die Menschen im Land andeuten. Schließlich versprach sie zu Beginn ihrer Amtszeit „Wachstum, Wachstum, Wachstum“. Doch es kam anders. Am Donnerstag verkündete die Politikerin an eben jenem Pult, an welchem sie vor nur 44 Tagen ihre Antrittsrede hielt, ihren Rücktritt.

Nachdem sie rasch betonte, dass sie die Hilfsmaßnahmen für Haushalte in der Energiekrise auf den Weg gebracht hatte, sagte sie: „Ich habe mit dem König gesprochen, um ihm mitzuteilen, dass ich als Chefin der Konservativen Partei zurücktrete."

Liz Truss Pult Rücktritt 201022

Liz Truss kündigte am Donnerstag ihren Rücktritt als britische Premierministerin an.

Sie wolle als Premierministerin im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist. Dies solle schon Ende der kommenden Woche geschehen. Ihre Rede hätte kaum kürzer sein können. Berichten zufolge will auch Boris Johnson erneut kandidieren.

Wie geht es nach Liz Truss' Rücktritt weiter?

Für Truss war es ein Scheitern mit Ansage. Viele Experten hatten sie im Vorfeld davor gewarnt, ihre Steuersenkungen in Milliardenhöhe in der aktuellen wirtschaftlichen Lage durchzuboxen, welche die Märkte in den vergangenen drei Wochen in Aufruhr und die Menschen im Land in Panik versetzten.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, kassierte der neu ernannte Finanzminister Jeremy Hunt diese Woche fast alle von ihr angekündigten Maßnahmen und darüber hinaus auch das Versprechen, die Energierechnungen für einen Zeitraum von zwei Jahren zu deckeln, ein.

Danach sollte Truss bis Ende des Monats bleiben, hieß es. Chaotische Szenen in Westminster und weitere Kehrtwenden am Mittwochabend sorgten dafür, dass sie nun noch schneller ihren Hut nehmen musste. „Nach zwölf Jahren gescheiterter Politik der Torys hat das britische Volk jetzt etwas Besseres verdient als dieses Chaos", sagte der Oppositionschef Keir Starmer nach Truss' Rücktritt und sprach sich für Neuwahlen aus.

Konservative Partei will sich schnell einigen

Die Tories wollen jetzt jedoch einen „geregelten“ Machtwechsel in ihrem Sinne ermöglichen. Deshalb will sich die konservative Partei schnell auf einen gemeinsamen Nachfolger einigen. Ein wochenlanger Wahlkampf wie im Sommer soll auf jeden Fall vermieden werden, hieß es. Das jedoch wird nicht einfach. Schließlich ist die Partei tief gespalten.

Aktueller Favorit ist Rishi Sunak. Der 42-Jährige schied im Sommer im Zweikampf, bei dem rund 150.000 Parteimitglieder über einen Nachfolger entschieden, gegen Truss aus. Seine Gegner werfen ihm allerdings vor, dass er wegen seines Rücktritts vom Amt des Finanzministers Anfang Juli für den Sturz von Ex-Premier Boris Johnson verantwortlich sei.

Weitere Favoriten sind die für Parlamentsfragen zuständige Ministerin Penny Mordaunt, die Ex-Innenministerin Suella Braverman, Verteidigungsminister Ben Wallace und der frühere Verkehrsminister und jetzige Innenminister Grant Shapps. Die Mehrheit der Partei-Mitglieder hätte gerne Johnson zurück. Dieser plant Medienberichten zufolge eine erneute Kandidatur für den Posten. Er sagte am Donnerstag, dies sei im „nationalen Interesse“.

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Die Spekulationen über einen bevorstehenden Rücktritt von Truss nahmen am Donnerstagmittag Fahrt auf, nachdem sie sich in ihrem Regierungssitz mit dem Vorsitzenden des mächtigen 1922-Komitees der konservativen Fraktion Graham Brady traf. Das Gremium ist für die Wahl und Abwahl der Parteivorsitzenden zuständig. Seine Aufgabe war es, der Premierministerin klarzumachen, dass sie den Rückhalt in der Fraktion verloren hat. Es ist anzunehmen, dass er es war, der ihr den Rücktritt nahelegte. Spätestens als dann auch noch die Gesundheitsministerin und enge politische Vertraute von Truss, Therese Coffey, zu dem Treffen hinzukam, war klar: Es geht dem Ende zu.

Abgeordnete zu Abstimmung gedrängt

Zur Eskalation der Lage am Donnerstag hatten Vorkommnisse beigetragen, die sich am Mittwochabend in Westminster abgespielten. Abgeordnete wurden vor einer Abstimmung von führenden konservativen Politikern in das House of Commons gedrängt, um gegen den durch die Labour-Partei eingebrachten Antrag zum Verbot von Fracking zu stimmen. Es war von Geschrei die Rede und von Tränen. Peter Ricketts, Mitglied des britischen Oberhauses und ehemaliger britischer Diplomat, beschrieb die Szenen als „beschämend“.

Kurz zuvor hatte Suella Braverman ihren Rücktritt als Innenministerin erklärt, nach nur 36 Tagen in dieser Rolle. In einem Brief räumte sie ein, dass sie kleinere Fehler gemacht habe und deshalb aus dem Amt scheide. Sie hatte gegen Sicherheitsregeln verstoßen, indem sie Informationen in privaten E-Mails weitergab. Gleichzeitig forderte sie Truss dazu auf, Verantwortung zu übernehmen. „Vorzutäuschen, dass wir keine Fehler gemacht haben und zu hoffen, dass sich die Dinge auf magische Weise zum Guten wenden, ist keine ernsthafte Politik“, tadelte sie die frühere Parteichefin.

Wie sich diese Fehler auswirkten, bekamen Britinnen und Briten in den vergangenen Wochen zu spüren. Truss' Pläne haben den Märkten nachhaltig geschadet, Menschen und Unternehmen Millionen von Pfund gekostet. Dabei steht der harte Winter, während dem Britinnen und Briten die Krise erst richtig zu spüren bekommen werden, erst bevor. Truss verlässt das Amt während einer der schwersten Krisen des Landes – ohne Plan und ohne Führung.